Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - IX ZB 285/09

bei uns veröffentlicht am18.11.2010
vorgehend
Amtsgericht Karlsruhe, 3 IN 709/02, 08.08.2008
Landgericht Karlsruhe, 11 T 461/08, 02.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 285/09
vom
18. November 2010
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin
Lohmann, die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
am 18. November 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 2. Dezember 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 8. August 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 3.527,40 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
weitere Der Beteiligte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Oktober 2002 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 12. März 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 7. August 2008 beantragte der weitere Beteiligte im noch laufenden Insolvenzverfahren, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Verwalter auf 3.040,86 € zuzüglich Umsatzsteuer, zusammen 3.527,40 € festzusetzen.
2
Mit Beschluss vom 8. August 2008 hat das Insolvenzgericht den Antrag wegen Verjährung des Vergütungsanspruchs abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters hat das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. Es hat die Rechtsauffassung vertreten, die Verjährung des Vergütungsanspruchs für die vorläufige Insolvenzverwaltung habe mit Schluss des Jahres 2003 zu laufen begonnen und eine Hemmung der Verjährung sei nicht eingetreten. Das Insolvenzgericht dürfe jedoch den Eintritt der Verjährung nicht von Amts wegen beachten. Es habe vielmehr der Insolvenzschuldnerin und den Insolvenzgläubigern den Vergütungsantrag zur Kenntnis zu bringen und sie damit in die Lage zu versetzen, einen Verjährungseintritt zu prüfen und die Einrede der Verjährung zu erheben. Nur eine von diesen Beteiligten erhobene Verjährungseinrede könne und müsse berücksichtigt werden.

II.


3
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht.
4
Wie der Senat mit Beschluss vom 22. September 2010 in der Parallelsache IX ZB 195/09 (ZIP 2010, 2160) entschieden hat, ist die Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens gehemmt.
5
1. Der Vergütungsanspruch des Verwalters verjährt bis zu seiner Festsetzung durch das Amtsgericht innerhalb der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB (BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - IX ZB 153/06, WM 2007, 1072, 1073 Rn. 11 m.w.N.). Rechtskräftig festgestellte Ansprüche unterliegen ab Rechtskraft der Entscheidung (§ 201 Satz 1 BGB) der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die Verjährungsfrist für einen nicht von dem Amtsgericht festgesetzten Vergütungsanspruch beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, im Falle der vorläufigen Verwaltung insbesondere mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Beschl. v. 22. September 2010 aaO Rn. 27 ff). Vorliegend ist der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers für die vorläufige Verwaltung mit der Verfahrenseröffnung am 12. März 2003 entstanden und fällig geworden.
6
2. Wie der Senat im Beschluss vom 22. September 2010 (aaO Rn. 30 ff) im Einzelnen ausgeführt hat, ist jedoch vor dem Hintergrund des allgemeinen Rechtsgedankens, der auch in § 8 Abs. 2 Satz 1 RVG zum Ausdruck kommt, die Verjährung des Vergütungsanspruchs für die vorläufige Verwaltung bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens gehemmt. Auf die dortige ausführliche Begründung wird Bezug genommen.
7
3. Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb aufzuheben und die Sache zur Festsetzung der Vergütung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 08.08.2008 - 3 IN 709/02 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.12.2009 - 11 T 461/08 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - IX ZB 285/09 zitiert 5 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 197 Dreißigjährige Verjährungsfrist


(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,1.Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,2.Herausgabeansprüche

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 201 Beginn der Verjährungsfrist von festgestellten Ansprüchen


Die Verjährung von Ansprüchen der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 bezeichneten Art beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des An

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 8 Fälligkeit, Hemmung der Verjährung


(1) Die Vergütung wird fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet

Referenzen

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Die Verjährung von Ansprüchen der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 bezeichneten Art beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des Anspruchs. § 199 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Die Vergütung wird fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht.

(2) Die Verjährung der Vergütung für eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren wird gehemmt, solange das Verfahren anhängig ist. Die Hemmung endet mit der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Ruht das Verfahren, endet die Hemmung drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit. Die Hemmung beginnt erneut, wenn das Verfahren weiter betrieben wird.