vorgehend
Landgericht Gera, 2 O 1500/09, 11.11.2010
Thüringer Oberlandesgericht, 5 U 974/10, 29.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 21/12
vom
22. Juli 2013
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 22. Juli 2013

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2012 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. KG (fortan: Schuldner). Er beantragt Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil, in dem ihm ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung versagt worden ist. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger als Partei kraft Amtes scheitert bereits an der Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Zwar besteht Masseunzulänglichkeit, so dass die Kosten der geplanten Rechtsverfolgung nicht gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12, ZVI 2013, 32 Rn. 9f). Den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ist es jedoch zuzumuten, die Vorschüsse auf die Prozesskosten aufzubringen.

2
1. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten , die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490, vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; vom 7. Februar 2012 - II ZR 13/10, Rn. 2, nv; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9; vom 13. September 2012, aaO).
3
2. Hieran gemessen ist dem W. die Aufbringung der Prozesskosten zumutbar.
4
a) Er ist mit einer zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung in Höhe von 315.144,98 € am Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligt. Dies entspricht einem Anteil von 53 v.H. der angemeldeten Forderungen (594.395,81 €). Er erhielte auf diese Forderung keine Quote, wenn der Prozess nicht erfolgreich geführt würde.
5
b) Ein Erfolg der auf Zahlung von 100.000 € zuzüglich Zinsen seit 12. Dezember 2006 gerichteten Klage lässt demgegenüber eine deutliche Verbesserung der Quote erwarten. Der Verband würde nach der Berechnungdes Antragstellers davon etwa 30.000 € erhalten, wobei der nicht unbeträchtliche Zinsbetrag hierin noch nicht enthalten ist. Das ist mehr als das Dreifache der von ihm vorzuschießenden Kosten in Höhe von etwa 10.000 €. Selbst bei Annahme eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 30 v.H. ergäbe sich eine Quote, die zu einem mehrfachen des aufzubringenden Vorschusses führen würde. Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände ist es diesem Gläubiger daher zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Als Gläubiger öffentlicher Abgaben steht ihm keine Freistellung von der Kostenaufbringung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, ZIP 1998, 789, 790f; vom 8. Februar 1999 - II ZB 24/98, ZIP 1999, 494, 495; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 116 Rn. 15).
6
c) Im Übrigen wären auch die beiden übrigen "Großgläubiger", die Stadt K. (Steuern: 185.305,04 €) und der F. (Steuern: 59.913,22 €), anhand der vom Antragsteller angeführten Quoten im Rahmen einer anteiligen Aufbringung der Verfahrenskosten mit zu berücksichtigen. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang pauschal von einem unverhältnismäßigen Koordinierungsaufwand gesprochen hat, ist nicht ersichtlich, worauf dies gestützt werden könnte. Alle drei "Großgläubiger" befinden sich im gleichen Bundesland. Auch der Antragsteller hat dort seine Kanzlei, die zudem auf Insolvenzverwaltungen spezialisiert ist und mithin die gebotene Koordinierungserfahrung aufweisen dürfte.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 11.11.2010 - 2 O 1500/09 -
OLG Jena, Entscheidung vom 29.05.2012 - 5 U 974/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

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Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 62/12
vom
22. November 2012
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Massekostenarmut steht der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugunsten des
Insolvenzverwalters für die Verfolgung einer Forderung des Schuldners dann nicht
entgegen, wenn sie im Falle der Beitreibung des Klagebetrages abgewendet würde.
BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12 - OLG München
LG Landshut
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 22. November 2012

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller, Verwalter in dem über das Vermögen des R. eröffneten Insolvenzverfahren, beabsichtigt, den Antragsgegner in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem über das Vermögen des D. H. eröffneten Insolvenzverfahren klageweise gemäß §§ 60, 61 InsO auf Schadensersatz in Höhe von 29.577,05 € in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Forderung bildet der Vorwurf, R. habe durch die Ausführung von Montageleistungen gegen H. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen wertlose Forderungen erworben, weil der Antragsgegner diesem die Fortführung seines Betriebes gestattet habe.
2
Der Antragsteller beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil er bei einer Masse von 7.502,47 € und einer daraus an ihn zu entrichtenden Verwaltervergütung von 7.736,13 € außerstande sei, die Verfahrenskosten aufzubringen. Die Vorinstanzen haben den Antrag abgelehnt. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.


3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antragsteller könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil sich nach Verfahrenseröffnung ergeben habe, dass nicht nur Masseunzulänglichkeit, sondern Massekostenarmut vorliege. Auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben des Antragstellers seien die Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO erfüllt, weil die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten abdecke. Dabei sei ohne Bedeutung, dass im Falle einer erfolgreichen Prozessführung die Massekostenarmut entfalle.
5
2. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zwecks Einziehung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten nicht gemäß § 114 Satz 1 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer mutwilligen Rechtsverfolgung ver- sagt werden, wenn eine bestehende Massekostenarmut bei Stattgabe der beabsichtigten Klage beseitigt werden kann.
6
a) Die Klage eines Insolvenzverwalters ist nicht schon dann mutwillig im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO, wenn er Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08, WM 2009, 1673 Rn. 5). Anders ist die Lage, wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt , dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken (BGH, aaO Rn. 6).
7
aa) In einem solchen Fall stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Verwalter hat nach Wegfall der Verpflichtung zur Verwertung von Massegegenständen (§ 207 Abs. 3 Satz 2 InsO) nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen (BGH aaO). Prozesskostenhilfe für ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren des Verwalters kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht. Fordert das Gesetz die alsbaldige Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 207 Abs. 1 InsO), kann nicht ein Anspruch auf Finanzierung eines erst noch durchzuführenden Rechtsstreits bestehen (BGH, aaO Rn. 8). Danach scheidet hier die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich aus, weil mit Rücksicht auf die vorhandene Masse von 7.502,47 € und die Vergütungsansprüche des Klägers von 7.736,13 € Massearmut eingetreten ist.
8
bb) Für diese an die Masselosigkeit anknüpfende Beurteilung ist es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, ob der Verwalter - wie in der durch Beschluss vom 16. Juli 2009 (aaO) entschiedenen Sache - einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung oder aus einem anderen Rechtsgrund zu verfolgen sucht. Scheidet bei Massekostenarmut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen mit der Verfahrensaufhebung erlöschenden Anfechtungsanspruch aus, hat dies erst recht zu gelten, wenn der Anspruch nach Verfahrenseinstellung weiter geltend gemacht werden kann. In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil die beabsichtigte Klage einen Einzelschaden des Schuldners zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - IX ZB 172/07, WM 2008, 1691 Rn. 13), den dieser nach Verfahrenseinstellung selbständig verfolgen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu befürchten, dass die Durchsetzung einer begründeten Forderung durch die Versagung von Prozesskostenhilfe vereitelt wird.
9
b) Entgegen der Würdigung des Beschwerdegerichts kommt zugunsten des Antragstellers trotz der eingetretenen Massekostenarmut ausnahmsweise die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht, weil im Falle der Durchsetzung der mit der beabsichtigten Klage verfolgten Forderung in Höhe von 29.755,05 € die gegebene Massekostenarmut beseitigt würde. Bei dieser Sach- lage kann die beabsichtigte Klage nicht als mutwillig eingestuft werden.
10
aa) Wie sich bereits aus dem angeführten Senatsbeschluss vom 16. Juli 2009 ergibt, ist Prozesskostenhilfe in Fällen der Massekostenarmut nur zu versagen , wenn auch die Durchsetzung des mit der beabsichtigten Klage verfolgten Anspruchs nicht dazu geeignet wäre, die eingetretene Massekostenarmut zu beheben (aaO, Rn. 4, 10). Daraus folgt im Gegenschluss, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, sofern die Massekostenarmut infolge der Durchführung des Rechtsstreits, für den Prozesskostenhilfe beantragt wird, beseitigt werden kann (OLG Celle NZI 2010, 688 f; OLG Hamm ZInsO 2011, 1947; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 5. Aufl., § 80 Rn. 50; FK-InsO/Kießner, 6. Aufl., § 207 Rn. 37; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 80 Rn. 50; HK-InsO/Landfermann, aaO § 207 Rn. 16; Jaeger/Windel, InsO, § 207 Rn. 103; Graf-Schlicker/Riedel, InsO, 3. Aufl., § 207 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 117; Musielak/ Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 116 Rn. 5; Jacoby, EWiR 2010, 473; aA OLG Celle ZIP 2010, 1464). Diese rechtliche Würdigung ermöglicht, dass ein Insolvenzverfahren mangels einer Einstellungspflicht fortgesetzt werden kann, wenn die Aktiva der Masse vornehmlich durchsetzbare Forderungen gegen Dritte wie Gesellschafter , Geschäftsführer und Anfechtungsgegner bilden. Müsste ein Insolvenzverfahren wegen Massekostenarmut trotz durchsetzbarer Forderungen eingestellt werden, wäre Drittschuldnern zu raten, selbst als berechtigt erkannten Forderungen in der Hoffnung auf eine Verfahrenseinstellung entgegenzutreten (vgl. Jacoby, aaO). Diese unerwünschte Folge wäre mit der Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens unvereinbar. Der Aktivmasse sind darum im Rahmen der Kostendeckungsprüfung nach § 207 Abs. 1 InsO auch bestrittene Ansprüche zuzurechnen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine im Sinne von § 114 ZPO hinreichende Erfolgsaussicht besteht (MünchKomm -InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 207 Rn. 22; Hinderer in Cranshaw/Paulus/ Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 207 Rn. 5; in diesem Sinne Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2012, § 207 Rn. 7; BKInsO /Gruber, 2007, § 207 Rn. 10; Uhlenbruck/Ries, aaO, § 207 Rn. 2).
11
bb) Zudem sichert diese Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenskostendeckung einen Gleichlauf der Voraussetzungen für die Versagung der Eröffnung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) und die Einstellung eines Insolvenzverfahrens (§ 207 Abs. 1 Satz 1 InsO).
12
Im Rahmen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO ist gemäß § 35 Abs. 1 InsO ein erst nach Verfahrenseröffnung realisierbarer Neuerwerb (HK-InsO/Kirchhof, aaO, § 26 Rn. 5) einschließlich möglicher anfechtungs- und haftungsrechtlicher Ansprüche (vgl. MünchKomm-InsO/Haarmeyer, aaO, § 26 Rn. 20) zu berücksichtigen. Folgerichtig sind auch Forderungen als Vermögenswert einzustellen, die nur im Prozessweg und auf der Grundlage der Gewährung von Prozesskostenhilfe (Jaeger/Schilken, aaO, § 26 Rn. 14) durchsetzbar sind (HK-InsO/Kirchhof , aaO, § 26 Rn. 7; Uhlenbruck, aaO, § 26 Rn. 14). Danach ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, wenn die Verfahrenskosten erst im Laufe des Verfahrens durch den Einzug der dem Schuldner zustehenden Forderungen bestritten werden können (Jaeger/Schilken, aaO, § 26 Rn. 29). Ebenso verhält es sich im Rahmen von § 207 Abs. 1 Satz 1 InsO. Eine Einstellung wegen Massekostenarmut scheidet aus, wenn ein Neuerwerb (§ 35 Abs. 1 InsO) auf der Grundlage realisierbarer Forderungen absehbar ist (HK-InsO/Landfermann, aaO, § 207 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Weitzmann, aaO, § 207 Rn. 8). Vor diesem Hintergrund steht eine Massekostenarmut der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen, wenn sie durch die beabsichtigte Klage abgewendet werden kann.
13
cc) Bei der Beurteilung, ob durch die beabsichtigte Klage die Massenkostenarmut beseitigt werden kann, ist neben den ohnehin im Rahmen des § 114 ZPO zu prüfenden Erfolgsaussichten außerdem zu erwägen, ob eine stattgebende Entscheidung gegen den Beklagten wirtschaftlich durchgesetzt werden kann (vgl. OLG Celle ZVI 2012, 119, 120; Henning, aaO; Braun/Kießner, InsO, 5. Aufl., § 207 Rn. 6; Uhlenbruck, aaO). Falls die Leistungsfähigkeit des Beklagten mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und die Höhe der Klageforderung nicht außer Zweifel steht, wird nach Maßgabe der voraussichtlichen Beitreibbarkeit ein prozentualer Abschlag vorzunehmen sein. Diese Bewertung obliegt zuvörderst dem Tatrichter. Im Streitfall erscheint ein solcher Abschlag mit Rücksicht auf die Höhe der Forderung und die Stellung des Beklagten als Rechtsanwalt nicht naheliegend.

14
c) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde darauf, im Streitfall seien zudem die Stundungsvoraussetzungen nach § 4a InsO gegeben. Über einen entsprechenden Antrag ist bislang nicht entschieden worden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann eine solche Kostenstundung nicht gewähren.
15
d) Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dies gibt dem Beschwerdegericht die Gelegenheit, die übrigen Voraussetzungen (§§ 114, 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO) für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu prüfen.
Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 07.02.2012 - 51 O 3108/11 -
OLG München, Entscheidung vom 08.05.2012 - 5 W 441/12 -
2
Dem Steuerfiskus ist, wie jedem anderen wirtschaftlich Beteiligten (st. Rspr., s. nur BGHZ 138, 188, 189 ff.), die Kostenaufbringung zuzumuten, weil er die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen kann. Einzige Voraussetzung für die auch für ihn maßgebliche Zumutbarkeit der Vorschussleistung für den Rechtsstreit ist, dass der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; Sen.Beschl. v. 6. März 2006 - II ZB 11/05, ZIP 2006, 682, 683; BAG, Beschl. v. 28. April 2003 - 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947, 1948).
2
Ein Insolvenzverwalter kann nur dann Prozesskostenhilfe erhalten, wenn den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO). Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Gerichtskosten (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 6. Dezember 2007 - II ZA 12/07, juris Rn. 2; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490).
2
I. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozess- kostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9).