Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2007 - IV ZB 41/06

bei uns veröffentlicht am25.04.2007
vorgehend
Oberlandesgericht München, 25 W 2721/06, 17.11.2006
Landgericht München I, 12 O 9088/06, 19.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 41/06
vom
25. April 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 25. April 2007

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 13.618,60 €

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung für eine aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes erhobene Klage gegen eine Bank. Der Ehemann der Antragstellerin hatte mit der Bank im Herbst 1998 einen Geschäftsbesorgungsvertrag über Zinsdifferenzgeschäfte im Gesamtvolumen von etwa 2,8 Mio. DM abgeschlossen. Mit niedrig verzinslichen Währungskrediten wurden höher verzinsliche Wertpapiere angeschafft. Im April 2001 kündigte die Bank die Geschäftsverbindung, zahlte in der Folgezeit den von ihr verbürgten Währungskredit an eine Luxemburger Bank zurück und verwertete die ihr als Sicherheit gegebenen Wertpapiere mit Verlust. Die Antragstellerin wirft der Bank unter anderem vor, sie habe die Wertpapiere zu spät veräußert, und nimmt sie auf Schadensersatz in Höhe von 328.004,03 € in Anspruch.
2
Die Antragsgegnerin hat den Deckungsschutz aus mehreren Gründen abgelehnt. Nach § 3 Abs. 2 e ihrer Allgemeinen RechtsschutzVersicherungsbedingungen (ARB) bestehe kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften. Bei dem Zinsdifferenzgeschäft handele es sich um ein Spekulationsgeschäft im Sinne dieser Klausel. Außerdem liege eine nicht versicherte Firmenvertragsangelegenheit vor. Als lediglich Mitversicherte sei die Antragstellerin nicht anspruchsberechtigt. Der Anspruch sei auch verjährt.
3
Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Bei dem Zinsdifferenzgeschäft handele es sich um ein Spekulationsgeschäft, das einem Termingeschäft vergleichbar und damit nach § 3 Abs. 2 e ARB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Es ist der Ansicht des Landgerichts beigetreten und hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Streitproblematik sei noch nicht vorhanden.
4
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist wegen der den Senat bindenden Zulassung statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Das Oberlandesgericht hätte die Rechtsbeschwerde allerdings nicht zulassen dürfen. Im Verfahren der Prozesskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder der Fortbildung des Rechts nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 - III ZB 7/03 - NJW-RR 2003, 1438 unter 1 m.w.N.; Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 127 Rdn. 41). Um solche Fragen geht es hier nicht.
5
Die 2. Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannt und damit die Bedeutung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs der unbemittelten Partei auf Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG verkannt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BVerfG NJW 2004, 1789 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 aaO unter 2 b m.w.N.; Philippi aaO § 114 Rdn. 21; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 114 Rdn. 3, 5). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Sache - wie hier - wegen klärungsbedürftiger Fragen des materiellen Rechts grundsätzliche Bedeutung zukommt oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022 unter III).
6
3. Da die Sache nicht entscheidungsreif ist, ist sie an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.07.2006 - 12 O 9088/06 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2006 - 25 W 2721/06 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2004 - XII ZB 192/02

bei uns veröffentlicht am 17.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 192/02 vom 17. März 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 574 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 a) Ist das Beschwerdegericht in einem Prozeßkostenhilfeverfahren

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2003 - III ZB 7/03

bei uns veröffentlicht am 31.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 7/03 vom 31. Juli 2003 in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke beschlossen

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 7/03
vom
31. Juli 2003
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 2003 aufgehoben und der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 31. Oktober 2002 abgeändert.
Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt.
Der Antragstellerin wird für die Verfolgung ihrer Rechte im Rechtsbeschwerderechtszug Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt Dr. von Plehwe beigeordnet.

Gründe


I.


Im Juli 2001 ging der Antragstellerin ein Versandhandelskatalog des H. & H. Versand zu. Der Sendung war ein "250.000,00 DM-Guthaben
für S. W. " betreffendes Schreiben der "Nationale Zahlen - Losvergabe" beigefügt, in dem die Antragstellerin als Gewinnberechtigte bezeichnet war.
Die Antragstellerin macht geltend, in dem Schreiben sei eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB zu sehen. Da die Antragsgegnerin den H. & H. Versand betreibe und das Gewinnversprechen versandt habe, müsse sie den Preis leisten.
Die Antragstellerin begehrt für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Prozeßkostenhilfe verweigert. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Gesuch um Prozeßkostenhilfe für die Klage weiter; sie beantragt ferner Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.

II.


1. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Auslegung des § 661a BGB zugelassen; das war nicht zulässig.
Im Verfahren der Prozeßkostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) - oder dem der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) - nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozeßkosten-
hilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. BGH, Beschluß vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - NJW 2003, 1126, 1127). Um solche Fragen ging es hier nicht; der Senat ist aber an die - rechtsfehlerhafte - Zulassung gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet; der Antragstellerin ist für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung zu bewilligen (§ 577 Abs. 5 ZPO).

a) Das Oberlandesgericht hat der Antragstellerin die Prozeßkostenhilfe versagt, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach § 661a BGB hafte nur derjenige Unternehmer, der als Versender eines täuschenden Gewinnversprechens nach außen in Erscheinung trete. Dem Vorbringen der Antragstellerin sei nicht zu entnehmen, daß dies bei der Antragsgegnerin der Fall gewesen sei.

b) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Oberlandesgericht hat die Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozeßkostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz
erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfGE 81, 347, 357 ff; BVerfG NJW 1994, 241, 242 und 2000, 1936, 1937; Senatsbeschluß vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554; BGH, Beschluß vom 9. September 1997 - IX ZB 92/97 - NJW 1998, 82 und vom 26. April 2001 - IX ZB 25/01 - MDR 2001, 1007). Im Streitfall ist das Oberlandesgericht im Grunde selbst davon ausgegangen, daß eine schwierige, bislang ungeklärte Frage des materiellen Rechts zu entscheiden ist. Denn es hat die Rechtsbeschwerde unter anderem mit der Erwägung zugelassen, der Fall gebe Veranlassung , Grundsätze für die Auslegung des § 661a BGB zu entwickeln und zwar dazu, wer als (Ver-)Sender der Gewinnzusage anzusehen sei. Eine solche grundsätzliche Frage - deren Beantwortung durch das Oberlandesgericht Grundlage für die Verneinung der Klageschlüssigkeit gewesen ist - ist nicht in dem summarischen Prozeßkostenhilfeverfahren, sondern im ordentlichen Klageverfahren auf der Grundlage der dort nach vertiefter Erörterung getroffenen Feststellungen zu entscheiden.

c) Die Antragstellerin hat belegt, daß sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann.

III.


Der Antragstellerin ist, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten ihrer Rechtsverfolgung im Rechtsbeschwerderechtszug nicht aufbringen kann, Prozeßkostenhilfe auch für den Rechtsbeschwerderechtszug zu bewilligen. Der Grundsatz, daß für das Prozeßkosten-
hilfeverfahren Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden kann (BGHZ 91, 311), steht nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02 - NJW 2003, 1192 = BGHReport 2003, 300).
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 192/02
vom
17. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist das Beschwerdegericht in einem Prozeßkostenhilfeverfahren der Ansicht,
daß die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen
, so muß es bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen Prozeßkostenhilfe
bewilligen.

b) Hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt und
dennoch die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluß zugelassen, so ist
das Revisionsgericht zwar an die Zulassung gebunden (§ 574 Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 3 Satz 2 ZPO). Der Beschluß ist jedoch aufzuheben, weil er gegen das
in Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Gebot der Rechtsschutzgleichheit
verstößt.
BGH, Beschluß vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - OLG Dresden
LG Zwickau
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt sowie die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Oktober 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Gewerberaummietvertrages, hilfsweise Feststellung, daß das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung der Antragsgegnerin zum 30. September 2001 beendet wurde und weiter hilfsweise Zahlung der Miete für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis einschließlich Februar 2002. Mit schriftlichem Mietvertrag vom 21./28. Juni 1995 vermietete der Antragsteller an die Antragsgegnerin eine Gesamtfläche von 1450 qm bestehend aus Räumlichkeiten, Hofflächen und Überfahrtsflächen zum Betrieb eines Reifen -Service für die Dauer von fünfzehn Jahren. Wegen der Maße und Lage des Mietgegenstandes wurde auf einen als Anlage I bezeichneten Lageplan verwie-
sen, in dem die vermieteten Flächen schraffiert gekennzeichnet sein sollten. Dieser Lageplan lag unstreitig bei Vertragsabschluß nicht vor. Mit Schreiben vom 20. Februar 2001 kündigte die Antragsgegnerin den Mietvertrag gemäß § 566 BGB in Verbindung mit § 565 Abs. 1 a BGB a.F. zum 30. September 2001. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Antragsgegnerin könne sich nach Treu und Glauben nicht auf einen etwaigen Formmangel des Mietvertrages berufen. Der Antrag des Antragstellers auf Prozeßkostenhilfe ist vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, daß zwischen den Parteien trotz Unterzeichnung des schriftlichen Mietvertrages zunächst kein Mietvertrag zustande gekommen sei, weil sich die Parteien nicht über den Mietgegenstand geeinigt hätten. Es sei offen geblieben, welche Teile des noch zu errichtenden Gebäudes und des Grundstücks der Antragsgegnerin zur Nutzung hätten überlassen werden sollen. Soweit sich aus der jahrelangen Nutzung des Gebäudes und des Grundstücks eine Einigung über das Mietobjekt und damit der Abschluß eines Mietvertrages ergebe, fehle es an der Einhaltung der Schriftform des § 566 BGB a.F. Die Antragsgegnerin dürfe sich auch auf den Formmangel berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Die Rechtsbeschwerde hat es unter Hinweis auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wegen der Frage
zugelassen, ob der Antragsgegnerin aus Treu und Glauben eine Geltendmachung der Formnichtigkeit verwehrt sei.

III.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht hätte, wenn es der Ansicht ist, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder, daß die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfordert, bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, Prozeßkostenhilfe bewilligen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - NJW 2003, 1126, 27. Februar 2003 - III ZB 29/02 - AGS 2003, 213). In diesem Fall gebietet nämlich die in Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes (BVerfGE 81, 347). Das nur einer
summarischen Prüfung unterliegende Prozeßkostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG FamRZ 2002, 665).
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina