Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2009 - IX ZB 263/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4,6 Mio. € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6 Abs. 1, § 78 Abs. 2 Satz 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- 1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob ein Beschluss der Gläubigerversammlung auch dann nach § 78 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht aufzuheben ist, wenn er nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit bewirkt, die obendrein noch nicht sicher feststeht, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tatsacheninstanzen eine Entscheidung nach § 78 Abs. 1 InsO alleine auf die Kenntnislage der Gläubigerversammlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung stützen müssen oder gehalten sind, weitere Erkenntnisse zu berücksichtigen, die womöglich erst nachträglich gewonnen worden sind.
- 3
- a) Beide Fragen können sich nur dann stellen, wenn es zu der angegriffenen Entscheidung der Gläubigerversammlung eine realisierbare Alternative gibt, welche die Interessen der Gläubigergesamtheit womöglich weniger beeinträchtigt. Das Landgericht hat im Streitfall jedoch festgestellt, dass es keine mit einer gewissen Sicherheit in absehbarer Zeit umsetzbare Alternative zu der beschlossenen allmählichen Betriebsstilllegung und Einzelverwertung des Schuldnervermögens gibt. Die zuletzt vor allem betriebene Unternehmensveräußerung im Ganzen scheiterte an der Weigerung der absonderungsberechtigten Gläubiger , die Löschung ihrer Grundpfandrechte zu bewilligen, ohne die eine solche Veräußerung ausgeschlossen ist. Einer langfristigen Betriebsfortführung zum Zwecke der Eigensanierung steht nach den Feststellungen zudem entgegen, dass die absonderungsberechtigten Gläubiger nicht bereit sind, auf zumindest einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten, und dass eine Umschuldung aussichtslos erscheint. Die Rechtsbeschwerde greift die hierzu getroffenen Feststellungen nicht an. Die weitere von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage , ob der Fortführung des Unternehmens grundsätzlich Vorrang gegenüber der Liquidation und Einzelverwertung einzuräumen sei, stellt sich danach ebenfalls nicht.
- 4
- b) Sind die nach § 574 Abs. 2 ZPO aufzuwerfenden Rechtsfragen für die Entscheidung des Streitfalls nicht erheblich, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig (vgl. BGHZ 153, 254, 256; BGH, Beschl. v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 7 Rn. 35a; HKInsO /Kirchhof, 5. Aufl. § 7 Rn. 12; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl. § 574 Rn. 6, § 543 Rn. 9k; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl. § 574 Rn. 13, § 543 Rn. 6a; HkZPO /Kayser, 3. Aufl. § 574 Rn. 16 f, § 543 Rn. 43).
- 5
- 2. Die Feststellung der Abstimmungsberechtigung gehört als Vorfrage der gerichtlichen Stimmrechtsfestsetzung zur gerichtlichen Stimmrechtsentscheidung , über die das Insolvenzgericht nach § 77 InsO abschließend zu entscheiden hat. Im Rahmen der Anfechtung eines von der Gläubigerversammlung sodann getroffenen Beschlusses kann sie nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Diese von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits zum Nachteil des Rechtsbeschwerdeführers geklärt (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2008 - IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428, 2429 Rn. 9 f m.w.N.). Einer weiteren Entscheidung hierzu bedarf es nicht.
- 6
- 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Cottbus, Entscheidung vom 13.12.2007 - 63 IN 289/99 -
LG Cottbus, Entscheidung vom 17.09.2008 - 7 T 32-33/08 -
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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Widerspricht ein Beschluß der Gläubigerversammlung dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, so hat das Insolvenzgericht den Beschluß aufzuheben, wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger, ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter dies in der Gläubigerversammlung beantragt.
(2) Die Aufhebung des Beschlusses ist öffentlich bekanntzumachen. Gegen die Aufhebung steht jedem absonderungsberechtigten Gläubiger und jedem nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Widerspricht ein Beschluß der Gläubigerversammlung dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, so hat das Insolvenzgericht den Beschluß aufzuheben, wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger, ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter dies in der Gläubigerversammlung beantragt.
(2) Die Aufhebung des Beschlusses ist öffentlich bekanntzumachen. Gegen die Aufhebung steht jedem absonderungsberechtigten Gläubiger und jedem nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Ein Stimmrecht gewähren die Forderungen, die angemeldet und weder vom Insolvenzverwalter noch von einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten worden sind. Nachrangige Gläubiger sind nicht stimmberechtigt.
(2) Die Gläubiger, deren Forderungen bestritten werden, sind stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. Kommt es nicht zu einer Einigung, so entscheidet das Insolvenzgericht. Es kann seine Entscheidung auf den Antrag des Verwalters oder eines in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubigers ändern.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.