Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2006 - IX ZR 36/05

bei uns veröffentlicht am13.04.2006
vorgehend
Landgericht Koblenz, 15 O 145/04, 09.07.2004
Oberlandesgericht Koblenz, 3 U 985/04, 25.01.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 36/05
vom
13. April 2006
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und die Richterin Lohmann
am 13. April 2006

beschlossen:
Der Aussetzungsantrag vom 3. März 2006 wird abgelehnt.
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. Januar 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 69.870,62 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO). Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 9. Februar 2006 in dieser Sache Bezug genommen.
2
1. Die Stellungnahme der Beklagten vom 3. März 2006 steht dem Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 552a ZPO nicht entgegen. Der Rechtsstandpunkt, den der Senat in dem Beschluss vom 9. Februar 2006 eingenommen hat, steht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Ergänzend wird auf das weitere, zu demselben Themenkreis ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2005 (IX ZR 182/01, WM 2006, 190) verwiesen. Dort hat der Senat nochmals bekräftigt , dass die Sozialversicherungsbeiträge hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile kein zugunsten der Sozialversicherungsträger aussonderungsfähiges Treugut sind und es sich bei den angefochtenen Rechtshandlungen (dort: Kontenpfändung , Druckzahlung) nicht um Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO handelt (BGH, aaO S. 192). Dies gilt im vorliegenden Fall in gleicher Weise, weil die Beklagte die streitigen Beträge, bei denen es sich nach den Feststellungen nicht um laufende Beiträge, sondern um Beitragsrückstände handelt, mit Hilfe ihrer Vollziehungsbeamten beigetrieben hat. Die von der Revision zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21. Dezember 1998 (GmbHR 1999, 881) betrifft einen anderen Sachverhalt. Diese bezieht sich auf die Zahlung des laufenden arbeitsvertraglich geschuldeten Lohns gegen gleichzeitiges Erbringen der entsprechenden angemessenen Arbeitsleistung.
3
dem In Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2005 (aaO S. 192) wird schließlich auch auf die nicht entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG NJW 2001, 3570, 3571) und des Bundesfinanzhofs (BFH ZIP 2005, 1797, 1799) eingegangen. Neue, in dem genannten Urteil nicht behandelte Aspekte zeigt die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 3. März 2006 nicht auf. Dies gilt auch für die Richtlinie 80/987 EWG des Rates vom 20. Oktober 1980. Insoweit bleibt der Senat bei seinem im Beschluss vom 3. November 2005 eingenommenen Standpunkt (IX ZR 35/05, WM 2006, 47, 48). Die in dem Schriftsatz vom 3. März 2006 zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. August 2005 (aaO) befasst sich nicht mit dieser Richtlinie. Entgegen der Auffassung der Revision besteht deshalb auch kein Klärungsbedarf hinsichtlich einer gemeinschaftsrechtlichen Vorfrage.

4
2. Der Aussetzungsantrag ist abzulehnen, weil es an einer Vorgreiflichkeit im Sinne von § 148 ZPO fehlt. Bei den unter den Aktenzeichen IX ZR 35/05 und IX ZR 36/05 geführten Prozessen handelt es sich um selbständige Verfahren. Werden mehrere Parallelprozesse geführt, ist eine Vorgreiflichkeit nicht anzunehmen (vgl. Saenger/Wöstmann, ZPO § 148 Rn. 4).
Fischer Ganter Raebel
Kayser Lohmann

Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 09.07.2004 - 15 O 145/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.01.2005 - 3 U 985/04 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Insolvenzordnung - InsO | § 142 Bargeschäft


(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner un

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2006 - IX ZR 36/05

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 36/05 vom 13. April 2006 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und die Richterin Lohmann am 13. April 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Jan. 2006 - IX ZR 35/05

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 35/05 vom 12. Januar 2006 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann am 12. Januar 2
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bei uns veröffentlicht am 13.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 36/05 vom 13. April 2006 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und die Richterin Lohmann am 13. April 2

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 35/05
vom
12. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 12. Januar 2006

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 3. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:


1
Anhörungsrüge Die ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f). Der Senat hat in dem Beschluss vom 3. November 2005 die von der Anhörungsrüge des Klägers umfassten Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie einen Revisionszulassungsgrund ergeben. Er hat unter diesem Gesichtspunkt die Beanstandungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet und hat insoweit - ohne dass dies nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO rechtlich geboten gewesen wäre - seinem die Beschwerde zurückweisenden Beschluss eine kurze Begründung beigefügt. Von einer weiterreichenden Begründung kann auch in diesem Verfahrensabschnitt in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO ab- gesehen werden. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, nach dem der Beschluss kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weitergehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszuhebeln. Auch nach der Gesetzesbegründung kann eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu eingelegt werden, eine Begründungsergänzung herbeizuführen (vgl. BT-Drucks. 15/3706 S. 16; Beschl. v. 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432, 1433; v. 28. Juli 2005 - III ZR 443/04, FamRZ 2005, 1831 f; siehe ferner BGH, Beschl. v. 19. Januar 2004 - II ZR 108/02, WM 2004, 1894, 1895).
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann

Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 10.05.2004 - 16 O 482/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 27.01.2005 - 2 U 690/04 -

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.