Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2011 - IX ZB 173/11

bei uns veröffentlicht am04.07.2011
vorgehend
Amtsgericht Koblenz, 21 IN 150/04, 29.01.2011
Landgericht Koblenz, 2 T 191/11, 23.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 173/11
vom
4. Juli 2011
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 4. Juli 2011

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Mai 2011 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, die Rechtsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO; § 4 InsO).
2
Die Rechtsbeschwerde wäre unter keinem Gesichtspunkt zulässig. Der Schuldner hat mit seiner selbständigen Tätigkeit in der Wohlverhaltensphase kein Einkommen erzielt, das ihn in die Lage versetzt hat, Zahlungen nach § 295 Abs. 2 InsO an den Treuhänder zu erbringen. Gemäß seiner Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO hätte er sich darum bemühen müssen, eine Erwerbstätigkeit zu finden, mit der er pfändbare Bezüge erzielt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 - IX ZB 133/07, ZInsO 2009, 1217). Dieser Obliegenheit ist er nicht nachgekommen. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hätte er aufgrund seiner Ausbildung zum Bürokaufmann und seiner vo- rangehenden Tätigkeiten eine Beschäftigung finden können, durch die er pfändbares Einkommen erzielen konnte. Gründe, die den Schuldner von dem Vorwurf entlasten könnten, seiner Erwerbsobliegenheit schuldhaft nicht nachgekommen zu sein, hat er nicht dargetan. Dafür, dass die Rechtsbeschwerde zulässig sein könnte, obwohl sich die Ausführungen des Rechtsbeschwerdegerichts in vollem Umfang auf den Rechtsgrundsätzen bewegen, die der Bundesgerichtshof für die Versagung der Restschuldbefreiung bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in der Wohlverhaltensphase aufgestellt hat, ist nichts ersichtlich.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 29.01.2011 - 21 IN 150/04 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 23.05.2011 - 2 T 191/11 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2011 - IX ZB 173/11 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Insolvenzordnung - InsO | § 295 Obliegenheiten des Schuldners


Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist1.eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbar

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2009 - IX ZB 133/07

bei uns veröffentlicht am 07.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 133/07 vom 7. Mai 2009 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; § 296 Abs. 1; § 300 Abs. 2 Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase,

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 133/07
vom
7. Mai 2009
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; § 296 Abs. 1; § 300 Abs. 2
Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten
selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu
stellen, als gehe er einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach, braucht er seine
selbständige Tätigkeit nicht sofort aufzugeben; um den Vorwurf zu entkräften schuldhaft
die Befriedigung seiner Gläubiger beeinträchtigt zu haben, muss er sich dann
aber nachweisbar um eine angemessene abhängige Beschäftigung bemühen und
- sobald sich ihm eine entsprechende Gelegenheit bietet - diese wahrnehmen.
BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 - IX ZB 133/07 - LG Münster
AG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 7. Mai 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 21. Juni 2007 wird auf Kosten des Gläubigers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
In dem auf Antrag des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren kündigte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2000 an, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von fünf Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Obliegenheiten des § 295 InsO nachkomme. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Februar 2001 aufgehoben.
2
Der Schuldner ist als Bauingenieur selbständig tätig. Während der Wohlverhaltensphase hätte er unter Berücksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtungen einen fiktiven pfändbaren Betrag von 26.788,40 € an den Treuhänder ab- führen müssen. Tatsächlich hat er Zahlungen in Höhe von 9.136,60 € erbracht. Mit Beschluss vom 28. Dezember 2006 hat das Insolvenzgericht ihm unter Zurückweisung eines Versagungsantrags des Gläubigers die Restschuldbefreiung nach § 300 InsO erteilt. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Versagungsantrag weiter.

II.


3
Die gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Sache weist keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts ist nicht erforderlich.
4
Der 1. Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass § 295 Abs. 2 InsO die vom Schuldner abzuführenden Beträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner selbständigen Tätigkeit ablöst. Zu berechnen ist das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit. (BGH, Beschl. v. 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413, 414 Rn. 13). Im vorliegenden Fall scheidet eine Versagung der Restschuldbefreiung aus, weil die Tatsacheninstanzen festgestellt haben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters und der problematischen Verhältnisse am Arbeitsmarkt nicht die Möglichkeit gehabt hätte, in ein angemessenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln, bei dem er ein höheres pfändbares Einkommen hätte erzielen können. Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde lassen keinen Zulässigkeitsgrund erkennen.
5
2. Allgemein besteht Veranlassung zu folgenden Hinweisen: Der Gläubiger , der einen Antrag stellt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen , genügt im Fall des § 295 Abs. 2 InsO seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitspflichtverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit - etwa nach BAT - hätte abführen müssen. Der Schuldner muss sich dann von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben (§ 296 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. InsO). Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet , um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber - ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner - gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften (AG München ZVI 2005, 384, 385; Grote ZInsO 2004, 1105, 1107 f; Uhlenbruck/ Vallender, InsO 12. Aufl. § 295 Rn. 73; vgl. ferner AG Neu-Ulm ZVI 2004, 131, 132; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 295 Rn. 64; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 295 Rn. 26; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 295 Rn. 12).
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 28.12.2006 - 77 K 7/99 -
LG Münster, Entscheidung vom 21.06.2007 - 5 T 26/07 -