Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZR 239/07

bei uns veröffentlicht am05.11.2009
vorgehend
Landgericht Mainz, 4 O 322/05, 12.03.2007
Oberlandesgericht Koblenz, 6 U 537/07, 15.11.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 239/07
vom
5. November 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 5. November 2009

beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes für die Revisionsinstanz wird in Abänderung des zu Beginn der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschlusses auf 8.154,27 € festgesetzt.

Gründe:


1
Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Senat hat nach diesem Grundsatz in einem Fall, in dem die Vollstreckungsaussichten nur als gering einzuschätzen waren, einen Abschlag von 75 v.H. des Nennwertes der Forderung für angemessen erachtet (BGH, Beschl. v. 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08, ZIP 2009, 435; siehe auch BGH, Beschl. v. 6. April 2009 - VI ZB 88/08, ZIP 2009, 2172). Davon abweichende Entscheidungen , wie der im Streitfall in erster Instanz vorgelegte Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 6. Juli 2005 - 1 W 341/05 - und die Festsetzung des Berufungsgerichts, sind damit rechtlich überholt.

2
Mangels anderweitiger Anhaltungspunkte ist im Streitfall anzunehmen, dass Vollstreckungsaussichten der Klägerin, deren Erhaltung sie mit der Klage erstrebt hat, im mittleren Wahrscheinlichkeitsbereich lagen. In solchen Fällen hat der Senat bisher den Streitwert einer Feststellungsklage gemäß § 184 InsO auf den halben Nennwert der vollstreckbaren Forderung festgesetzt (vgl. etwa die Streitwertfestsetzung zu dem Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, WM 2006, 1347). Das bisherige Vorbringen der Parteien gibt keinen Anlass, über einen solchen Streitwertansatz im entschiedenen Fall hinauszugehen.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 12.03.2007 - 4 O 322/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.11.2007 - 6 U 537/07 -

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Insolvenzordnung - InsO | § 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners


(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2009 - VI ZB 88/08

bei uns veröffentlicht am 06.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 88/08 vom 6. April 2009 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und di

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2009 - IX ZR 235/08

bei uns veröffentlicht am 22.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 235/08 vom 22. Januar 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 184; ZPO § 3 Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04

bei uns veröffentlicht am 18.05.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 187/04 Verkündet am: 18. Mai 2006 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 256 Abs. 1, § 70

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 235/08
vom
22. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete
Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst
sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren
Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens
und Erteilung der Restschuldbefreiung. Wenn diese als nur zu gering anzusehen
sind, kann ein Abschlag von 75 Prozent des Nennwerts der Forderung angemessen
sein.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 22. Januar 2009

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.481,19 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Klägerin begehrt gegenüber dem beklagten Schuldner die Feststellung, ihre zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Schuldners. Ihre Beschwer beträgt, wie vom Berufungsgericht in tatrichterlich vertretbarer Würdigung angenommen , 11.481,19 € und erreicht nicht den für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgeblichen Wert von über 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Der Heraufsetzungsantrag der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
2
1. Die Frage, nach welchen Maßstäben der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 184 InsO), zu bestimmen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Einhelligkeit besteht nur darin, dass die Bestimmung des § 182 InsO, nach der für den Wert der Insolvenzfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter oder einen bestreitenden Gläubiger ausschließlich die zu erwartende Insolvenzquote maßgeblich ist, auf die Klage nach § 184 InsO nicht anzuwenden ist (FK-InsO/Kießner, 5. Aufl. § 182 Rn. 11; MünchKomm-InsO/ Schumacher, 2. Aufl. § 182 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 182 Rn. 10; Graf-Schlicker, InsO § 182 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 2. Aufl. § 182 Rn. 3; Braun/Specovius, InsO 3. Aufl. § 182 Rn. 11).
3
a) Eine Ansicht geht davon aus, der Streitwert bemesse sich nach dem Nominalwert der geltend gemachten Forderung abzüglich einer etwaigen Insolvenzquote. Das Interesse des Feststellungsklägers bestehe in erster Linie darin zu verhindern, dass der Insolvenzschuldner nach Abschluss der Wohlverhaltensperiode von der - bereits titulierten - Schuld befreit wird. Dieses Interesse, den titulierten Anspruch materiell zu erhalten, werde unabhängig von den konkreten Befriedigungsmöglichkeiten durch dessen Höhe bestimmt. Der Streitwert sei daher nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 2, 3 ZPO) zu bestimmen (OLG Hamm NZI 2007, 249; OLG Karlsruhe JurBüro 2007, 648; LG Mühlhausen ZVI 2004, 504; FK-InsO/Kießner, aaO § 182 Rn. 11a; MünchKomm-InsO/ Schumacher, aaO § 184 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Herchen, aaO; Braun/ Specovius, aaO; Musielak/Heinrich, ZPO 6. Aufl. § 3 Rn. 30 Stichwort Insolvenzverfahren ).
4
b) Nach anderer Auffassung ist nicht der Nominalwert der Insolvenzforderung maßgeblich, sondern auf die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung abzustellen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass es sich lediglich um eine Feststellungsklage handele und der Schuldner nicht die Forderung an sich bestreite, sondern nur die geltend gemachte vorsätzliche Begehungsweise. Müssten die künftigen Vollstreckungsaussichten "eher zurückhaltend" beurteilt werden, so sei ein deutlicher Abschlag von 75 % gerechtfertigt (OLG Celle ZInsO 2007, 42 [4. ZS]; NZI 2007, 473 [7. ZS]). Diesem Ansatz folgt auch das OLG Rostock (NZI 2007, 358). Es hat jedoch aus einzelfallbezogenen Erwägungen in der angeführten Entscheidung die späteren Vollstreckungsaussichten als sehr günstig angesehen und deshalb nur einen Abschlag von 20 % für gerechtfertigt angesehen. Das LG Kempten (ZInsO 2006, 888) hat den Abschlag auf 80 % bemessen. Auch im Schrifttum wird diese Beurteilung geteilt (HK-InsO/Depré, 5. Aufl. § 182 Rn. 1; Pape, in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 184 Rn. 113 f).
5
2. Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
6
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich bei einer Feststellungsklage die Beschwer des Beklagten danach bemisst, wie hoch oder gering das Risiko einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (vgl. BGH, Urt. v. 14. Februar 1958 - VI ZR 43/57, VersR 1958, 318; Beschl. v. 28. November 1990 - VIII ZB 27/90, AnwBl 1992, 451; Urt. v. 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316, 317). Die zweifelhafte Realisierbarkeit des festzustellenden Anspruchs ist auch für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich (Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 3 Rn. 15 Feststellungsklage ; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. Stichwort Feststellungsklagen). Dies gilt ebenfalls für die hier in Rede stehende Feststellungsklage nach § 184 InsO. Bei der Mehrzahl der insolventen Verbraucher wird dann, wenn ein Vollstreckungstitel von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens eine Vollstreckung gegen den Schuldner nicht möglich sein, so dass das wirtschaftliche Interesse an der Feststellung des Anspruchsgrundes als auf unerlaubter Handlung beruhend nicht allzu hoch ist. Dieser allgemein bekannten Erfahrung muss bei der Bemessung des Streitwerts einer Feststellungsklage angemessen Rechnung getragen werden, indem die späteren Vollstreckungsaussichten des Feststellungsklägers nach Erteilung der Restschuldbefreiung für den Schuldner konkret bewertet werden. Können diese anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lage des Schuldners auch für die Zeit nach Erteilung der Restschuld nicht als günstig angesehen werden, sind deutliche Abschläge vom Nominalwert der Deliktsforderung sachlich gerechtfertigt.
7
Diesen 3. Maßstäben entspricht die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts. Sie beruht offensichtlich auf den aus dem Prozessstoff erkennbaren wirtschaftlichen Gegebenheiten des Schuldners. Der Umstand, dass diese, den landgerichtlichen Beschluss abändernde Entscheidung verfahrensfehlerhaft erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung getroffen wurde, hat sich nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Sie hat weder in ihrer Streitwertbeschwerde noch in der Nichtzulassungsbeschwerde Anknüpfungstatsachen vorgetragen oder Gesichtspunkte aufgezeigt, nach denen die Vollstreckungsaus- sichten gegenüber dem Beklagten günstiger beurteilt werden könnten. Es besteht mithin keine Veranlassung, ihr Feststellungsinteresse abweichend von der berufungsgerichtlichen Wertfestsetzung zu beurteilen.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.07.2007 - 10 O 537/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.04.2008 - 7 U 180/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 88/08
vom
6. April 2009
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2009 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen,
den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 2008 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 4.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwerts für den Antrag auf Feststellung, dass die von ihr im Insolvenzverfahren gegen den Beklagten angemeldete Forderung in Höhe von 55.957,72 € auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22. September 2008 den Streitwert auf 25 % des Nennwerts der angemeldeten Forderung festgesetzt. Auf die Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht den Streitwert auf den Nennwert der Klageforderung angehoben. Es hat die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
3
1. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Daran ändert auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht nichts (vgl. etwa BGHZ 154, 102 ff. für Arrest und einstweilige Verfügung; Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 - IX ZB 271/02 - VersR 2004, 488; vom 17. Oktober 2002 - IX ZB 303/02 - NJW 2003, 69 und vom 11. September 2008 - I ZB 36/07 - MDR 2009, 45 ff.). Eine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die Zulassung gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO besteht nicht, weil eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, auch bei - irriger - Rechtsmittelzulassung unanfechtbar bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - VersR 2003, 482). Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung umfasst bei der Rechtsbeschwerde ebenso wie bei der Revision nur die Bejahung der in den §§ 574 Abs. 3 Satz 1 und 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 105, 116; Zöller/Heßler ZPO, 27. Aufl., § 574 Rn. 15). Die Zulassung des Rechtsmittels kann dagegen nicht dazu führen, dass dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird.
4
2. Daran ändert auch nichts, dass die Streitwertfestsetzung durch das Oberlandesgericht nicht im Einklang mit dem inzwischen ergangenen Beschluss des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08 - (z.V.b.) steht. Danach bemisst sich der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und der Erteilung der Restschuldbefreiung. Sind diese als gering anzusehen, kann ein Abschlag von 75 % des Nennwerts der Forderung, wie dies im vorliegenden Fall das Landgericht gemacht hat, durchaus angemessen sein (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08). Es bleibt der Klägerin unbenommen , beim Oberlandesgericht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG die Änderung des angegriffenen Beschlusses anzuregen. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 22.09.2008 - 1 O 225/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 28.10.2008 - 4 W 56/08 -

(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 187/04
Verkündet am:
18. Mai 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Widerspricht der Schuldner der rechtlichen Einordnung einer als "Forderung aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Tabelle angemeldeten, bereits
durch einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig titulierten Forderung, so kann
der Gläubiger Klage auf Feststellung des Forderungsgrundes erheben.

b) Ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid bindet das Gericht des Feststellungsprozesses
auch dann nicht, wenn er auf eine Anspruchsgrundlage Bezug nimmt,
die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt.
BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04 - LG Lübeck
AG Reinbek
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 19. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Am 25. Februar 2002 erwirkte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten über einen Betrag von 1.357,08 Euro nebst Zinsen und Kosten. Der Anspruch wurde wie folgt bezeichnet: "Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB i.V.m § 266a Abs. 1 und 14 Abs. 1 StGB wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung für ehem. Arbeitnehmer der Firma K. GmbH für die Monate Januar 2000 bis April 2000 lt. Schreiben vom 06.11.2001 (DM-Angaben siehe Anlage)".
2
In der Folgezeit wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 26. November 2002 meldete die Klägerin den titulierten Anspruch zur Tabelle an. Die Forderung wurde zur Tabelle festgestellt. Der Schuldner widersprach jedoch ihrer Einordnung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
3
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe von 1.357,08 Euro nebst Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 81,41 Euro aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Monate Januar bis April 2000 hat. Der Beklagte ist dem Anspruch mit der Begründung entgegengetreten, er sei in der GmbH nur "Strohmann" und für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht verantwortlich gewesen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Landgericht hat ausgeführt: Der Klägerin fehle ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Sie sei bereits Inhaberin eines Titels, aus dem sich deutlich ergebe, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zustehe. Die Feststellung zur Tabelle und der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung" ändere daran nichts. Der Vollstreckungsbescheid werde durch die Feststellung zur Tabelle nur insoweit "aufgezehrt", als er sich mit der Feststellung decke. Hinsichtlich des Schuldgrundes sei dies nicht der Fall.

II.


6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
1. Das Berufungsurteil genügt gerade noch den Mindestanforderungen des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar fehlt die Wiedergabe der Berufungsanträge, die von der Verweisung auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils nicht erfasst sein können. Die Entscheidungsgründe lassen jedoch erkennen, dass der Beklagte und Berufungskläger weiterhin die Abweisung der Klage betrieben und die Klägerin und Berufungsbeklagte an ihrem schon in erster Instanz gestellten Feststellungsantrag festgehalten hat. Das kann im Rahmen des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausreichen (vgl. BGHZ 154, 99; BGH, Urt. v. 11. März 2004 - IX ZR 178/03, WM 2004, 2216, 2217; v. 1. Dezember 2005 - IX ZR 95/04, WM 2006, 628, 629).
8
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht verneint werden.
9
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt trifft das Berufungsurteil zu. Auch derjenige Gläubiger, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen Titel gegen den späteren Insolvenzschuldner erwirkt hatte, muss seine Forderung zur Tabelle anmelden, wenn er am Insolvenzverfahren teilnehmen will. Wird kein Widerspruch erhoben, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO). Durch den Auszug aus der Tabelle, aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 201 Abs. 2 InsO), wird der frühere Titel "aufgezehrt" (vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 1998 - IX ZR 256/96, NJW 1998, 2364, 2365 unter 3.; RGZ 112, 297, 300; 132, 113, 115; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 164 Anm. 6). Das gilt jedoch nicht, wenn der Schuldner der Feststellung widersprochen hat. Ein Widerspruch des Schuldners steht zwar der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO). Aus dem Tabellenauszug kann jedoch dann, wenn der erhobene Widerspruch nicht beseitigt ist, die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Insoweit kann der Gläubiger auf den vorab erwirkten Titel zurückgreifen (BGH, Urt. v. 14. Mai 1998, aaO; Uhlenbruck /Vallender, InsO 12. Aufl. § 302 Rn. 23; Graf-Schlicker/Remmert NZI 2001, 569, 572).
10
b) Die Existenz eines solchen Titels allein lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die jetzige Feststellungsklage jedoch nicht entfallen (vgl. OLG Hamm ZInsO 2005, 1329, 1330; LG Dresden ZInsO 2004, 988, 989; Kahlert ZInsO 2005, 192, 193; aA Uhlenbruck/Vallender, aaO Rn. 24; GrafSchlicker /Remmert aaO). Die Klägerin will ihre titulierte Forderung spätestens nach Ende der Wohlverhaltensperiode durchsetzen, und zwar auch dann, wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt worden sein sollte. Der Widerspruch des Schuldners gegen die Einordnung der Forderung als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht deutlich, dass dieser eine - nach § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich zulässige - Zwangsvollstreckung wegen der Forderung nicht hinzunehmen bereit ist. Sein Verhalten lässt eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erwarten, sobald die Klägerin nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus ihrem Titel vorgeht. Wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass gegen einen vollstreckbaren Titel Vollstreckungsgegenklage erhoben werden wird, hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ergänzende Feststellungsklagen zugelassen (z.B. BGHZ 98, 127, 128; BGH, Urt. v. 22. September 1994 - IX ZR 165/93, NJW 1994, 3225, 3227). So liegt auch der vorliegende Fall. Der Widerspruch des Schuldners stellt einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid kommen wird (vgl. Nerlich/Römermann/Becker, InsO § 184 Rn. 12). Es besteht kein sachlicher Grund dafür, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz des Widerspruchs des Schuldners zur Tabelle festgestellten Forderung auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also dem Rechtsstreit über eine vom Schuldner zu erhebende Vollstreckungsgegenklage zu überlassen. Die Klärung dieser Frage möglichst noch vor der Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) dürfte regelmäßig im Interesse sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners liegen (BTDrucks. 14/5680, S. 27; vgl. auch OLG Celle ZVI 2004, 46, 48; OLG Rostock ZInsO 2005, 1175, 1176; Hattwig, ZinsO 2004, 636, 638 mit weiteren Nachweisen ). Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig.

III.


11
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 ZPO). Sie muss deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dazu weist der Senat auf folgenden rechtlichen Gesichtspunkt hin:
12
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zusteht, ist das Berufungsgericht nicht an den Vollstreckungsbescheid vom 25. Februar 2002 gebunden. Wie der Bundesgerichtshof zu § 850f Abs. 2 ZPO bereits entschieden hat (Beschl. v. 5. April 2005 - VII ZB 17/05, WM 2005, 1326), ist der auf einem Mahnbescheid beruhende Vollstreckungsbescheid nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs festzulegen. Der Mahnbescheid beruht auf den einseitigen, vom Gericht nicht materiellrechtlich geprüften Angaben des Gläubigers. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Mahnverfahrens, das wegen eines Anspruchs auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme eingeleitet wird (§ 688 Abs. 1 ZPO) und dem Gläubiger schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel verhelfen soll. Will der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, muss er ein Feststellungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens eine Schlüssigkeitsprüfung durch einen Richter voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 5. April 2005, aaO S. 1327). Die Anwendung der Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO, nach der Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt werden, wird den Schuldner oft härter treffen als eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für sie kann daher nichts anderes gelten.
13
Dass im Vollstreckungsbescheid ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a Abs. 1, § 14 StGB tituliert ist, ändert im Ergebnis nichts (entgegen OLG Hamm ZInsO 2005, 1329, 1330 f). Wird ein Geschäftsführer persönlich wegen nicht an den Sozialversicherungsträger abgeführter Arbeitnehmeranteile in Anspruch genommen, kommt zwar ein anderer Rechtsgrund als derjenige einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht in Betracht. Für den Schuldner stellt sich im Mahnverfahren also nicht die Frage, ob er Widerspruch oder Einspruch nur deshalb einlegen soll, um eine Abänderung der rechtlichen Einordnung der Forderung zu erreichen (vgl. BGH, Beschl. v. 5. April 2005, aaO). Die Folgen, welche die Titulierung einer derartigen Forderung in einem späteren Restschuldbefreiungsverfahren nach sich zieht, wird der Schuldner in der Regel jedoch nicht überblicken. Für eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO besteht im Mahnverfahren noch kein Anlass. Der Schuldner könnte deshalb aus Nachlässigkeit oder auch in der Erwartung eines ihm bevorstehenden Insolvenzverfahrens einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden lassen, ohne dessen Folgen - die bei Annahme einer Bindungswirkung wegen § 302 Nr. 1 InsO insoweit nicht eintretende Restschuldbefreiung - zu überblicken. Entgegen Hattwich (ZinsO 2004, 636, 640) verlangt Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht die Unwirksamkeit jeglicher Titel, die ein Gläubiger wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit ohne eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO erwirkt hat. Titel, die ohne eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung aufgrund einseitiger Angaben des Gläubigers ergangen sind, vermögen die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO jedoch nicht zu rechtfertigen.
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann

Vorinstanzen:
AG Reinbek, Entscheidung vom 10.12.2003 - 5 C 284/03 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 19.08.2004 - 16 S 3/04 -