Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2000 - III ZB 44/00

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe
I.
Die in der Ukraine geborene und auch heute dort lebende Klägerin wurde im Jahre 1942 in einem Sammeltransport aus ihrer Heimat nach Deutschland verbracht. Dort arbeitete sie in einem Betrieb des "Werk Junkers".
Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Entschädigung für insgesamt 37 Monate lang geleistete Zwangsarbeit sowie eine weitere Entschädigung wegen der Umstände der Unterbringung in einem umzäunten Lager und der schlechten Verpflegung.
Nach Verweisung des beim Arbeitsgericht anhängig gemachten Rechtsstreits an das Landgericht hat dieses der Klägerin mit Beschluß vom 30. Mai 2000 die beantragte Prozeßkostenhilfe versagt. Mit Beschluß vom 14. August 2000 hat das Oberlandesgericht die gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe eingelegte Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: § 16 des am 6. Juli 2000 vom Bundestag und am 14. Juli 2000 vom Bundesrat verabschiedeten Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung , Verantwortung und Zukunft", das die Klägerin zur Inanspruchnahme von Leistungen nach diesem Gesetz berechtigen werde, schließe die Klägerin mit allen etwaigen Ansprüchen gegen Dritte aus. Da die Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten unmittelbar bevorstehe, werde dieses Gesetz in Kürze veröffentlicht werden und am Tage danach in Kraft treten. Bei dieser Sachlage würde eine nicht Prozeßkostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung von einer Klage absehen. Dagegen richtet sich die (außerordentliche) weitere Beschwerde der Klägerin.
II.
Die (weitere) außerordentliche Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte über die Beschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist eine weitere Beschwerdemöglichkeit an den Bundesgerichtshof von Gesetzes wegen nicht eröffnet (§ 567 Abs. 4 Satz 1, § 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise eine im Gesetz nicht vorgesehene "außerordentliche Beschwerde" zuläßt, vorliegend nicht erfüllt.
1. Der Vorwurf der Beschwerde, das Oberlandesgericht habe das Prozeßkostenhilfe -Gesuch mit einem "rechtlich nicht wirkenden Gesetz" zurückgewiesen , geht fehl.
Das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (im folgenden: Stiftungsgesetz) ist am 2. August 2000 ausgefertigt und am 11. August 2000 im Bundesgesetzblatt I S. 1263 verkündet worden. Da das Gesetz nach seinem § 20 am Tage nach der Verkündung in Kraft getreten ist, hatte es im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Oberlandesgerichts bereits Wirksamkeit erlangt. Im übrigen vermag der Senat auch nicht zu erkennen, daß die Annahme des Oberlandesgerichts, eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei würde sich bei der angenommenen Sach- und Rechtslage (Gesetzesbeschluß des Bundestags und Zustimmung des Bundesrats zu einem Gesetz, das am Tage nach der Verkündung in Kraft treten soll) nicht anders verhalten, als wenn das Gesetz schon in Kraft getreten wäre, "greifbar gesetzwidrig", d.h. mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. BGHZ 109, 41, 43 f; 119, 372, 374; 131, 185, 188 sowie die weiteren in BGHR ZPO vor § 1/ Rechtsmittel unter dem Schlagwort Gesetzwidrigkeit, greifbare abgedruckten Entscheidungen).
2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 des Stiftungsgesetzes, das auch und gerade dem Anliegen deutscher Unternehmen, umfassenden und dauerhaften Rechtsfrieden in und außerhalb Deutschlands zu erhalten, Rechnung tragen will (vgl. die amtliche Begründung BT-Drucks. 14/3206 S. 18), ste-
hen der Klägerin Forderungen gegen das Unternehmen, das sie in den Kriegsjahren als Zwangsarbeiterin beschäftigt hat, nicht zu.
Angesichts dieser klaren Gesetzeslage fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür , daß in der Anwendung dieses Gesetzes durch die Zivilgerichte eine greifbare Gesetzwidrigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesehen werden könnte. In diesem Zusammenhang braucht die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit des Stiftungsgesetzes nicht vertieft zu werden. Denn von einer evidenten Verfassungswidrigkeit der Ausschlußnorm des § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes - und nur eine solche könnte in dem vorliegenden Verfahren beachtlich sein - kann keine Rede sein.
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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Die Genehmigung ist zu versagen:
- a)
wenn die Stiftung das Gemeinwohl gefährden würde; - b)
wenn die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes insbesondere wegen unzureichender Mittel nicht gewährleistet ist und auch weitere ausreichende Zuwendungen nicht mit Sicherheit zu erwarten sind.
(2) Die Genehmigung kann versagt werden, wenn das Stiftungsgeschäft oder die Satzung keine ausreichenden Bestimmungen über Zweck und Vermögen der Stiftung enthält.