Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2005 - IV ZR 140/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 41.422,91 €
Gründe:
Die Beschwerde hat nicht aufzuzeigen vermocht, daß das Berufungsurteil auf den von ihr geltend gemachten Zulassungsgründen beruht.
1. Zu Recht rügt sie allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts , der Beklagte sei bereits wegen der bindenden Wirkung seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung für erbunwürdig zu erklären. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozeßrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar
(Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. § 14 EGZPO Rdn. 3). Aus diesem Grund setzt § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO anderslautende landesrechtliche Prozeßvorschriften außer Kraft. Der Zivilrichter muß sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden. Allerdings darf er bei engem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivilund Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt lassen, er ist vielmehr gehalten, sich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen , die für seine eigene Beweiswürdigung relevant sind (BGH, Urteil vom 27. September 1988 - XI ZR 8/88 - BGHR EGZPO § 14 Abs. 2 Nr. 1 Strafurteil 1; BAG, Urteil vom 22. Januar 1998 - 2 AZR 455/97 - NJW 1999, 82 unter II 2 b). Die freie Tatsachenprüfung findet ihre Grenze nur, soweit Existenz und Inhalt eines Strafurteils Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs bilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1982 - IVb ZR 576/80 - NJW 1983, 230 unter 2 zu § 581 ZPO; siehe ferner etwa §§ 8, 9 StrEntschG).
Letzteres ist bei strafgerichtlichen Verurteilunge n wegen der als Gründe für eine Erbunwürdigkeit in § 2339 Abs. 1 Nr. 1-4 BGB bezeichneten Handlungen nicht der Fall; nach einhelliger zutreffender Auffassung scheidet eine Bindungswirkung aus (Staudinger/Olshausen, [2004] BGB § 2339 Rdn. 28; Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2339 Rdn. 2; Deutscher Erbrechtskommentar/Stiewe, BGB § 2339 Rdn. 2; Weimar, MDR 1962, 633, 634). Gründe für eine andere Beurteilung bei der Erbunwürdigkeit wegen Urkundenfälschung sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
2. Trotz dieser vom Berufungsgericht abweichend vo n der geltenden Rechtslage behandelten prozeßrechtlichen Frage kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich ; es kann ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht bei Verneinung der Bindungswirkung und ausdrücklicher Berücksichtigung des Berufungsvorbringens anders entschieden hätte (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205; Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - XI ZR 153/02 - MDR 2003, 647 und vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - NJW 2003, 831).
Das Landgericht hat unter gebotener Einbeziehung d es Strafverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 aaO) und insbesondere unter zulässiger urkundsbeweislicher Verwertung einzelner Beweisergebnisse (vgl. BAG aaO) wie der erstatteten Schriftgutachten nach entsprechenden ausführlichen Hinweisen aufgrund umfassender Beweiswürdigung rechts- und verfahrensfehlerfrei sich die Überzeugung von der Täterschaft des Beklagten verschafft. Das Berufungsgericht billigt ausweislich seines Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO vom 19. März 2003 diese Beurteilung des Landgerichts. Im Lichte dieses Beschlusses ist auch der Satz in den Gründen des Berufungsurteils zu sehen , wonach das Landgericht den Beklagten zu Recht für erbunwürdig erklärt hat. Beweisaufnahme, Beweiswürdigung und Beweisergebnis hat die Berufung nicht wirksam anzugreifen vermocht. Ihr dagegen gerichtetes Vorbringen ist - wie dies bereits im vorangegangenen Wiederaufnahmeverfahren angenommen worden ist - unerheblich. Den Beweisangeboten war nicht nachzugehen. Insbesondere geben die vorgelegten Privatgutachten S. und P. bereits in Ermangelung ausreichender Untersuchungsgrundlagen keinen Anlaß, an den überzeugend begründe-
ten Untersuchungsergebnissen der im Strafverfahren herangezogenen Sachverständigen zu zweifeln. Deren Anhörung hat der Beklagte trotz entsprechender Hinweise des Landgerichts indes nicht beantragt. Das Berufungsvorbringen beschränkt sich im Kern auf ein schlichtes Bestreiten , die Testamente verfaßt zu haben. Das reicht aber angesichts der vom Landgericht umfassend gewürdigten Umstände und Beweisergebnisse in Verbindung mit den Einlassungen des Beklagten im Strafverfahren nicht aus. Es kann daher ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht im Ergebnis anders als geschehen entschieden hätte.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
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Annotations
(1) Erbunwürdig ist:
- 1.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 2.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 3.
wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 4.
wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
(2) Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die Straftat begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.
(1) In den Fällen des vorhergehenden Paragraphen Nummern 1 bis 5 findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.
(2) Der Beweis der Tatsachen, welche die Restitutionsklage begründen, kann durch den Antrag auf Parteivernehmung nicht geführt werden.
(1) Erbunwürdig ist:
- 1.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 2.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 3.
wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben, - 4.
wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
(2) Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die Straftat begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.