Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2009 - StB 52/09

bei uns veröffentlicht am15.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 52/09
vom
15. Dezember 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt ja
Veröffentlichung ja
___________________________________
StGB § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB
1. Eine im Ausland außerhalb der Europäischen Union begangene Tathandlung
im Sinne von § 129 b Abs. 1 Satz 1, § 129 Abs. 1, § 129 a
Abs. 1 bis 5 StGB kann nicht über § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Var. StGB
unter dem Gesichtspunkt zur Anwendbarkeit dieser Strafvorschriften führen
, dass ein eventuell durch die Handlung bewirkter Erfolg (§ 9 Abs. 1
StGB) im Inland eingetreten ist.
2. Der Begriff des Opfers im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 3. Var. StGB
bezieht sich nicht auf die Organisationstaten nach § 129 b Abs. 1 Satz 1,
§§ 129, 129 a StGB, sondern auf die von der Vereinigung in Verfolgung
ihrer Zwecke oder Tätigkeiten begangenen Straftaten.
BGH, Beschl. vom 15. Dezember 2009 - StB 52/09 - Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2009 gemäß
§ 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2009 - 2 BGs 328/09 - wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB. Er legt ihm zur Last, sich in einem Lager der ausländischen terroristischen Vereinigung "Y" außerhalb Europas aufzuhalten und sich dort im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen für den bewaffneten Kampf unterweisen zu lassen.
2
Mit Beschluss vom 11. November 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Antrag des Generalbundesanwalts, die Telekommunikation , die über den Anschluss des in Deutschland lebenden "X" geführt wird, zu überwachen und aufzuzeichnen (§ 100 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StPO) sowie diesen Anschluss betreffende retrograde Verkehrsdaten zu erheben (§ 100 g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO, §§ 96, 113 a TKG), mit der Begründung abgelehnt, es lägen weder zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte mit "X" verfahrensrelevante Telefongespräche führe, noch sei durch die beantragte Maßnahme eine (weitere) Aufklärung seines Aufenthaltsortes zu erwarten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Generalbundesanwalts, der der Ermittlungsrichter nicht abgeholfen hat, ist zulässig, jedoch im Ergebnis nicht begründet.
3
1. Nach den bisherigen Ermittlungen liegen (u. a.) zureichende Anhaltspunkte für folgendes Geschehen vor:
4
Der Beschuldigte, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, aber in Deutschland lebte, ... reiste Anfang des Jahres 2009 in das nicht der Europäischen Union zugehörige Land "Z". Dort wurde er in ein Ausbildungslager der "Y"-Vereinigung vermittelt, der er sich später als Mitglied anschloss. Er ist bislang nicht nach Deutschland zurückgekehrt. (wird weiter ausgeführt)
5
2. Es kann dahinstehen, ob durch die vom Generalbundesanwalt beantragten Ermittlungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Erkenntnisse zur Aufklärung des dem Beschuldigten angelasteten Verhaltens oder seines Aufenthaltsorts zu erwarten wären. Keiner näheren Betrachtung bedarf auch die Frage, ob hinsichtlich des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB (eingeführt durch das Gesetz zur Verfolgung und Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. Juli 2009, BGBl I 2437 ff.) überhaupt ausreichende Verdachtsgründe für ein tatbestandsmäßiges Handeln des Beschuldigten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift am 4. August 2009 vorliegen. Der Beschuldigte hielt sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Monate in "Z" auf. In Anbetracht dieses Zeitablaufs erscheint es durchaus nicht fernliegend, dass sein Aufenthalt bei der terroristischen Vereinigung nach Inkrafttreten des § 89 a StGB bereits nicht mehr Ausbildungszwecken diente. (wird weiter ausgeführt

)

6
Die Anordnung der beantragten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die bisherigen Erkenntnisse keine zureichenden Anhaltspunkte dafür bieten, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten, der - soweit strafrechtlich relevant - als Ausländer ausschließlich im nichteuropäischen Ausland handelte, den für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts erforderlichen Inlandsbezug im Sinne des § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB oder - was nach der Verdachtslage mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 1, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ebenfalls in Betracht zu ziehen ist - im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB aufweist. Hierzu gilt im Einzelnen:
7
Die Ausweitung der Strafbarkeit nach §§ 129, 129 a StGB auf ausländische kriminelle und terroristische Vereinigungen gemäß § 129 b StGB sowie die Erstreckung des Anwendungsbereichs der Tatbestände zur Ahndung terroristischer Vorbereitungshandlungen gemäß §§ 89 a, 89 b StGB auf Auslandstaten (§ 89 a Abs. 3 Satz 1 bzw. § 89 b Abs. 3 Satz 1 StGB) hat den Gesetzgeber veranlasst, die Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf Taten außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von spezifischen, den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich der Norm einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Zweck dieser Regelungen ist es, einer uferlosen Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Ausländern Grenzen zu setzen (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.; BRDrucks. 69/09 S. 16; BTDrucks. 16/12428 S. 15 f.).
8
Eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im nicht der Europäischen Union zugehörigen Ausland erfordert gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB, dass entweder die Tat durch eine im Geltungsbereich des Strafgesetzbuches ausgeübte Tätigkeit begangen wird, der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder der Täter oder das Opfer sich im Inland befindet. In Anlehnung an diese Regelung (BRDrucks. aaO; BTDrucks. 16/12428 aaO) setzt § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts einen spezifischen Bezug zu Deutschland, seinen Staatsan- gehörigen oder der inländischen Wohnbevölkerung in der Weise voraus, dass die Handlung entweder durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll. Aus den jeweiligen Gesetzesfassungen wird jedoch nicht deutlich, ob § 129 Abs. 1 Satz 2 und § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB spezielles und abschließendes Rechtsanwendungsrecht enthalten mit der Folge, dass die allgemeinen , zum Teil übereinstimmenden, zum Teil aber auch abweichenden allgemeinen Vorschriften des internationalen Strafrechts der §§ 3 bis 7 StGB nicht anwendbar sind, oder ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - sie neben die allgemeinen Regeln der §§ 3 ff. StGB treten und diese ergänzen.
9
a) Die Gesetzesmaterialien zu § 129 b StGB geben zu dieser Frage keinen Aufschluss (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.; zur Entstehungsgeschichte der Norm: Stein GA 2005, 433, 449 ff.). In der Literatur wird nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass § 129 b Abs. 1 StGB die Anwendbarkeit der §§ 3 ff. StGB nicht berührt, sondern lediglich für die im Nicht-EU-Ausland bestehenden Vereinigungen zusätzliche Voraussetzungen aufstellt (vgl. Krauß in LK 12. Aufl. § 129 b Rdn. 8 ff.; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 b Rdn. 9 und 17 ff.; Fischer, StGB 57. Aufl. § 129 b Rdn. 4; Stein in SK-StGB § 129 b Rdn. 4; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 b Rdn. 3, 7; Altvater NStZ 2003, 179, 181; Stein GA 2005, 433, 453 ff.; aA Kress JA 2005, 220, 226). Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, dass sich § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB seinem Wortlaut nach ausschließlich auf Vereinigungen in Nicht-EU-Staaten beziehe und deshalb auf Vereinigungen innerhalb des Gebiets der Europäischen Union nicht anwendbar sei. Für Beteiligungshandlungen an kriminellen oder terroristischen Vereinigungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte daher das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB, da diese Taten sonst unbegrenzt innerstaatlicher Straf- gewalt unterlägen, was mit völkerrechtlichen Grundsätzen zur Rechtsgeltungserstreckung nicht vereinbar sei. Da aber die in § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB aufgestellten Geltungsvoraussetzungen für sich betrachtet teilweise großzügiger seien als diejenigen der §§ 3 ff. StGB - etwa anders als § 7 StGB keine Tatortstrafbarkeit erforderten -, der Rechtsanwendungsbereich der §§ 129, 129 a StGB für Vereinigungen im Nicht-EU-Ausland aber nicht weiter sein könne als derjenige für Beteiligungshandlungen an Vereinigungen in EU-Staaten, könne § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht im Sinne einer abschließenden, die §§ 3 ff. StGB verdrängenden Spezialregelung verstanden werden (Stein in SK-StGB aaO; ders. GA aaO).
10
Dieser Rechtsauffassung kann jedenfalls nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei § 129 b StGB insgesamt um eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende Spezialregelung zum Strafanwendungsrecht handelt. Bedenken im Hinblick auf eine Anwendung des sich aus § 7 StGB ergebenden Erfordernisses einer Tatortstrafbarkeit auf Fälle, in denen der Täter einer Auslandstat im Sinne des § 129 b Abs. 1 StGB Deutscher ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09 - zum Ausdruck gebracht. Unabhängig hiervon sind jedoch einer kumulativen Anwendung der allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff. StGB zumindest insoweit Grenzen gesetzt, als § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmen vom allgemeinen Rechtsanwendungsrecht enthält und dessen Anwendungsbereich ausdrücklich einschränkt (vgl. nachfolgend 3. b) aa). Die allgemeinen Regeln der §§ 3 ff. StGB können daher allenfalls zu einer weiteren Beschränkung, nicht aber zu einer Erweiterung der spezifischen Geltungsregelung des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB herangezogen werden. Jedes andere Verständnis einer kumulativen Anwendung der allgemeinen Vorschriften neben § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB wäre mit dem Willen des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Beteiligungshandlungen an Vereinigungen im Nicht-EU-Ausland im Vergleich zu Taten im EU-Gebiet strengeren Anforderungen zu unterstellen, nicht vereinbar.
11
b) Nichts anderes gilt für § 89 a Abs. 3 StGB. Allerdings hat der Gesetzgeber zu dieser Regelung - anders als bei § 129 b StGB - in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht, dass - unabhängig vom Tatort - eine Einschränkung des spezifischen Strafanwendungsrechts durch das Erfordernis einer Tatortstrafbarkeit im Sinne des § 7 StGB generell nicht in Betracht komme , da ansonsten die Verfolgung von terroristischen Vorbereitungshandlungen vor allem im außereuropäischen Ausland aufgrund der dortigen Rechtslage vielfach nicht möglich sei (BRDrucks. aaO; BTDrucks. 16/12428 aaO). Ob hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass § 89 a Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB als lex specialis das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB gänzlich verdrängt (so Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB § 89 a Rdn. 30; Gazeas-GrosseWilde -Kießling NStZ 2009, 593, 599 f.), oder ob nur eine kumulative Anwendung des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB neben § 89 a Abs. 3 StGB auszuscheiden hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls liegt es vor dem Hintergrund der übereinstimmenden Vorgaben in Art. 9 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 und 3) des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) in der Fassung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 28. November 2008 (Abl. EG 2008 Nr. L 330 S. 21) i. V. m. Art. 9 des Protokolls Nr. 36 des EUV-Lissabon nahe, den Geltungsbereich des § 129 b StGB und des § 89 a Abs. 3 StGB als identisch anzusehen und insoweit auch die Frage einer kumulativen Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften für beide Vorschriften einheitlich zu beantworten.
12
3. Die bisherige Verdachtslage bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte , dass das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten den in § 89 a Abs. 3 Satz 2 oder in § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB geforderten spezifischen Inlandsbezug aufweist.
13
a) Die Ermittlungsergebnisse lassen weder erkennen, dass der Beschuldigte im Sinne des § 89 a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StGB als Ausländer über eine Lebensgrundlage im Inland verfügt, noch liegen ausreichende Hinweise dafür vor, dass sich entsprechend der 5. Alternative der Vorschrift eine vorbereitete terroristische Gewalttat gegen deutsche Staatsbürger richten sollte.
14
Der Begriff der inländischen Lebensgrundlage ist - wie in § 5 Nr. 8 Buchst. a StGB - als die Summe derjenigen Beziehungen zu verstehen, die den persönlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkt im Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt ausmachen (BRDrucks. aaO S. 17). Für eine diesen Anforderungen genügende Bindung des Beschuldigten an Deutschland gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen alle Umstände dafür, dass der Beschuldigte mit seiner Ausreise nach "Z" seinen bisherigen Lebensmittelpunkt in Deutschland endgültig aufgab. (wird ausgeführt)
15
Die Anwendung deutschen Strafrechts kann auch nicht aus dem in der 5. Alternative des § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB geregelten passiven Persönlichkeitsprinzip hergeleitet werden. Das im Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten belegt bereits nicht mit der für einen tatsachengestützten Verdacht (§ 100 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass die "Y"-Vereinigung ihre Terrorakte auch gegen deutsche Staatsangehörige richtete und zu richten beabsichtigt. (wird ausgeführt)
16
b) Der fehlende Inlandsbezug steht auch einer Strafverfolgung des Beschuldigten wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129 b, 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB entgegen.
17
Zwar liegen ausreichende Hinweise dafür vor, dass sich der Beschuldigte der "Y"-Vereinigung als Mitglied angeschlossen hat und diese Vereinigung terroristische Ziele verfolgt. Die dem Beschuldigten angelastete Betätigung für die Vereinigung unterfällt aber nach der bisherigen Verdachtslage ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts, da für die - hier allein in Betracht kommenden - Rechtsanwendungsregeln der ersten und dritten Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen.
18
aa) Nach den bisherigen Erkenntnissen hat der Beschuldigte die ihm angelasteten Beteiligungshandlungen nicht durch eine im Geltungsbereich des StGB ausgeübte Tätigkeit begangen (§ 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB).
19
Der Gesetzgeber greift zwar mit dieser Regelung das an den Begehungsort anknüpfende Territorialitätsprinzip der §§ 3, 9 StGB auf, bestimmt dessen Anwendungsbereich jedoch enger als in den allgemeinen Vorschriften. Nach § 9 StGB ist Begehungsort nicht nur der Handlungsort, sondern auch der Ort, an dem der tatbestandlich vorausgesetzte Erfolg eingetreten ist. Für den Teilnehmer ist zusätzlich der Ort der Teilnahmehandlung sowie der Ort, an dem nach seiner Vorstellung die Haupttat begangen werden sollte, Begehungsort im Sinne des § 9 StGB. Demgegenüber knüpft § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB - in gleicher Weise wie § 91 a StGB (nF) - allein an eine im räumlichen Geltungsbereich des StGB ausgeübte Tätigkeit an, sieht also für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ausschließlich den Handlungsort als bestimmend an und nicht den Erfolg der tatbestandsmäßigen Handlung (Krauß aaO Rdn. 19 a; Altvater aaO S. 181). Denn mit dem Begriff der Tätigkeit, wie er in der ersten Fallgruppe des § 129 b StGB Verwendung findet, ist nicht die Tatbestandsverwirklichung in ihrer Gesamtheit gemeint, sondern nur die eigene Verhaltensweise des Täters (ebenso zu § 91 a StGB nF: Fischer aaO § 91 a Rdn. 3). § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB enthält deshalb in seiner ersten Alternative einen ausdrücklichen Ausschluss des Erfolgsorts als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im NichtEU -Ausland. Die Regelung stellt insoweit eine vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme von § 9 StGB dar und schränkt dessen Anwendungsbereich ein (ebenso zu § 91 StGB aF: Laufhütte/Kuschel in LK 12. Aufl. § 91 Rdn. 1). Allein diese Auslegung, die nach dem Wortlaut der Vorschrift und der Gesetzessystematik zwingend ist, verleiht der Rechtsanwendungsregel des § 129 b Abs.1 Satz 2 1. Alt. StGB die von der Literatur vermisste eigenständige Bedeutung (vgl. Miebach /Schäfer aaO Rdn. 17). Denn die vom Gesetzgeber gewollte Ausgestaltung der ersten Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB als Ausnahmeregelung hat zur Folge, dass der Erfolgsort einer Betätigungshandlung im Sinne von § 129 b Abs. 1 Satz 1, §§ 129, 129 a StGB - unabhängig von der Frage, ob sich ein solcher bei dem abstrakten Gefährdungsdelikt überhaupt ausmachen lässt - abweichend von § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB zur Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt nicht herangezogen werden kann (aA Krauß aaO Rdn. 19 b ff.).
20
Eine Tätigkeit im Sinne von § 129 b Abs. 1 Satz 1, § 129 a Abs. 1 bis 5 StGB hat der Beschuldigte im räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht entfaltet. (wird ausgeführt

)

21
bb) Ein Inlandsbezug kann auch nicht aus der dritten Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB hergeleitet werden.
22
Nach dem Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. 14/8893 S. 9) wollte der Gesetzgeber mit dieser Rechtsanwendungsregel die Beteiligung an Vereinigungen erfassen, die Anschläge gegen deutsche Staatsangehörige oder gegen Ausländer im Inland begangen und dadurch deutsche Interessen im be- sonderen Maße beeinträchtigt haben (ebenso Krauß aaO Rdn. 23; Miebach /Schäfer aaO Rdn. 20; Altvater aaO S. 181). Der Begriff des Opfers bezieht sich danach nicht auf die Organisationstat, sondern auf die von der Vereinigung begangene Ausführungstat. Eine mitgliedschaftliche Betätigung oder Unterstützung einer Vereinigung im nicht der Europäischen Union zugehörigen Ausland, die noch keine konkrete Ausführungstat zum Nachteil eines deutschen Staatsangehörigen begangen hat, wird von der dritten Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB daher nicht erfasst (Krauß aaO).
23
Anhaltspunkte dafür, dass durch eine terroristische Aktion der "Y"Vereinigung deutsche Staatsbürger zu Schaden gekommen sind, ergeben die bisherigen Ermittlungen indes nicht.
24
4. Da auch anderweitige Ansätze für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht ersichtlich sind (§ 89 b StGB scheidet aus den dargelegten Gründen nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 StGB aus und ist im Übrigen ohnehin keine Katalogtat nach § 100 a Abs. 2 StGB), kommt die Anordnung der vom Generalbundesanwalt beantragten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht in Betracht. Becker Sost-Scheible Mayer

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 34/09
vom
31. Juli 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im
Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2009 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung über die Anträge des Generalbundesanwalts vom 20. April 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an den Ermittlungsrichter zurückverwiesen.

Gründe:

1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 19. Mai 2009 die Anträge des Generalbundesanwalts abgelehnt, für Telekommunikationsanschlüsse der Beschuldigten und dreier Kontaktpersonen nach § 100 a StPO die Überwachung der Telekommunikation bzw. nach § 100 g StPO die Erhebung der Verkehrsdaten anzuordnen. Er ist der Ansicht, dass auf die den Beschuldigten angelasteten Taten deutsches Strafrecht keine Anwendung findet. Die Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an den Ermittlungsrichter.

I.


2
Den Beschuldigten, die gleichzeitig die deutsche und die a Staatsangehörigkeit besitzen, wird vorgeworfen, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung
V
beteiligt zu haben. (Wird ausgeführt.

)


II.


3
1. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse begründen den Verdacht, dass die Beschuldigten sich an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Mitglied beteiligt haben, deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Menschen zu töten (§§ 129 b Abs. 1 Satz 2, 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; §§ 100 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 d, 100 g Abs. 1 Nr. 1 StPO). Die Beschuldigten sind aufgrund der verbreiteten Botschaften nicht lediglich werbender oder unterstützender Erklärungen für die V verdächtig, sondern aktiver mitgliedschaftlicher Handlungen zur Förderung von deren Aufbau und Fortdauer. Ihre Äußerungen lassen eine Eingliederung in die Organisation (vgl. BGHSt 51, 345, 353), eine Unterordnung unter deren Ziele und ein Handeln in deren Namen erkennen. Die in den Botschaften enthaltenen Aufrufe sind ersichtlich darauf angelegt, die Schlagkraft der V zu stärken. (Wird ausgeführt.)
4
2. Zutreffend geht der Ermittlungsrichter davon aus, dass die Beschuldigten einer Tat verdächtig sind, die sie ausschließlich durch eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit begangen haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB). Nicht anschließen kann sich der Senat aber dessen Meinung, die Geltung des deutschen Strafrechts sei nicht hinreichend wahrscheinlich.
5
a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich die Anwendbarkeit des § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB unmittelbar aus § 129 b Abs. 1 Satz 2 2. Alt. StGB ergibt. Zwar enthält § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB nach herrschender Ansicht keine die §§ 3 ff. StGB verdrängenden Sonderrege- lungen über die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts (Altvater, NStZ 2003, 179 f.; Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 b Rdn. 4; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 b Rdn. 13; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 b Rdn. 3; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 b Rdn. 18). Zumindest für die zweite Alternative dieser Vorschrift, die Auslandstaten eines Deutschen nach § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 129, 129 a StGB betrifft, könnte dies indes anders zu beurteilen sein. Denn besteht der Zweck der Bestimmung darin, anknüpfend an den Personalitätsgrundsatz Auslandstaten von Ausländern straffrei zu stellen (Altvater aaO 181; Miebach/Schäfer aaO), könnte dies vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 1 c des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (AblEG L 164/3 vom 22. 6. 2002) dafür sprechen, dass § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 129, 129 a StGB für entsprechende Auslandstaten eines Deutschen unabhängig vom Recht des Tatorts Anwendung findet, auch wenn im Gegensatz etwa zu § 35 AWG oder § 21 KWKG das Tatortrecht nicht ausdrücklich für unmaßgeblich erklärt wird.
6
b) Für die den Beschuldigten vorgeworfene Tat gilt das deutsche Strafrecht mit nach derzeitigem Ermittlungsstand hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, und zwar unabhängig davon, ob die V als Organisation auf b oder auf c Gebiet existent ist und ob das betreffende Gebiet der effektiven Ausübung staatlicher Gewalt faktisch entzogen ist mit der Folge, dass es im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. StGB keiner Strafgewalt unterliegt (vgl. Ambos in MünchKomm-StGB § 7 Rdn. 18). Besteht die Strafgewalt fort, gilt das deutsche Strafrecht nach der ersten Alternative der Vorschrift. Aus der Veröffentlichung der einschlägigen Strafvorschriften auf der Internetseite des United Nations Office on Drugs and Crime (http:/www.unodc.org unter Terrorism Prevention, National Legal Resources) schließt der Senat, dass das den Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen sowohl nach b als auch nach c Recht mit Strafe bedroht ist. (Wird ausgeführt.)
7
c) Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB unter dem Aspekt eröffnet sein könnte, dass ein zum Tatbestand des § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gehörender Erfolg im Inland eingetreten ist.
8
3. Der Senat verweist die Sache zur Entscheidung über die Anträge des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter zurück. Eine eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ist in Ausnahme von § 309 Abs. 2 StPO dann nicht geboten, wenn sich das Erstgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus mit der Sache nur gleichsam formal, nicht aber unter Würdigung des eigentlich entscheidungserheblichen Sachverhalts beschäftigt hat (Frisch in SKStPO § 309 Rdn.13 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Der Ermittlungsrichter hat die Anträge mangels Geltung des deutschen Strafrechts abgelehnt und sich somit auf einen einzelnen, letztlich nicht tragfähigen Gesichtspunkt gestützt. Mit den bei einer Anordnung nach §§ 100 a, 100 g StPO aufgeworfenen zentralen, das Fernmeldegeheimnis berührenden und eigentlich entscheidungserheblichen Fragen wie Erforderlichkeit der Maßnahme und ihre Zulässigkeit gegen Dritte musste er sich von seinem Ansatz her nicht mehr befassen. Er hat deshalb auch von den dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
Becker Sost-Scheible Mayer

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Wer auf Angehörige der Bundeswehr oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans planmäßig einwirkt, um deren pflichtmäßige Bereitschaft zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben, und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 86 Absatz 5 gilt entsprechend.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Wer auf Angehörige der Bundeswehr oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans planmäßig einwirkt, um deren pflichtmäßige Bereitschaft zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben, und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 86 Absatz 5 gilt entsprechend.

Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.

(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.