Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2008 - IV ZR 305/06

05.03.2008
vorgehend
Landgericht Berlin, 7 O 197/05, 22.12.2005
Kammergericht, 6 U 25/06, 10.10.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 305/06
vom
5. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 5. März 2008

beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Oktober 2006 wird zugelassen, soweit der Klägerin 4% Zinsen aus 2.383.021,81 € für die Zeit vom 9. Dezember 2002 bis zum 17. März 2005 zugesprochen worden sind.
Im Umfang der Revisionszulassung wird das vorbezeichnete Urteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil zurückgewiesen.
Von den Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 8% und die Beklagte 92%. Die Beklagte trägt 92% der den Streithelfern der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen.
Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde: 2.383.021,81 €

Gründe:


1
1. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Klägerin die Versicherungsleistung in Höhe von 2.383.021,81 € nebst 8% Zinsen über dem Basissatz hierauf seit dem 28. Mai 2003 zugesprochen hat, bleibt das Rechtsmittel erfolglos.
2
Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erachtet der Senat für nicht durchgreifend. Auch im Übrigen sind Zulassungsgründe nicht gegeben. Von einer weiteren Begründung der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde sieht der Senat insoweit nach § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ab.
3
Soweit 2. das Berufungsgericht der Klägerin 4% Zinsen auf die Hauptforderung für die Zeit vom 9. Dezember 2002 bis zum 17. März 2005 zugesprochen hat, waren die Revision zuzulassen und das Berufungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Denn insoweit hat das Berufungsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen und zugleich den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
4
a) Lediglich in erster Instanz (vgl. dazu S. 2 der Klagschrift) hatte die Klägerin unter anderem auch 4% Zinsen auf ihre Hauptforderung für die Zeit vom 9. Dezember 2002 bis zum 17. März 2005 neben weiteren Zinsen von 8% über dem jeweiligen Basissatz seit dem 17. März 2005 gefordert. In der Berufungsinstanz haben sie und ihre Streithelfer neben der Hauptforderung nur noch deren Verzinsung mit einem Zinssatz von 8% über dem Basissatz seit dem 28. Mai 2003 zur Entscheidung gestellt.

5
b) Dass das Berufungsgericht der Klägerin somit Zinsen zugesprochen hat, die die Klägerin in zweiter Instanz nicht mehr beantragt hatte, verletzt das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG deshalb, weil das Berufungsgericht über einen in Wahrheit nicht (mehr) gestellten Klagantrag verhandelt und entschieden hat, ohne dass dies für die Beklagte bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts erkennbar war. Mithin war es der Beklagten auch verwehrt, zu diesem Antrag im Berufungsrechtszug Stellung zu nehmen (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. November 1989 - 1 BvR 297/88 - veröffent- licht in juris und AP Nr. 24a zu § 77 BetrVG 1972; Vollkommer in Zöller, ZPO 26. Aufl. § 308 Rdn. 6; Musielak, ZPO 5. Aufl. § 308 Rdn. 22; BAG NJW 1971, 1332).
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2005 - 7 O 197/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.10.2006 - 6 U 25/06 -

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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen


(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseit

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.