Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - IX ZB 232/06

bei uns veröffentlicht am21.02.2008
vorgehend
Amtsgericht Pinneberg, 71 IN 316/04, 16.06.2006
Landgericht Itzehoe, 4 T 321/06, 13.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 232/06
vom
21. Februar 2008
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Prof.
Dr. Gehrlein
am 21. Februar 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 13. November 2006 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.468,12 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der zunächst als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzte Rechtsbeschwerdeführer wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg vom 21. Juli 2004 zum Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Die Schuldnerin betrieb den "S. " und beschäftigte - unter Einschluss von Teilzeitkräften einschließlich Schüleraushilfen - zuletzt 14 Angestellte. Der Rechtsbeschwerdeführer hat im Rahmen des Insolvenzverfahrens das wertausfüllend belastete Einfamilienhaus der Schuldnerin veräußert; in vier Fällen hat er jeweils gegenüber gesetzlichen Krankenkassen im Wege der Anfechtung Mittel zur Insolvenzmasse gezogen.
2
Das Amtsgericht hat die Vergütung des Rechtsbeschwerdeführers mit Beschluss vom 16. Juni 2006 auf 15.189,21 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Rechtsbeschwerdeführer, der die Festsetzung eines Zuschlags in Höhe von 5.468,12 € beansprucht.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 64 Abs. 3, § 6 Abs. 1, § 7 InsO), jedoch unzulässig, weil die geltend gemachten Zulässigkeitsgründe nicht durchgreifen.
4
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die begehrten Zuschläge in Höhe von insgesamt 45 % seien nicht erfüllt. Der mit dem Verkauf des Hausgrundstücks verbundene Arbeitsaufwand, der bei jeder freihändigen Veräußerung anfalle, gehöre auch unter Berücksichtigung der dabei geführten Verhandlungen und der Bemühungen um die Suche eines Käufers zu den Regeltätigkeiten eines Insolvenzverwalters in einem Verfahren der vorliegenden Art. Ebenso gehöre die Anfechtung von Rechtshandlungen zu den Regelaufgaben eines Insolvenzverwalters, die eine Erhöhung der Gebühren nur rechtfertige, wenn nachweislich Besonderheiten aufgetreten seien. Besondere Schwierigkeiten könnten nicht allein aus dem Hinweis hergeleitet werden, dass sich der Insolvenzverwalter mit den Akten eines Altverfahrens befasst habe und im Betrieb der Schuldnerin eine geordnete Buchhaltung nicht vorhanden gewesen sei.
5
2. Die dagegen geltend gemachten Zulässigkeitsgründe verhelfen der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Soweit die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung eines Zuschlags sowohl hinsichtlich der Grundstücksveräußerung als auch hinsichtlich der Anfechtung von Rechtshandlungen unter dem Aspekt der grundsätzlichen Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) jeweils eigenständig eine Zulässigkeitsfrage formuliert, ist bereits den Darlegungsanforderungen nicht genügt, weil keine Ausführungen gemacht werden, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfragen umstritten sind (BGHZ 152, 182, 191). Davon abgesehen ist ein Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts im Blick auf die konkrete Bemessung der Vergütung weder unter dem Gesichtspunkt einer Divergenz noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) angezeigt. Die Vordergerichte haben die Anforderungen an die Verwirklichung von Zuschlagstatbeständen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht überspannt.
6
a) Nach § 3 Abs. 1 Buchstabe a InsVV ist für den Insolvenzverwalter ein Zuschlag zur Regelvergütung wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten nur festzusetzen, wenn diese einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht hat. Für eine nur nennenswerte Befassung, die nicht zu einem Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsO geführt hat, erhält er nichts (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 15/07, WM 2007, 2303, 2304 f). Eine erhebliche Beschäftigung des Insolvenzverwalters mit Aus- und Absonderungsgegenständen liegt vor, wenn ihn die darauf entfallende Tätigkeit über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen hat (BGH, Beschl. v. 13. Juli 2006 - IX ZB 104/05, WM 2006, 1687, 1692; BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 256/04, WM 2006, 530, 532 f). Ausschlaggebend ist der real gestiegene Arbeitsaufwand in diesem Bereich (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juli 2006 aaO; BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, NZI 2003, 603 f).
7
nicht Eine nur nennenswerte, sondern erhebliche Befassung des Rechtsbeschwerdeführers ist bei der Bearbeitung von Ab- und Aussonderungsrechten nicht ersichtlich. Nahezu wortgleich mit seinem Beschwerdevorbringen macht der Rechtsbeschwerdeführer geltend, seine Tätigkeit habe sich auf "die Bewertung des Grundvermögens, die Klärung, welche Grundpfandrechte in welcher Höhe valutierten, die Beauftragung eines Maklers und dessen Kontrolle , die Verhandlung mit der Grundpfandrechtsgläubigerin und die Wahrnehmung eines Notartermins zum Abschluss des Grundstückskaufvertrages" erstreckt. Dieses rein wertende Vorbringen lässt eine konkrete Schilderung von Tatsachen, welche die behaupteten "besonderen Schwierigkeiten" hervorgerufen haben sollen, vermissen. Zu den Belastungen und dem Wert des Grundstücks hatte sich bereits die Schuldnerin in dem Insolvenzantrag geäußert. Sichere Kenntnis der Belastungen hat der Rechtsbeschwerdeführer nach Einblick in das Grundbuch gewonnen; über den Marktwert des Grundstücks wurde der Rechtsbeschwerdeführer durch den von ihm beauftragten Makler unterrichtet, dessen Einschaltung zudem eigene Verkaufsbemühungen erspart hat. Nicht zuletzt ist die Wahrnehmung eines Notartermins notwendigerweise mit jeder Grundstücksveräußerung verbunden. Schließlich ist auch nicht vorgetragen, dass sich die Verhandlungen mit der H. AG als Grundpfandrechtsgläubigerin besonders kontrovers und langwierig gestalteten, so dass eine Einigung etwa erst nach wiederholten Gesprächen zu erzielen war. Da sich die Verkaufsbemühungen bei dieser Sachlage innerhalb des üblichen Rahmens bewegten , kann von einer erheblichen Befassung keine Rede sein.
8
b) Die Bearbeitung weniger, einfacher Anfechtungsfälle ist durch die Regelvergütung abgegolten (Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting, InsO § 3 InsVV Rn 25). Da sich die Rechtsbeschwerde zu dem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund der lediglich vier Anfechtungsfälle nicht näher äußert, können eine Erhöhung der Vergütung rechtfertigende Besonderheiten nicht festgestellt werden. Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Führung eines Insolvenzanfechtungsprozesses entwickelten Maßstäbe (BGH, Beschl. v. 23. März 2006 - IX ZB 130/05, ZIP 2006, 825 f) sind entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde im Streitfall nicht einschlägig, weil davon auszugehen ist, dass es sich um einfach gelagerte Sachverhalte handelt.
Fischer Ganter Raebel
Kayser Gehrlein
Vorinstanzen:
AG Pinneberg, Entscheidung vom 16.06.2006 - 71 IN 316/04 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 13.11.2006 - 4 T 321/06 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 64 Festsetzung durch das Gericht


(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest. (2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt i

Insolvenzordnung - InsO | § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens


Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Un

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 3 Zu- und Abschläge


(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn a) die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. März 2006 - IX ZB 130/05

bei uns veröffentlicht am 23.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 130/05 vom 23. März 2006 in dem Prozesskostenhilfeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 121 Abs. 2; InsVV § 5 Abs. 1 a) Der für Insolvenzverfahren allgemein entwickelte Rechtssatz,

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest.

(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.

(3) Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. § 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn

a)
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist,
b)
der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist,
c)
die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat,
d)
arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder
e)
der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat.

(2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn

a)
ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war,
b)
die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm,
c)
das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet,
d)
die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte,
e)
die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder
f)
der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e der Insolvenzordnung bestellt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 130/05
vom
23. März 2006
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der für Insolvenzverfahren allgemein entwickelte Rechtssatz, dass ein Insolvenzverwalter
, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die er ohne volljuristische
Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen
darf, gilt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Parteiprozess in gleicher Weise.

b) Die Führung eines Insolvenzanfechtungsprozesses wird der Insolvenzverwalter,
der über keine volljuristische Ausbildung verfügt, in aller Regel einem Rechtsanwalt
übertragen; deshalb ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die
Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Antrag auf Anwaltsbeiordnung auch dann
zu entsprechen, wenn der Anfechtungsgegner nicht durch einen Rechtsanwalt
vertreten ist.
BGH, Beschluss vom 23. März 2006 - IX ZB 130/05 - LG Görlitz
AG Zittau
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
am 23. März 2006

beschlossen:
Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. A. für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 13. April 2005 aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Zittau vom 1. März 2005 abgeändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren 5 C 59/05 Rechtsanwalt M. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten der Rechtsmittelverfahren werden nicht erstattet.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) bestellt. Das Insolvenzverfahren ist massearm. Für eine auf Insolvenzanfechtung gestützte Klage hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus Dresden beantragt. Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe gewährt, die Anwaltsbeiordnung jedoch abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4 InsO in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts.
3
1. Das Gericht der ersten Beschwerde hat das auf § 121 Abs. 2 ZPO gestützte Gesuch des Antragstellers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Vertretung in dem Anfechtungsprozess vor dem Amtsgericht Zittau mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller selbst Rechtsanwalt sei. Bei der Auslegung des § 121 ZPO müsse der Regelungsgehalt des § 5 InsVV berücksichtigt werden. Diese Vorschrift bestimme, dass der Insolvenzverwalter, der zugleich Rechtsanwalt sei, sein anwaltliches Honorar nur in Fällen, in denen es ange- messen sei, der Insolvenzmasse entnehmen könne. Dieser Maßstab gelte auch für § 121 ZPO. Im vorliegenden Fall handele es sich um einen typischen Fall der Insolvenzanfechtung, bei dem sich die rechtlichen Schwierigkeiten auf einem Gebiet bewegten, auf dem sich der Insolvenzverwalter selbst am besten auskenne. Die Beiordnung eines - weiteren - Rechtsanwalts komme deshalb nicht in Betracht. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter bei Einschätzung der Vergütungshöhe auch die nach § 5 InsVV aus der Masse zu zahlende Vergütung zu beachten. Sei diese nicht gedeckt, müsse das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt werden.
4
2. Diese Begründung ist rechtlich nicht haltbar. Sie verletzt § 121 Abs. 2 ZPO. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), ist Rechtsanwalt M. nach Maßgabe des § 121 Abs. 3 ZPO dem Antragsteller als Prozessanwalt beizuordnen.
5
a) Nach § 121 Abs. 2 ZPO ist ein Anwalt dann beizuordnen, wenn entweder die Vertretung erforderlich erscheint oder - was hier offen bleiben kann - der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
6
aa) Der Senat hat zu § 5 Abs. 1 InsVV bereits entschieden, dass ein Insolvenzverwalter , auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstandenen Auslagen aus der Masse entnehmen kann (BGH, Beschl. v. 11. November 2004 - IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36, 37; siehe auch BGHZ 139, 309, 313 f; 160, 176, 182 f). Im Anwendungsbereich des § 121 Abs. 2 ZPO kann, wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt richtig sieht, kein anderer Maßstab gelten. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu im Einzelnen ausgeführt, eine strengere Handhabung im Rahmen der Anwaltsbeiordnung bewirke, dass der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter bei Massearmut regelmäßig leer ausgehe oder - bei Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts - diesem nach §§ 55, 61 InsO schadensersatzpflichtig sei (vgl. BAG ZIP 2003, 1947, 1948 f; ZInsO 2003, 722, 724).
7
Diesen Erwägungen tritt der Senat bei. Da die Masse in den Fällen des § 121 Abs. 2 ZPO stets unzureichend ist, liefe die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 InsO für den Insolvenzverwalter, der zugleich den Beruf des Rechtsanwalts ausübt, weitgehend leer. Er wäre gezwungen, die mit dem Ziel der Masseanreicherung geführten Prozesse weitgehend aus privaten Mitteln zu finanzieren. Dies widerspricht dem eindeutigen Zweck der Vorschrift (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 460/02, ZIP 2003, 2036). Gerade der Rechtsverfolgung durch Insolvenzverwalter mit dem Ziel der Masseanreicherung hat der Gesetzgeber ein eigenständiges, schutzwürdiges öffentliches Interesse beigemessen (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490, 1491 m. Anm. Merz EWiR 1990, 1243 f; Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 460/02, aaO). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Regel, die Verweigerung die Ausnahme sein (vgl. BT-Drucks. 8/3068 S. 26 zu § 114c ZPO). Das Beschwerdegericht , das demgegenüber auf die Selbstvertretungsmöglichkeit des volljuristisch ausgebildeten Insolvenzverwalters verweist, verkehrt diese Grundsätze in ihr Gegenteil.
8
bb) Die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung kann auch nicht auf die Bestimmungen über die Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§§ 207 ff InsO ) gestützt werden. Das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe gewinnt für den Insolvenzverwalter im Anwendungsbereich des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO gerade in den Fällen Bedeutung, in denen die Istmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Ist eine Massemehrung durch Insolvenzanfechtung hinreichend erfolgversprechend (§ 114 Satz 1 ZPO) oder hat der Insolvenzverwalter bereits ein für die Masse günstiges Urteil erstritten und liegt der Fall einer notwendigen Prozesskostenhilfe (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO) vor, ist das Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Wirkungen der Prozesskostenhilfe (vgl. § 122 ZPO) nicht wegen der Gerichtskosten einzustellen. Der Bestand der freien Masse hat deshalb für die Frage, ob bei Gewährung von Prozesskostenhilfe auch dem Antrag auf Anwaltsbeiordnung zu entsprechen ist, keinen Einfluss.
9
Legt b) man bei der Prüfung die vom Senat (vgl. BGH, Beschl. v. 11. November 2004 - IX ZB 48/04, aaO S. 36 f) entwickelten Maßstäbe an, ist dem Beiordnungsantrag zu entsprechen. Einen Anfechtungsrechtsstreit wird ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung in aller Regel auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen der Masse entnehmen. Bei der Insolvenzanfechtung handelt es sich um eine rechtliche Spezialmaterie, die sich von der Verfolgung materiell-rechtlicher Ansprüche des Schuldners, die in dessen unternehmerischer Tätigkeit wurzeln, deutlich abhebt. Das Insolvenzanfechtungsrecht ist durch eine Mehrzahl von Anfechtungstatbeständen gekennzeichnet, die im objektiven und subjektiven Bereich unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen aufweisen, deren Merkmale sich dem Gesetzeswortlaut zudem nicht sämtlich eindeutig entnehmen lassen. Weitere Kennzeichen des Anfechtungsrechts sind der hohe rechtliche Abstraktionsgrad und die Komplexität der gesetzlichen Regelung. Eine sachgerechte Bearbeitung einer Insolvenzanfechtungsklage erfordert daher eine intensive Befassung mit dem System des Insolvenzanfechtungsrechts und die Kenntnis der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch zu der Ver- teilung der Darlegungs- und Beweislast. Schon die nicht unerheblichen Haftungsrisiken und die oft nicht von vornherein abschätzbaren Beweisschwierigkeiten des grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtigen Insolvenzverwalters lassen es auch im Parteiprozess durchweg als angezeigt erscheinen, einen Rechtsanwalt mit der Klageerhebung und Prozessführung zu beauftragen.

III.


10
Außergerichtliche Kosten der Rechtsmittelverfahren sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO; vgl. Musielak/Fischer, ZPO 4. Aufl. § 127 Rn. 29; Saenger/Rathmann/Pukall, ZPO § 127 Rn. 21).
Fischer Ganter Raebel Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
AG Zittau, Entscheidung vom 01.03.2005 - 5 C 59/05 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 13.04.2005 - 2 T 76/05 -