Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2019 - StB 11/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 6. Juni 2019 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 und 2 Nr. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- 1. Mit Urteil vom 2. August 2018 hat das Oberlandesgericht München den Angeklagten wegen Werbens um Unterstützer für eine ausländische terroristische Vereinigung in zwei Fällen, versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Totschlags sowie Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt (3 StR 11/19), über die der Senat bislang nicht entschieden hat. In dem Verfahren sind dem Angeklagten zwei Pflichtverteidiger beigeordnet, denen in erster Instanz Akteneinsicht gewährt worden war.
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- Mit eigenhändigem Schreiben vom 1. März 2019 hat der Angeklagte beim erkennenden 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München zum wiederholten Male beantragt, ihm persönlich "die komplette Akte" auf einem "Laptop" zur Verfügung zu stellen. Den Antrag hat der Vorsitzende dieses Strafsenats mit Verfügung vom 7. März 2019 abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Beschwerde. Er macht geltend, er benötige die Akten zuzüglich digital gespeicherter Beweisstücke (Voicemails, Chat-Nachrichten ) für eine effektive Verteidigung, um etwa Übersetzungen aus der arabischen Sprache kontrollieren zu können.
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- 2. Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.
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- a) Soweit der Antrag des Angeklagten seinem Wortlaut nach dahin zu verstehen ist, er begehre Akteneinsicht allein in der Weise, dass ihm die vollständigen Akten zuzüglich digital gespeicherter Beweisstücke auf einem Laptop überlassen werden, ist die Beschwerde unzulässig. Denn dann erweist sie sich als nicht statthaft (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO), weil die angefochtene Verfügung des Vorsitzenden, mit der er diesen Antrag abgelehnt hat, lediglich bestimmte Modalitäten einer Akteneinsicht betrifft. Im Einzelnen:
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- Nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO ist gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte grundsätzlich keine Beschwerde zulässig. Der zweite Halbsatz der Vorschrift führt indes eine Reihe von Entscheidungen auf, bei denen das Rechtsmittel der Beschwerde in Sachen eröffnet ist, in denen das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug zuständig ist. Hierzu zählen nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 StPO "Beschlüsse und Verfügungen, welche... die Akteneinsicht betreffen". Diese - eng auszulegende (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 1973 - StB 76/72, BGHSt 25, 120, 121; vom 28. Januar 1976 - StB 1/76, BGHSt 26, 270, 271; KK-Zabeck, StPO, 8. Aufl., § 304 Rn. 6) - Ausnahmeregelung betrifft jedoch nur das Akteneinsichtsrecht dem Grunde nach, nicht die vom Beschwerdeführer begehrte konkrete Form der Einsichtnahme.
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- Der vom Vorsitzenden abgelehnte Antrag ist entsprechend seinem Wortlaut auf bestimmte Modalitäten einer Akteneinsicht beschränkt. Der Angeklagte hat neben der Akteneinsicht seiner Verteidiger um unmittelbaren Zugang zu den im Ermittlungsverfahren angefallenen Vorgängen gerade dadurch ersucht, dass ihm persönlich die vollständigen Akten zuzüglich digital gespeicherter Beweisstücke auf einem Laptop überlassen werden. Eine Entscheidung über bestimmte Modalitäten der Akteneinsicht unterfällt indes nicht § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 StPO (s. BGH, Beschluss vom 10. August 1977 - StB 153/77, BGHSt 27, 244, 245; KK-Willnow, StPO, 8. Aufl., § 147 Rn. 28).
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- Ob die Verfügung des Vorsitzenden bei wortlautgetreuem Verständnis des Antrags auch nach § 32f Abs. 3 StPO der Beschwerde entzogen wäre, kann hier dahinstehen.
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- b) Soweit der Antrag des Angeklagten seinem Sinn entsprechend dahin auszulegen sein könnte, er mache ein eigenes Akteneinsichtsrecht dem Grunde nach geltend, ist die - insoweit gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (s. § 306 Abs. 1 StPO) - Beschwerde aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Verfügung unbegründet.
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- Die Stellungnahme eines der beiden Verteidiger zum Antrag des Generalbundesanwalts , die auf das Revisionsvorbringen Bezug nimmt, mit dem der Beschwerdeführer die rechtsfehlerhafte Bescheidung eines Beweisantrags betreffend die Übersetzung der WhatsApp-Kommunikation rügt, gibt Anlass zu dem Hinweis, dass schon nicht ersichtlich ist, inwieweit die vom Angeklagten begehrte Einsicht in elektronische Akten Einfluss auf die Erfolgsaussichten dieser Beanstandung gewinnen könnte.
Annotations
(1) Einsicht in elektronische Akten wird durch Bereitstellen des Inhalts der Akte zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die elektronischen Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der elektronischen Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden.
(2) Einsicht in Akten, die in Papierform vorliegen, wird durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellen des Inhalts der Akten zum Abruf, durch Übermittlung des Inhalts der Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg oder durch Bereitstellen einer Aktenkopie zur Mitnahme gewährt werden. Auf besonderen Antrag werden einem Verteidiger oder Rechtsanwalt, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben.
(3) Entscheidungen über die Form der Gewährung von Akteneinsicht nach den Absätzen 1 und 2 sind nicht anfechtbar.
(4) Durch technische und organisatorische Maßnahmen ist zu gewährleisten, dass Dritte im Rahmen der Akteneinsicht keine Kenntnis vom Akteninhalt nehmen können. Der Name der Person, der Akteneinsicht gewährt wird, soll durch technische Maßnahmen in abgerufenen Akten und auf übermittelten elektronischen Dokumenten nach dem Stand der Technik dauerhaft erkennbar gemacht werden.
(5) Personen, denen Akteneinsicht gewährt wird, dürfen Akten, Dokumente, Ausdrucke oder Abschriften, die ihnen nach Absatz 1 oder 2 überlassen worden sind, weder ganz noch teilweise öffentlich verbreiten oder sie Dritten zu verfahrensfremden Zwecken übermitteln oder zugänglich machen. Nach Absatz 1 oder 2 erlangte personenbezogene Daten dürfen sie nur zu dem Zweck verwenden, für den die Akteneinsicht gewährt wurde. Für andere Zwecke dürfen sie diese Daten nur verwenden, wenn dafür Auskunft oder Akteneinsicht gewährt werden dürfte. Personen, denen Akteneinsicht gewährt wird, sind auf die Zweckbindung hinzuweisen.
(6) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Einsicht in elektronische Akten geltenden Standards. Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständigen Bundesministerien übertragen.
(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.
(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.
(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.