Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2003 - IXa ZB 27/03

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Im Termin zur Zwangsversteigerung am 27. Februar 2002 lehnten die Schuldner den Rechtspfleger wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Amtsgericht wies das Befangenheitsgesuch mit Beschluß vom 21. März 2002 als unbegründet zurück. Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Gegen diese Beschwerdeentscheidung wenden sich die Schuldner mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat über den von ihm angewandten Maßstab zur Be- urteilung eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Rechtspfleger im Zwangsvollstreckungsverfahren folgendes ausgeführt: Gegenüber dem Erkenntnisverfahren , in dem die Berechtigung streitiger Ansprüche im Mittelpunkt stehe, gebe es im Zwangsvollstreckungsverfahren, in dem es um die Realisierung titulierter Ansprüche gehe, deutlich eingeschränkte Prüfungspflichten und Prüfungsmöglichkeiten des Rechtspflegers. Deshalb seien jedenfalls keine strengeren, sondern tendenziell eher geringere Anforderungen an die Unparteilichkeit des Rechtspflegers und die Vermeidung des Scheins seiner Parteilichkeit zu stellen.
2. Diese Auffassung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie läßt besorgen, daß das Landgericht bei der Bewertung der Ablehnungsgründe zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Befangenheit des Rechtspflegers gestellt hat.
Der Rechtspfleger, der kein Richter im Sinne von Art. 92 und 97 GG ist, entscheidet innerhalb des ihm nach § 3 RPflG übertragenen Aufgabenkreises. Das Prozeßgrundrecht auf eine Entscheidung durch einen unparteiischen Rechtspfleger folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens (BVerfGE 101, 397, 405 m.w.Nachw.; G. Vollkommer, Der ablehnbare Richter 2001 S. 37 ff), aus § 9 RpflG über die Unabhängigkeit des Rechtspfleger und insbesondere aus § 10 RpflG über Ausschluß und Ablehnung des Rechtspflegers. Nach § 10 Satz 1 RpflG sind für die Ablehnung des Rechtspflegers die für den Richter
geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§§ 42 ff ZPO und §§ 24 ff StPO).
a) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit eines Richters /Rechtspflegers findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Befürchtung erwecken kann, der Rechtspfleger stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden als Ablehnungsgrund aus. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Rechtspflegers zu zweifeln (vgl. BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 30. Januar 1986 - X ZR 70/84 - NJW-RR 1986, 738; st.Rspr.).
b) Dieser Maßstab gilt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch im Zwangsversteigerungsverfahren, das dem Rechtspfleger nach § 3 Nr. 1 Buchst. i RpflG übertragen ist. Die Durchführung dieses Verfahrens, in dem der Staat durch den Hoheitsakt des Zuschlags Eigentum entzieht und auf den Meistbietenden überträgt, verlangt vom Rechtspfleger Unabhängigkeit, Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten (vgl. für die Auseinandersetzungsversteigerung unter Eheleuten BVerfGE 42, 64, 75; für das FGGVerfahren BVerfGE 21, 139, 146). Das Zwangesversteigerungsverfahren erfordert wegen seiner weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen und seinen den Beteiligten zumeist nicht leicht zugänglichen rechtlichen Schwierigkeiten und strengen Formerfordernissen eine verantwortungsvolle Verfahrensgestaltung. Dem Rechtspfleger kommt die Aufgabe zu, durch die Beachtung der Ver-
fahrensvorschriften im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Gläubigers und des Schuldners als Träger des Eigentumsrechtes Rechtssicherheit bei gleichmäßiger Wahrung der unterschiedlichen Belange der Verfahrensbeteiligten zu schaffen (Stöber, ZVG 17. Aufl. Einl. Rdn. 5, 6). Zwar mögen in Zwangsversteigerungsverfahren Rechtspfleger gelegentlich nur deshalb abgelehnt werden, um die Zwangsversteigerung zu verzögern oder gar zu verhindern (Arnold, Rechtspflegergesetz 5. Aufl. § 10 Rdn. 21). Darin liegt indes kein hinreichender Grund, für die Zwangsversteigerung von den die Unparteilichkeit des Rechtpflegers sichernden Grundsätzen abzuweichen, die seit langem ein selbstverständlicher und unentbehrlicher Bestandteil der Gerichtsverfassung sind (BVerfGE 21, 139, 146).
3. Danach kann der Beschluß des Landgerichts keinen Bestand haben. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht insbesondere bei der Gesamtwürdigung der geltend gemachten Ablehnungsgründe - Bestimmung des Termins auf 7.00 Uhr morgens, obwohl die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner von Bad Homburg und Stuttgart nach Tübingen anreisen mußten; Verweigerung der Akteneinsicht; Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner; Frage an deren weitere Verfahrensbevollmächtigte , ob sie das Schreibwerkzeug des anderen Bevollmächtig-
ten sei - bei Anwendung des zutreffenden Maßstabes zu einem anderen Er- gebnis gelangt wäre und eine Besorgnis der Befangenheit des Rechtspflegers bejaht hätte. Deshalb ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Kreft Raebel Athing
von Lienen Kessal-Wulf

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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.
Dem Rechtspfleger werden folgende Geschäfte übertragen:
- 1.
in vollem Umfange die nach den gesetzlichen Vorschriften vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des Amtsgerichts in - a)
Vereinssachen nach den §§ 29, 37, 55 bis 79 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie nach Buch 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - b)
den weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 410 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie den Verfahren nach § 84 Absatz 2, § 189 des Versicherungsvertragsgesetzes, - c)
Aufgebotsverfahren nach Buch 8 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - d)
Pachtkreditsachen im Sinne des Pachtkreditgesetzes, - e)
(weggefallen) - f)
Urkundssachen einschließlich der Entgegennahme der Erklärung, - g)
Verschollenheitssachen, - h)
Grundbuchsachen, Schiffsregister- und Schiffsbauregistersachen sowie Sachen des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen, - i)
Verfahren nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, - k)
Verteilungsverfahren, die außerhalb der Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verteilungsverfahren durchzuführen sind, - l)
Verteilungsverfahren, die außerhalb der Zwangsversteigerung nach den für die Verteilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften durchzuführen sind, - m)
Verteilungsverfahren nach § 75 Absatz 2 des Flurbereinigungsgesetzes, § 54 Absatz 3 des Landbeschaffungsgesetzes, § 119 Absatz 3 des Baugesetzbuchs und § 94 Absatz 4 des Bundesberggesetzes;
- 2.
vorbehaltlich der in den §§ 14 bis 19b dieses Gesetzes aufgeführten Ausnahmen die nach den gesetzlichen Vorschriften vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des Amtsgerichts in - a)
Kindschaftssachen und Adoptionssachen sowie entsprechenden Lebenspartnerschaftssachen nach den §§ 151, 186 und 269 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - b)
Betreuungssachen sowie betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen nach den §§ 271 und 340 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - c)
Nachlass- und Teilungssachen nach § 342 Absatz 1 und 2 Nummer 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - d)
Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregistersachen sowie unternehmensrechtlichen Verfahren nach den §§ 374 und 375 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - e)
Verfahren nach der Insolvenzordnung, - f)
(weggefallen) - g)
Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1; L 350 vom 6.12.2014, S. 15), die zuletzt durch die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1792 (ABl. L 274 vom 11.10.2016, S. 35) geändert worden ist, Verfahren nach der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19; L 349 vom 21.12.2016, S. 6), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/353 (ABl. L 57 vom 3.3.2017, S. 19) geändert worden ist, Verfahren nach den Artikeln 102 und 102c des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung sowie Verfahren nach dem Ausführungsgesetz zum deutsch-österreichischen Konkursvertrag vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 535), - h)
Verfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung, - i)
Verfahren nach § 33 des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1042) über die Ausstellung, Berichtigung, Änderung oder den Widerruf eines Europäischen Nachlasszeugnisses, über die Erteilung einer beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses oder die Verlängerung der Gültigkeitsfrist einer beglaubigten Abschrift sowie über die Aussetzung der Wirkungen eines Europäischen Nachlasszeugnisses;
- 3.
die in den §§ 20 bis 24a, 25 und 25a dieses Gesetzes einzeln aufgeführten Geschäfte - a)
in Verfahren nach der Zivilprozessordnung, - b)
in Festsetzungsverfahren, - c)
des Gerichts in Straf- und Bußgeldverfahren, - d)
in Verfahren vor dem Bundespatentgericht, - e)
auf dem Gebiet der Aufnahme von Erklärungen, - f)
auf dem Gebiet der Beratungshilfe, - g)
auf dem Gebiet der Familiensachen, - h)
in Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
- 4.
die in den §§ 29 und 31 dieses Gesetzes einzeln aufgeführten Geschäfte - a)
im internationalen Rechtsverkehr, - b)
(weggefallen) - c)
der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren und der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen sowie von Ordnungs- und Zwangsmitteln.
Der Rechtspfleger ist sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden.
Für die Ausschließung und Ablehnung des Rechtspflegers sind die für den Richter geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Über die Ablehnung des Rechtspflegers entscheidet der Richter.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.