Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2005 - III ZR 408/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe
I.
Die Kläger sind Justizvollzugsbeamte. Sie machen gegen das beklagte Land Amtshaftungsansprüche für Gesundheitsschäden geltend, die sie bei dem gewaltsamen Ausbruch des Gefangenen A. aus der Justizvollzugsanstalt T. erlitten. Die Entweichung wurde dadurch ermöglicht , dass die Streithelferin des Beklagten, seinerzeit ebenfalls Justizvollzugsbedienstete , dem Gefangenen heimlich Ausbruchswerkzeuge und eine Schusswaffe zukommen ließ. Die Kläger holten den Gefangenen von
einem Hofgang ab. Dabei wurden sie von A. überwältigt, der hierfür die eingeschmuggelte Pistole einsetzte. Dem auf die Pflichtverletzungen der Streithelferin gestützten Amtshaftungsanspruch der Kläger hält der Beklagte unter anderem entgegen, diese hätten ihrerseits ihre Dienstpflichten verletzt, indem sie die ihnen obliegende ordnungsgemäße Durchsuchung des Gefangenen, seiner Sachen und des Haftraums unterlassen hätten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr unter Berücksichtung des Mitverschuldens eines der Kläger stattgegeben. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Beklagte die vom Berufungsgericht versagte Zulassung der Revision.
II.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). 1. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob ein Amtsträger (hier die Kläger), der es pflichtwidrig versäumt, den Eintritt eines Schadensereignisses zu verhindern, aus der pflichtwidrigen Mitverursachung der entsprechenden Gefahr durch einen gleich- oder nachrangig verpflichteten anderen Amtsträger (hier die Streithelferin des Beklagten ) einen Amtshaftungsanspruch gegen seinen Dienstherrn herleiten kann, ist hier nicht klärungsbedürftig. Maßgebend ist der jeweilige Zweck der verletzten Amtspflicht.Das von der Streithelferin verletzte Verbot, Gefangenen Ausbruchswerkzeuge und Waffen zu überlassen, dient gerade dem Schutz der übrigen Strafvollzugsbediensteten, da vor allem dieser Personenkreis den von diesen Gegenständen ausgehenden Gefahren ausgesetzt ist. Insbesondere Waffen, die Gefangenen, wie hier, zum Zweck des Ausbruchs überlassen werden, sind in erster Linie, dazu bestimmt, gegen Vollzugsdienstangehörige eingesetzt zu werden. Es ist deren Aufgabe, Entweichungen zu verhindern, so dass Widerstand hiergegen, der mit der Waffe gebrochen werden soll, vor allem von diesen Personen zu erwarten ist. Dem entspricht, dass der Begriff der - hier beeinträchtigten - Sicherheit der Anstalt in §§ 81 ff StVollzG auch die Abwendung von Gefahren für die in der Haftanstalt aufhältigen Personen erfasst (Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 9. Aufl., 2002, § 81 Rn. 4). Gleiches gilt für den Schutzzweck von § 121 StGB (Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. § 121 Rn. 1). Einer Klarstellung zu diesem Problemkreis durch ein Revisionsurteil bedarf es nicht. Die Einbeziehung anderer Vollzugsbediensteter in den Schutzbereich des an die Vollzugsangehörigen gerichteten Verbots, Gefangenen Waffen zu überlassen, liegt auf der Hand. In Rechtsprechung und Literatur wird Gegenteiliges nicht vertreten (siehe vielmehr Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts Rn. 647; die allerdings den hier zu entscheidenden Fall zum Anlass für ihre Ausführungen genommen haben dürften). 2. Pflichtverletzungen von geschädigten Vollzugsangehörigen bei der Durchsuchung des Gefangenen, des Haftraums und seiner Sachen sind dementsprechend, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, nur über § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Schlick Streck Kapsa Galke Herrmann
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Annotations
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gefangene, die sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften
- 1.
einen Anstaltsbeamten, einen anderen Amtsträger oder einen mit ihrer Beaufsichtigung, Betreuung oder Untersuchung Beauftragten nötigen (§ 240) oder tätlich angreifen, - 2.
gewaltsam ausbrechen oder - 3.
gewaltsam einem von ihnen oder einem anderen Gefangenen zum Ausbruch verhelfen,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen wird die Meuterei mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter
- 1.
eine Schußwaffe bei sich führt, - 2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden, oder - 3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(4) Gefangener im Sinne der Absätze 1 bis 3 ist auch, wer in der Sicherungsverwahrung untergebracht ist.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.