Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2004 - IXa ZB 215/03

published on 30/01/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2004 - IXa ZB 215/03
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IXa ZB 215/03
vom
30. Januar 2004
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, Dr. Boetticher und die Richterin
Dr. Kessal-Wulf
am 30. Januar 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2003 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


Die Gläubigerin erwirkte mit Beschluß des Amtsgerichts vom 27. Februar 2003 für Trennungs- und Kindesunterhalt, Zinsen und Kosten die Pfändung von Lohnansprüchen des Schuldners und ihre Überweisung zur Einziehung. Hierfür wurde ihr mit Beschluß vom 28. März 2003 antragsgemäß Prozeßkostenhilfe bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes jedoch abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin den Beiordnungsantrag weiter.

II.


Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat angenommen, daß die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung (§ 121 Abs. 2 ZPO) für die Zwangsvollstreckung nicht allgemein bejaht werden könne, sondern anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen sei. Maßgeblich seien in sachlicher Hinsicht Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie in persönlicher Hinsicht die Fähigkeit der Partei, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Hiernach sei für ein Zwangsvollstreckungsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts in der Regel nicht erforderlich. Besondere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art, die es ausnahmsweise nahelegen, daß die Gläubigerin die sachdienlichen Anträge unter Benutzung der verfügbaren Vordrucke und gegebenenfalls mit Hilfe der Rechtsantragsstelle nicht persönlich anfertigen und einreichen könne, sondern hierzu der Mitwirkung eines Rechtsanwalts bedürfe, seien nicht ersichtlich.
2. Die grundsätzliche Rechtsfrage, zu deren Klärung das Landgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, ist durch den Bundesgerichtshof in dem Beschluß vom 18. Juli 2003 (IXa ZB 124/03, NJW 2003, 3136) beantwortet worden (zur Abgrenzung seither noch Beschl. v. 25. September 2003 - IXa ZB 192/03 - Sachpfändung, ZVI 2003, 592; v. 10. Oktober 2003 - IXa ZA 7/03 - Beiordnung für ungenannte weitere Vollstreckungsmaßnahmen; n.v.). Das
Landgericht konnte diese Beschlüsse bei seiner Entscheidung noch nicht kennen.
Jedenfalls für Verfahren der erweiterten Pfändung von Arbeitslohn darf dem Gläubiger danach die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht ohne Prüfung des Einzelfalls versagt werden. Von diesem Rechtssatz ist zwar - für Zwangsvollstreckungsverfahren allgemein - auch das Landgericht ausgegangen. Rechtsfehlerhaft ist aber die Einschränkung, es gelte auch für die Vollstreckung wegen Rückständen gesetzlicher Unterhaltsansprüche in Lohnforderungen des Schuldners die Regel, daß die Beiordnung eines Rechtsanwalts hierfür nicht erforderlich sei. Hier kann im Hinblick auf § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO zunächst das Alter zu vollstreckender Unterhaltsrückstände zu prüfen sein. Bleibt es bei der erweiterten Pfändung, ist der notwendige Unterhalt des Schuldners gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO festzustellen, möglicherweise auch die Höhe und der Rang anderer Unterhaltsansprüche.
Der Beschwerdeentscheidung sind keine Feststellungen zu entnehmen, aus denen sich ergibt, daß die Gläubigerin diese Prüfungen sachgerecht ohne anwaltlichen Beistand vornehmen konnte. Der Hinweis auf die Möglichkeit zur Benutzung unterschiedlicher Vordrucke ist rechtlich unzureichend. Welche Sachverhalte das Landgericht als "Ausnahmefälle" anerkannt hätte, in denen nach seiner Auffassung die Beiordnung eines Rechtsanwaltes in vergleichbaren Zwangsvollstreckungsverfahren erforderlich wäre, läßt der angefochtene Beschluß nicht erkennen. Damit kann im Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht beurteilt werden, ob das Landgericht durch weit gezogene Ausnahmetatbestände das Erfordernis der Anwaltsbeiordnung im praktischen Ergebnis doch
einer Einzelfallprüfung unterworfen hat, die von der verkürzenden Sichtweise eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses frei war.
Der angefochtene Beschluß kann deshalb keinen Bestand haben. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung der spezifischen Schwierigkeiten des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens und der persönlichen Fähigkeiten der Gläubigerin über die Erforderlichkeit der beantragten Anwaltsbeiordnung neu zu befinden.
Kreft Raebel Athing
Boetticher Kessal-Wulf
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind da

Annotations

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.

(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.

(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.