Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2014 - IX ZR 52/14
vorgehend
Bundesgerichtshof
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.
Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 52/14
vom
20. November 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring
am 20. November 2014
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der vom Beklagten erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Januar 2014 wird abgelehnt.
Gründe:
- 1
- Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Nach dieser Norm erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.
- 2
- Zwar ist nicht genügend Masse vorhanden, um aus ihr die Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung vollständig begleichen zu können (Massebestand : 28.488,12 €; Masseverbindlichkeiten: etwa 25.000,00 €; verbleibende Masse: 3.488,12 €; in der Revisionsinstanz für den Beschwerdegegner anfal- lende Anwaltskosten: 3.926,29 €). Jedoch ist es einem am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubiger zuzumuten, unter Berücksichtigung der freien Masse die Vorschüsse auf die Prozesskosten aufzubringen. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens - und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2; vom 4. Dezember 2012 - II ZA 3/12, NZI 2013, 82 Rn. 2; vom 26. September 2013 - IX ZB 247/11, WM 2013, 2025, Rn. 12; jeweils mwN). Nicht zuzumuten ist ein Kostenvorschuss allerdings den Arbeitnehmern und den Trägern der Sozialversicherung (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, NJW 1991, 40, 41; vom 8. Oktober 1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372, 378), wohl aber dem Finanzamt (BGH, Beschluss vom 2. September 1999 - VII ZA 3/99, NZI 1999, 450).
- 3
- Hieran gemessen ist dem Gläubiger der Forderungen Nr. 6, 11 (Finanzamt G. ), dessen Forderungen in Höhe von insgesamt 93.652,79 € festgestellt sind, die Aufbringung der dem Kläger als Beschwerdegegner in der Revisionsinstanz entstehenden Anwaltskosten zumutbar. Bei - nach Angabe des Klägers - festgestellten Forderungen von insgesamt 131.684,49 € kann er im Falle eines Erfolgs der auf Zahlung von 27.481,33 € gerichteten Klage auch unter Berücksichtigung eines Abschlags wegen des Vollstreckungsrisikos in Höhe von geltend gemachten 25 v.H. (= 20.611,00 €) mit einer Quotenerhö- hung von 15,652 v.H. (= 14.658,35 €) rechnen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass von den anfallenden Rechtsanwaltskosten etwa drei Viertel aus der Masse beglichen werden können und der Gläubiger nur für etwa 1.000 € aufkommen muss; damit erhält er das Vierzehnfache der aufzubringenden Kosten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 3). Selbst wenn sich die Insolvenzquote aufgrund der Berücksichtigung weiterer Verfahrenskosten nur um 13,13 v.H. (=12.296,61 €) erhöhte, wie vom Kläger ohne Aufschlüsselung behauptet wird, erhielte der Gläubiger noch das Zwölffache der aufzubringenden Kosten.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 12.03.2013 - 6 O 656/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.01.2014 - I-27 U 55/13 -
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Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag
- 1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen; - 2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
2
I. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vor- schuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; Beschluss vom 7. Februar 2012 - II ZR 13/10, juris Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9, 12).
12
2. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten , welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1090; vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9; vom 13. September 2012, aaO).
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Bei einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - II ZB 11/05, ZIP 2006, 682 Rn. 15) ist es der H. bank zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Bei einem Erfolg der auf Zahlung von 219.119,84 € zuzüglich Zinsen gerichteten Klage erhielte sie als die einzige Insolvenzgläubigerin nach Abzug der Gerichtskosten, der Vergütung des Insolvenzverwalters und seiner Auslagen, die sich gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber der Berechnung des Klägers wegen der Vergrößerung der Insolvenzmasse auf zusammen rund 30.000 € erhöhten, einen Betrag von ca. 187.000 € und damit mehr als das Zehnfache der in der Revisionsinstanz voraussichtlich entstehenden Kosten von rund 16.800 €. Selbst bei Annahme eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 50 % erhielte sie mit rund 87.000 € immer noch mehr als das Fünffache der Kosten.