Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2010 - IX ZA 12/10

bei uns veröffentlicht am08.07.2010
vorgehend
Amtsgericht Lichtenberg, 39 IK 38/09, 05.06.2009
Landgericht Berlin, 85 T 99/09, 04.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 12/10
vom
8. Juli 2010
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 8. Juli 2010

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Einlegung und Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 85. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 4. März 2010 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Nach dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Schuldners in der Begründung seines Antrags ist nicht erkennbar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben oder eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein könnte (§ 574 Abs. 2 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Senats hängt die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach § 4a Abs. 2 InsO dem Schuldner ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden muss, typischerweise von den besonderen Umständen, namentlich der Person des Schuldners, dem Umfang der Insolvenzsache, den Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie den Fürsorgemöglichkeiten des zuständigen Insolvenzgerichts, ab (BGH, Beschl. v. 5. Dezember 2002 - IX ZA 20/02, ZVI 2003, 226; v. 18. Dezember 2002 - IX ZA 22/02, ZVI 2003, 225). Das Beschwerdegericht hat dies einzelfallbezogen verneint.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
AG Lichtenberg, Entscheidung vom 05.06.2009 - 39 IK 38/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.03.2010 - 85 T 99/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 4a Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens


(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so werden ihm auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtli

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2002 - IX ZA 20/02

bei uns veröffentlicht am 05.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZA 20/02 vom 5. Dezember 2002 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann am 5

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2002 - IX ZA 22/02

bei uns veröffentlicht am 18.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZA 22/02 vom 18. Dezember 2002 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und am 18. Dezember 2002 besc

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so werden ihm auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. Die Stundung nach Satz 1 umfasst auch die Kosten des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan und des Verfahrens zur Restschuldbefreiung. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Versagungsgrund des § 290 Absatz 1 Nummer 1 vorliegt. Liegt ein solcher Grund vor, ist eine Stundung ausgeschlossen.

(2) Werden dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet, so wird ihm auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. § 121 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Stundung bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen den Schuldner geltend machen kann;
2.
der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen den Schuldner nicht geltend machen kann.
Die Stundung erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt besonders. Bis zur Entscheidung über die Stundung treten die in Satz 1 genannten Wirkungen einstweilig ein. § 4b Abs. 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 20/02
vom
5. Dezember 2002
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann
am 5. Dezember 2002

beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nebst Anwaltsbeiordnung für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 17. Juli 2002 (10 T 26/02) wird zurückgewiesen.

Gründe:


Das beabsichtigte Rechtsmittel bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Eine Rechtsbeschwerde wäre unzulässig. Denn es liegt kein Fall des § 574 Abs. 2 ZPO vor.
Der Streitfall wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu der Versagung der Anwaltsbeiordnung erster Instanz gehen von der einschlägigen Bestimmung des § 4a Abs. 2 Satz 1 InsO aus, nach der dem Schuldner ein zur Vertretung bereiter Anwalt seiner Wahl nur beigeordnet wird, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, hängt maßgebend von den besonderen Umständen, namentlich der Person des Schuldners, dem Umfang der Insolvenzsache, den Schwierigkeiten der Sach-
und Rechtslage sowie den Fürsorgemöglichkeiten des zuständigen Insolvenzgerichts ab und ist einer Verallgemeinerung nur begrenzt zugänglich. Daß der Gegner anwaltlich vertreten wird oder - wie hier - über eine Rechtsabteilung, in der Volljuristen tätig sind, verfügt, reicht, wie der Vorschrift des § 4a Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO im Vergleich mit § 121 Abs. 2 Fall 2 ZPO unmittelbar entnommen werden kann, nicht aus. Einer Grundsatzentscheidung bedarf es insoweit nicht.
Auch zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts hier nicht erforderlich.
Die Prozeßkostenhilfeentscheidung des Beschwerdegerichts ist nicht Gegenstand des angekündigten Rechtsbeschwerdeverfahrens. Eine insoweit eingelegte Rechtsbeschwerde wäre im übrigen schon mangels Zulassung durch das Beschwerdegericht nicht statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Kreft Ganter Raebel
Kayser Bergmann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 22/02
vom
18. Dezember 2002
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und
am 18. Dezember 2002

beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin, ihr zur Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 23. Juli 2002 Prozeßkostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:


I.


Die Schuldnerin erstrebt die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Verbraucherinsolvenzverfahren bei gewährter Kostenstundung (§ 4a Abs. 2 InsO i.d.F. des Gesetzes vom 26. Oktober 2001, BGBl. I S. 2710). Sie hat dies zunächst damit begründet, daß nur so gegenüber der benannten Gläubigerbank Waffengleichheit hergestellt werden könne. In der Begründung ihrer Beschwerde gegen die Antragsablehnung des Amtsgerichts hat die Schuldnerin nachgeschoben, wegen mangelhafter Deutschkenntnisse selbst zur Einreichung eines Insolvenzantrags außerstande gewesen zu sein. Auch die schriftlichen Hinweise des Insolvenzgerichts habe sie aus diesem Grund nicht hinreichend verstehen können. Zum Beweis dessen möge nötigenfalls ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Das Amtsgericht hat den Beiordnungsantrag der Schuldnerin abgelehnt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Bei Verständigungsschwierigkeiten mit der Schuldnerin habe das Insolvenzgericht - wenn erforderlich - einen Dolmetscher hinzuziehen müssen. Nach der Beschwerdeentscheidung ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden.
Die Schuldnerin beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde zu bewilligen, mit welcher der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts weiterverfolgt werden soll.

II.


Die Schuldnerin vermag die Kosten des beabsichtigten Rechtsmittels nicht aus eigenem Vermögen aufzubringen. Ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gemäß § 1360a Abs. 4 BGB scheitert jedenfalls daran, daß über das Vermögen ihres Ehemannes am 11. September 2002 gleichfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Das beabsichtigte Rechtsmittel bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Eine Rechtsbeschwerde wäre erfolglos; denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Eine bereits erfolgte, konkludente Anwaltsbeiordnung hat das Landge- richt zutreffend verneint. Rechtsgrundsätzliche Fragen sind insoweit nicht zu entscheiden.
Unter welchen näheren Voraussetzungen nach § 4a Abs. 2 InsO dem Schuldner ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden muß, hängt typischerweise von den besonderen Umständen, namentlich der Person des Schuldners, dem Umfang der Insolvenzsache, den Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie den Fürsorgemöglichkeiten des zuständigen Insolvenzgerichts ab. Der Umstand, daß Gläubiger anwaltlich vertreten sind oder - wie hier - über eine auch mit Volljuristen besetzte Rechtsabteilung verfügen, läßt allein noch keine anwaltliche Vertretung des Schuldners erforderlich erscheinen (vgl. Senatsbeschluß vom 5. Dezember 2002 - IX ZA 20/02).
Nicht rechtsgrundsätzlich zu klären ist aus Anlaß des Beschwerdefalles auch die Frage, ob und wann sich das Erfordernis einer anwaltlichen Vertretung i.S.v. § 4a Abs. 2 InsO aus mangelhaften Deutschkenntnissen des Schuldners ergeben kann. Denn die Schuldnerin war hier in dem Verfahren von Anfang an anwaltlich vertreten. Auf sprachliche Verständigungsschwierigkeiten von ihrer Seite hat sie sich indes erst im Beschwerdeverfahren berufen.

Die Schuldnerin hat ohne anwaltliche Beiordnung einen ordnungsgemä- ßen Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. Zwar mögen noch die Voraussetzungen der Kostenstundung klärungsbedürftig gewesen sein. Daß es hier nicht genügt hätte, ein klärendes Gespräch unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu führen, ist nicht dargetan.
Kreft Ganter Raebel Kayser