Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08

bei uns veröffentlicht am12.06.2008
vorgehend
Landgericht Dortmund, 2 O 21/05, 14.12.2006
Oberlandesgericht Hamm, 28 U 11/07, 20.11.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 28/08
vom
12. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape
am 12. Juni 2008

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. November 2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. § 114 Satz 1 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsfragen in dem verglichenen Deckungsprozess sind höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Urt. v. 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, VersR 2005, 639; v.
30. November 2005 - IV ZR 154/04, VersR 2006, 352; v. 7. März 2007 - IV ZR 137/06, NJW-RR 2007, 977). Das Berufungsgericht ist hiervon nicht abgewichen.
Prof. Dr. Kayser Raebel Vill
Dr. Fischer Dr. Pape
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 14.12.2006 - 2 O 21/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.11.2007 - 28 U 11/07 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2008 - IX ZR 28/08 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2007 - IV ZR 137/06

bei uns veröffentlicht am 07.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 137/06 Verkündetam: 7.März2007 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein AUB 95 § 7 I (1) Z

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2005 - IV ZR 273/03

bei uns veröffentlicht am 23.02.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 273/03 Verkündet am: 23. Februar 2005 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _____________________ AGBG

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 273/03 Verkündet am:
23. Februar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
AGBG § 9 Bk; BGB (2.1.2002) § 307 Abs. 1 Satz 2 Bk; AVB f. Unfallvers. (AUB
94) § 7
Eine Fristenregelung wie in den §§ 1 und 7 AUB 94 in Allgemeinen Versicherungsbedingungen
eines Unfallversicherers genügt den Anforderungen des
Transparenzgebots.
BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. November 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch aus einer privaten Unfallversicherung geltend. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde (im folgenden: AVB), die - soweit hier von Bedeutung - im wesentlichen den AUB 94 entsprechen. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs heißt es dort: § 1 Der Versicherungsfall I. Der Versicherer bietet Versicherungsschutz bei Unfällen , die dem Versicherten während der Wirksamkeit des Vertrages zustoßen. Die Leistungsarten, die versichert werden können, ergeben sich aus § 7; aus Antrag und Versicherungsschein ist ersichtlich, welche Leistungsarten jeweils vertraglich vereinbart sind. ...

§ 7 Die Leistungsarten Die jeweils vereinbarten Leistungsarten und deren Höhe (Versicherungssummen) ergeben sich aus dem Vertrag. Für die Entstehung des Anspruchs und die Bemessung der Leistung gelten die nachfolgenden Bestimmungen. I. Invaliditätsleistung (1) Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe entsteht, wenn der Unfall innerhalb von 15 Monaten zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt und diese Beeinträchtigung spätestens 15 Monate nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend gemacht worden ist. ... Am 24. Februar 2001 stürzte der Kläger auf einer S teintreppe und zog sich eine Achillessehnenteilruptur zu. Er mußte nach einer Nothilfeversorgung zunächst einen Unterschenkelgips, dann einen elastischen Verband und später einen Achillessehnenstrumpf tragen. Anschließend erhielt er eine Bewegungstherapie und Kräuterbäder. Auf Dauer verbleibende Schäden wurden von den behandelnden Orthopäden nicht festgestellt. Vielmehr behauptet der Kläger, die Ärzte hä tten ihm wiederholt erklärt , sein Bein werde wieder in Ordnung kommen. Erst mit Schreiben vom 4. August 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er eine Verletzung an der Achillessehne erlitten habe und seitdem täglich unter Schmerzen leide. Am 24. September 2002 suchte der Kläger einen anderen Orthopäden auf, der eine deutliche Verdickung und einen unfallabhängigen Dauerschaden attestierte. Die Beklagte lehnte Versicherungsschutz u.a. wegen Versäumung der in § 7 I (1) AVB vorgeschriebenen Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität ab. Der Kläger meint, diese Frist sei in den Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht klar und verständlich dargestellt worden.

Die Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, für das Unfallereignis vom 24. Februar 2001 Versicherungsschutz zu leisten, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt seinen Antrag mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist mit Recht abgewiesen worden.
I. 1. Das Berufungsgericht sieht keinen Verstoß ge gen das Transparenzgebot , so wie es als Maßstab der Inhaltskontrolle von Geschäftsbedingungen in langjähriger Rechtsprechung entwickelt worden sei. Ob die Anforderungen insoweit durch die Regelung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42) erhöht worden seien, könne offen bleiben, weil sich der Unfall, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleite, vor Inkrafttreten der Neuregelung ereignet habe (Art. 229 § 5 EGBGB). Durch das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung würden Spätschäden im Interesse arbeits- und kostensparender Abwicklung vom Versicherungsschutz ausgenommen , auch wenn der Versicherte die Frist schuldlos versäumt habe (BGHZ 137, 174, 177). Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf sei auch nicht rechtsmißbräuchlich. Wenn Ärzte dem Versicherten zu Unrecht erklärt hätten, es würden nach dem Unfall keine Dauerfolgen zu-

rückbleiben, trage der Versicherer dafür keine Verantwortung (BGHZ 130, 171, 176).
2. Dem hält die Revision entgegen, die höchstricht erliche Rechtsprechung habe bisher nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die zum Verlust des Versicherungsschutzes führenden Fristen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten hinreichend klar und verständlich gemacht würden. Schon vor Inkrafttreten von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei anerkannt gewesen, daß eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsoder Versicherungsbedingungen unwirksam sei, wenn die getroffene Regelung dem Transparenzgebot nicht genüge. Für den durchschnittlichen Kunden ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde insbesondere durch Aufbau und Gestaltung der AUB 94 verschleiert, daß der in § 1 der Versicherungsbedingungen gewährte Versicherungsschutz bei einem Unfall später in § 7 unter der irreführenden Überschrift "Leistungsarten" zusätzlich von der Einhaltung bestimmter Fristen etwa für die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens abhängig gemacht werde (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. AUB 94 § 7 Rdn. 8; ders. r+s 2002, 485, 489; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 179 Rdn. 21; Hormuth in Terbille, Münchener Anwalts Handbuch Versicherungsrecht , § 23 Rdn. 36).
II. Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Die Fris tenregelung in § 7 I (1) AVB hält, insbesondere soweit sie für die Entstehung des Anspruchs auf Invaliditätsleistung voraussetzt, daß spätestens 15 Monate nach dem Unfall eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von einem Arzt schriftlich festgestellt worden

sein muß, einer Inhaltskontrolle auch am Maßstab des Transparenzgebots stand.
1. Dabei kommt es auch nach Meinung der Revision n icht darauf an, ob das Transparenzgebot seine Grundlage - wie im vorliegenden Fall - noch in § 9 AGBG findet oder bereits in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit der neuen Vorschrift war eine inhaltliche Änder ung der bisher von der Rechtsprechung zum Transparenzgebot entwickelten Grundsätze nicht bezweckt (MünchKommBGB/Basedow, 4. Aufl. Bd. 2 a, § 307 Rdn. 48 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 307 Rdn. 16). Nicht zweifelhaft ist auch, daß die hier streitigen Fristen das Hauptleistungsversprechen des Versicherers lediglich ausgestalten oder modifizieren und deshalb schon unter der Geltung von § 8 AGBG der gerichtlichen Kontrolle unterlagen (vgl. BGHZ 137, 174, 175).
2. Der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingun gen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Transparenzgebot); insbesondere müssen Nachteile und Belastungen so weit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 373, 377 f.; 141, 137, 143). Eine Regelung muß nicht nur aus sich heraus klar und verständlich sein; sie hält einer Inhaltskontrolle auch dann nicht stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 85/92 - NJW 1993, 2052 unter III; vom 11. Februar 1992 - XI ZR 151/91 - NJW 1992, 1097 unter II 1).

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an, von dem allerdings die aufmerksame Durchsicht der Bedingungen, deren verständige Würdigung und die Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs erwartet werden kann (BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - NJWRR 2003, 1247 = VersR 2003, 1163, jeweils unter II 2 c (1); vgl. ferner BGH, Beschluß vom 23. März 1995 - VII ZR 228/93 - NJW-RR 1995, 749 unter 2 a). Jedes eigene Nachdenken kann dem Kunden nicht erspart bleiben (BGHZ 112, 115, 121). Eine Überspannung des Transparenzgebots würde letztlich wieder Intransparenz mit sich bringen (BGH, Urteil vom 10. März 1993, aaO).
3. a) Die hier streitige Klausel in § 7 I (1) AVB ist weder hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen noch der Bedeutung dieser Fristen für den Versicherungsschutz aus sich heraus unklar oder schwer verständlich (so auch Knappmann in Prölss/Martin, aaO Rdn. 8; Römer, aaO). Soweit Schwintowski (VuR 1998, 195 f.) das Transparenzgebot dadurch verletzt sieht, daß es für den Versicherungsschutz auf Zufallswirkungen ankomme, nämlich ob die unfallbedingte Invalidität noch innerhalb der in den Bedingungen genannten Fristen eintrete und ärztlich festgestellt werden könne oder nicht, geht es nicht um die Durchschaubarkeit der Regelung, sondern um deren Inhalt. Insoweit hat der Senat in BGHZ 137, 174, 176 f. ausgesprochen, daß die - der hier in Rede stehenden Klausel inhaltlich im wesentlichen entsprechende - Klausel in § 7 I (1) Abs. 2 AUB 88 wegen des damit bezweckten Ausschlusses von Spätschäden einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AGBG standhält. Daran wird festgehalten.

Dies gilt auch, soweit die Revision meint, bei der Regelung in § 7 I (1) AVB über die fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität handle es sich um eine verhüllte Obliegenheit, die schon deshalb unwirksam sei, weil ihr wahrer Charakter als einer Obliegenheit, deren Verletzung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit führe (§ 10 AVB), zum Nachteil des Versicherungsnehmers verschleiert werde (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. Anh. §§ 9-11 Rdn. 859; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. § 23 Rdn. 480). Der Senat hat indessen bereits entschieden, daß das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität eine Anspruchsvoraussetzung ist, für die es keinen Entschuldigungsbeweis gibt (BGHZ 137, 174, 177; Urteil vom 28. Juni 1978 - IV ZR 7/77 - VersR 1978, 1036 unter 1). Insoweit läßt der Wortlaut des § 7 I (1) AVB keinen Zweifel aufkommen.

b) Die Einsicht, daß ein Anspruch auf Versicherung sschutz bei Invalidität nur bei Einhaltung der in § 7 I (1) AVB vorgesehenen Fristen besteht, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, wenn er die Bedingungen mit der von ihm zu fordernden Aufmerksamkeit durchsieht, aber auch durch deren Aufbau und Gliederung nicht verstellt. Die Auffassung der Revision, § 1 I AVB vermittle dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, ihm werde in dieser Bestimmung bereits ein Anspruch auf Versicherungsschutz abschließend zugesagt, wenn es zu einem Unfall gekommen sei, greift zu kurz: Der im ersten Satz dieser Vorschrift angebotene Versicherungsschutz bleibt seinem Inhalt nach vielmehr völlig unbestimmt. Insofern wird der Leser aber im zweiten Satz sogleich auf die Leistungsarten hingewiesen, die versichert werden können und sich aus § 7 der Bedingungen ergeben. Wenn der Begriff "Lei-

stungsarten" in § 1 I AVB für den Versicherungsnehmer nicht aus sich heraus verständlich sein sollte, wie die Revision meint, erschließt sich seine Bedeutung jedenfalls aus dem in Bezug genommenen § 7, der unter I die Invaliditätsleistung, unter II die Übergangsleistung, unter III das Tagegeld, unter IV das Krankenhaustagegeld, unter V das Genesungsgeld und unter VI die Todesfalleistung regelt. § 1 I verdeutlicht, daß es für einen Anspruch auf eine der genannten Leistungen keineswegs nur auf das Vorliegen eines Unfalls ankommt, sondern zunächst darauf, daß eine Verpflichtung zu einer oder mehreren der genannten Leistungen überhaupt vertraglich vereinbart worden ist. § 1 I AVB sagt in seinem zweiten Satz aber nicht etwa, daß der Versicherer bei einem Unfall Zahlungen leistet, soweit überhaupt Leistungen vertraglich vereinbart sind, sondern daß sich die Leistungsarten, die versichert werden können und nach Antrag sowie Versicherungsschein vereinbart worden sind, selbst erst aus § 7 ergeben. Dem verständigen Versicherungsnehmer kann jedenfalls nicht verborgen bleiben, daß es für den inhaltlich in § 1 I AVB nicht konkretisierten Versicherungsschutz entscheidend auf § 7 AVB ankommt.
Dessen Lektüre kann er sich also nicht ersparen, w enn er über den Versicherungsschutz, der ihm zusteht, auch nur in groben Zügen informiert sein will. Daß die in § 7 getroffenen Regelungen dem Leser nicht schon in unmittelbarem Anschluß an § 1 AVB präsentiert werden, ändert nichts an der Klarheit und Verständlichkeit der sich aus § 1 I ergebenden Bezugnahme. § 7 weist den Leser schon einleitend vor den unter römischen Ziffern aufgeführten Leistungsarten darauf hin, daß die nachfolgenden Bestimmungen nicht erst für die Bemessung der Leistung, sondern schon für die Entstehung des Anspruchs gelten. Selbst wenn der

Versicherungsnehmer diese Einleitung unbeachtet läßt und sich sogleich der von ihm vereinbarten Leistungsart, hier also der Invaliditätsleistung, zuwendet, macht der Text des § 7 unter I (1) klar, daß es einen Anspruch auf Kapitalleistung wegen Invalidität nur gibt, wenn eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Frist (hier spätestens 15 Monate nach dem Unfall) eintritt , wenn diese Beeinträchtigung innerhalb dieser Frist außerdem schriftlich von einem Arzt festgestellt und geltend gemacht wird. Um dies zu erkennen, bedarf es keiner juristisch-dogmatischen Unterscheidung zwischen dem Versicherungsfall als solchem und der Entstehung des Anspruchs gegen den Versicherer (vgl. Römer in Römer/Langheid, aaO § 179 Rdn. 4).
Mit dieser Regelungstechnik sind die Voraussetzung en für den Anspruch auf Versicherungsschutz zwar nicht an einer Stelle in den Bedingungen zusammenhängend dargestellt. Das wäre indessen wegen der vielfältigen und unterschiedlichen Leistungen, die bei einem Unfall vereinbart werden können, weder einfach noch besonders naheliegend für einen Versicherungsnehmer, der nach seinen Vertragsunterlagen - wie hier - nicht schlechthin Unfallversicherungsschutz vereinbart hat, sondern neben einem Unfall-Krankenhaustagegeld u.a. bei Invalidität durch Unfall die Zahlung eines dem Invaliditätsgrad entsprechenden Betrages, wobei im Versicherungsschein ausdrücklich auf § 7 AVB hingewiesen wird. Es bedarf hier nicht der Entscheidung, ob die Anspruchsvoraussetzungen in der Unfallversicherung auch klarer und verständlicher formuliert werden könnten, als dies in den hier zu prüfenden Bedingungen geschehen ist. Diese machen die Regelung auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedenfalls hinreichend deutlich, zieht man die

Schwierigkeiten der zu regelnden Materie einerseits und die vom Versicherungsnehmer zu fordernde Aufmerksamkeit, verständige Würdigung und Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs andererseits in Betracht.

c) Daran ändert auch die Regelung in § 9 I AVB nic hts. Die Revision meint, da die dort vom Versicherungsnehmer unverzüglich nach dem Unfall geforderte Hinzuziehung eines Arztes als Obliegenheit bezeichnet werde, die nach § 10 AVB nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, sei für den Versicherungsnehmer unklar, ob dies nicht auch für die in § 7 I (1) AVB vorausgesetzte Zuziehung eines Arztes für die schriftliche Feststellung der Invalidität gelte. Eine solche Beziehung zwischen den §§ 7 I und 9 I AVB herzustellen, liegt indessen fern. Anders als in § 1 I AVB nehmen die §§ 7 I, 9 I und 10 AVB im Text nicht auf einander Bezug. Vor allem wird dem aufmerksam lesenden Versicherungsnehmer nicht entgehen, daß die in § 9 I AVB angeordnete Obliegenheit den Zweck hat, die Unfallfolgen möglichst zu mindern, wie sich aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung ergibt. Damit hat die in § 7 I (1) AVB binnen 15 Monaten nach dem Unfall geforderte schriftliche Feststellung eines Arztes über eine etwa auf Dauer verbleibende Unfallfolge nichts zu tun. Das wird dem Versicherungsnehmer, wenn er §§ 7 I (1) und 9 I AVB überhaupt miteinander in Beziehung bringt, aus Wortlaut und Sinnzusammenhang dieser Regelungen jedenfalls klar werden.
Die Bedenken der Revision gegen die Wirksamkeit de s § 7 I (1) AVB sind mithin unbegründet.

4. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Beru fung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein kann, so daß die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das hat der Senat angenommen, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsächlich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist, etwa weil der behandelnde Unfallchirurg die Gallenblase entfernt hatte, eine daraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich fristgerecht ärztlich festgestellt wurde (BGHZ 130, 171, 178 f.; 137, 174, 177). Darüber hinaus kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmißbräuchlich darstellen, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterläßt (vgl. Knappmann, r+s 2002, 485, 489). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt (OLG Köln VersR 1995, 907; OLG Hamm NVersZ 1999, 567). Gleiches kann anzunehmen sein, wenn der Versicherer nach Geltendmachen von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, daß er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe (OLG Saarbrücken VersR 1997, 956, 958; OLG Oldenburg NVersZ 2000, 85 f.; zu alledem Knappmann in Prölss/Martin, aaO Rdn. 22 f.; Manthey, NVersZ 2001, 55, 57 f.).

Daß im vorliegenden Fall von einem rechtsmißbräuch lichen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden kann, stellt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei fest.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 137/06 Verkündetam:
7.März2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
AUB 95 § 7 I (1)
Zu den Anforderungen an eine ärztliche Feststellung als Voraussetzung für den
Anspruch auf Invaliditätsleistung nach § 7 I (1) AUB 95.
BGH, Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 2. April 2004 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger Der unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der unter anderem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 95) zugrunde liegen.
2
Am 7. April 1997 war er Fahrgast in einem Taxi, dessen Fahrerin einen Verkehrsunfall verschuldete. Der Kläger zog sich neben verschiedenen Prellungen und Schürfungen eine Hüftpfannenfraktur links zu, die den stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus bis zum 16. April 1997 erforderte. Nach seiner Darstellung leidet der Kläger seit dem Unfall unter Schmerzattacken, Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen ; zudem habe sich eine Depression entwickelt, die Folge der organischen Verletzung sei. Wegen des Hüftschadens und einer darauf beruhenden Invalidität von 10% zahlte die Beklagte an den Kläger 33.000 DM (16.872,63 €). Weitere Versicherungsleistungen lehnte sie unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 AUB 95 ab, der "krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen" vom Versicherungsschutz ausnehme, gleichgültig wodurch diese verursacht seien.
3
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung in Höhe weiterer 1.467.000 DM (750.065,19 €), einer Invaliditätsrente von 1.500 DM (766,94 €) monatlich für die Zeit von April 1997 bis Februar 2000 und auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente in gleicher Höhe ab März 2000 - jeweils nebst Zinsen - abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger die Invaliditätsrente im begehrten Umfang und eine Invaliditätsentschädigung in Höhe weiterer 236.216,84 € zzgl. Zinsen zuerkannt, wobei es von einem Invaliditätsgrad in Höhe von 50 % ausgegangen ist. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der Kläger hat sich dem Rechtsmittel angeschlossen und erstrebt eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Invaliditätsentschädigung in voller Höhe.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, während die Anschlussrevision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen war.
5
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die beim Kläger aufgetretene Depression und seine damit zusammenhängenden Beschwerden seien von § 2 IV AUB 95 nicht erfasst. Die Ausschlussklausel beziehe sich nicht auf psychische Störungen, welche sich durch eine unfallbedingte organische Beeinträchtigung erklären ließen, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß, in dem sich die organische Ursache auswirke, von der psychischen Verarbeitung durch den Versicherten abhänge. Stehe - wie hier - eine unfallbedingte Invalidität fest, müsse der Versicherer für die geltend gemachte Leistungsfreiheit beweisen, dass und in welchem Umfang äußere Einwirkungen auf die Psyche oder eine psychische Fehlverarbeitung den krankhaften Zustand hervorgerufen hätten. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die - als solche unstreitige - Depression auf der körperlichen Primärverletzung und deren Folgen, insbesondere der damit verbundenen zeitweiligen Immobilität, beruhe, ohne dass sich insoweit eine psychische Fehlverarbeitung feststellen lasse.
6
AuchdieVoraussetzu ngen des § 7 I (1) AUB 95 für die begehrten Invaliditätsleistungen seien gegeben. Die Invalidität, die sich aus der Depression entwickelt habe, sei binnen Jahresfrist eingetreten. Das Vorliegen einer Dauerfolge sei vom Versicherungsnehmer dann nachgewiesen , wenn der sich nach einem Jahr ergebende unfallbedingte Zustand nach Ablauf von drei Jahren - unbeschadet gradueller Unterschiede - noch immer vorhanden sei und sich sein Ende nicht absehen lasse. Die dazu vernommenen Zeugen hätten übereinstimmend geschildert, dass sie zeitnah zum Unfallereignis vom 7. April 1997 eine Wesensveränderung und eine deutlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit beim Kläger beobachtet hätten. Der den Kläger behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie, der Zeuge D. , habe bereits am 26. Juni 1998 die Diagnose einer depressiven Störung gestellt. Der Arzt Dr. I. sei davon ausgegangen, dass dieser Zustand auf nicht absehbare Zeit (mindestens über drei Jahre) andauern werde. Diese ärztliche Prognose habe sich als zutreffend herausgestellt; aufgrund der eingetretenen Chronifizierung habe sich der Zustand des Klägers während der maßgeblichen Dreijahresfrist sogar noch verschlechtert.
7
Invalidität Die sei binnen 15 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt und - unstreitig - innerhalb dieser Frist beim Versicherer geltend gemacht worden. Die Invaliditätsbescheinigung des Zeugen Dr. I. vom 26. Juni 1998 nenne als die Invalidität verursachende Funktionsstörungen ständige Cephalgie, Gedächtnisreduzierung sowie Schmerzen in der linken Hüfte und der Lendenwirbelsäule. Zwar werde eine Depression in der Invaliditätsbescheinigung nicht ausdrücklich aufgeführt. Die Feststellungswirkungen der ärztlichen Bescheinigung seien indes nicht eng auszulegen, da sie lediglich den vom Arzt benannten Verletzungsbereich beschränkten. Bei den in der ärztlichen Bescheinigung beschriebenen Funktionsstörungen und der später diagnostizierten Depression handele es sich zweifelsfrei um denselben Defekt, zumal Cephalgie und Gedächtnisreduzierung oftmals im Zusammenhang mit einer Depression aufträten.
8
Allerdings sei aufgrund des Gutachtens des ärztlichen Sachverständigen eine Gesamtinvalidität von lediglich 50% anzunehmen. Das ergebe unter Berücksichtigung der vereinbarten progressiven Invaliditätsstaffel , eines Treuebonus und unter Abzug der bereits erhaltenen Versicherungsleistung eine neben der Unfallrente zu zahlende Invaliditätsentschädigung von 236.216,84 €.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legen durfte, dass binnen Jahresfrist eine über den Hüftgelenkschaden hinausgehende unfallbedingte Invalidität eingetreten ist. Es fehlt jedenfalls an der Anspruchsvoraussetzung (BGHZ 137, 174, 176) einer innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellten Invalidität.
10
1. Nach § 7 I (1) Abs. 2 AUB 95 genügt das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, wie hier vom Kläger für die Depression als unfallbedingter Dauerschaden geltend gemacht, für sich allein nicht. Es bedarf für den Anspruch auf Invaliditätsleistung zusätzlich der Beachtung bestimmter Fristen. So muss die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt worden sein. Das dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Auch eine Leistungsablehnung des Versicherers ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2002 - IV ZR 238/00 - VersR 2002, 472 unter 1 c a.E.; Beschluss vom 23. Oktober 2002 - IV ZR 154/02 - VersR 2002, 1578 unter 3). Allerdings sind an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. So muss sie sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 - IVa ZR 195/86 - VersR 1988, 286 unter 2 b; BGHZ aaO S. 177). In dieser Auslegung hält die Fristenregelung einer sachlichen Inhaltskontrolle stand (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB; BGHZ aaO S. 175 ff.). Sie wird überdies dem Maßstab des Transparenzgebotes gerecht (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB; BGHZ 162, 210, 214 ff.).
11
2. Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich aber die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Denn die Invaliditätsbescheinigung soll dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich soll sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar sind und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen will (Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 aaO). Deshalb können nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.
12
Daraus folgt: Erforderlich ist die Angabe eines konkreten, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinflussenden Dauerschadens (BGHZ 130, 171, 178). Allein das wird den berechtigten Interessen des Versi- cherers gerecht, die dieser an der zeitnahen Klärung seiner Leistungspflicht hat. Nur einem Dauerschaden, zu dessen Ursache und Auswirkungen sich die Bescheinigung bereits verhält, kann der Versicherer nachgehen. Führt die ärztliche Bescheinigung hingegen einen Dauerschaden , auf den sich der Versicherungsnehmer später für seinen Anspruch auf Invaliditätsleistung beruft, noch gar nicht auf, kann der mit der Regelung in § 7 I (1) Abs. 2 AUB 95 verfolgte Zweck nicht erreicht werden. Der Versicherer hat für diesen Fall keinen Anlass, den Sachverhalt weiter abzuklären, weil ihm der Dauerschaden, den der Versicherungsnehmer später geltend macht, durch die ärztliche Feststellung nicht bekannt wird. Umgekehrt kann der Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen , dass eine ärztliche Bescheinigung, die (nur) einen bestimmten Dauerschaden benennt, ihn davon enthebt, einen weiteren, dort nicht aufgeführten Dauerschaden, der nach seiner Auffassung zusätzlich vorliegt , ärztlich feststellen zu lassen.
13
Dem Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 (aaO) ist Entgegenstehendes nicht zu entnehmen. Die Entscheidung befasst sich lediglich mit der Frage, ob die auf einen konkreten Dauerschaden bezogene ärztliche Feststellung der Unfallbedingtheit richtig sein muss, um den Anforderungen des § 7 I (1) Abs. 2 AUB 95 zu genügen. Aus ihr folgt nicht, dass die betreffende Anspruchsvoraussetzung auch gewahrt ist, wenn die ärztliche Feststellung unvollständig ist, weil sie einen (weiteren) Dauerschaden nicht benennt, oder ihr deshalb die inhaltliche "Richtigkeit" fehlt, weil an die Stelle des dort angeführten Dauerschadens später ein anderer Dauerschaden tritt, der von dem feststellenden Arzt als solcher nicht erkannt worden ist.
14
3. Diesen Anforderungen genügen die beiden ärztlichen Stellungnahmen vom 26. Juni 1998 nicht. Sie enthalten keine auf eine Depression als Dauerschaden bezogene und auf objektiven Befunden beruhende ärztliche Prognose, dass als Unfallfolge eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit gegeben ist. Die Stellungnahme des Zeugen D. beschränkt sich auf die Darstellung der von ihm erhobenen psychischen Befunde und die Diagnose einer depressiven Störung. Sie beschreibt aber keinen Dauerschaden und zieht nicht den wertenden und für die ärztliche Feststellung zwingend erforderlichen Schluss auf Invalidität. Die Invaliditätsbescheinigung des Zeugen Dr. I. besagt nichts über eine Depression als unfallbedingten Dauerschaden. Dem Kläger werden lediglich eine Cephalgie (Kopfschmerz ) und Gedächtnisreduzierung bescheinigt, was entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit einer Depression nicht gleichzusetzen ist und auch keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines solchen Dauerschadens zulässt.
15
Die Depression als Invalidität begründender Dauerschaden ist somit nicht ärztlich festgestellt. Die Bescheinigungen haben der Beklagten als Versicherer keinen Anlass gegeben, über die körperlichen Unfallfolgen hinaus eine Beeinträchtigung auch der geistigen Leistungsfähigkeit abzuklären. Sie sind daher zur Ausgrenzung von - dem Versicherungsschutz nicht unterfallenden - Spätschäden nicht geeignet.
16
Schon daran scheitert der Anspruch des Klägers auf die begehrten Versicherungsleistungen; auf weiteres kommt es nicht an.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 02.04.2004 - 2 O 95/00 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.05.2006 - 12 U 192/04 -