Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 108/06


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der KlÀger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus einem Wert von 7.822,77 ⏠zu tragen.
GrĂŒnde:
I.
- 1
- Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.822,77 ⏠nebst Zinsen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Landgerichts vom 30. Mai 2006, das dem ProzessbevollmÀchtigten des KlÀgers am 8. Juni 2006 zugestellt wurde , abgewiesen. Seine an das Oberlandesgericht adressierte Berufung ging in ihrer Urschrift dort am 12. Juli 2006 ein. Die Berufungsschrift war zuvor bereits am 10. Juli 2006 um 14.01 Uhr auf dem TelefaxgerÀt der GeschÀftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts empfangen und, da sie an das im selben GebÀude residierende Oberlandesgericht gerichtet war, an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, wo sie am 11. Juli 2006 einging.
- 2
- Nach gerichtlichen Hinweisen hat sich der KlĂ€ger auf den Standpunkt gestellt, es sei nicht ersichtlich, weshalb der ordnungsgemÀà adressierte Schriftsatz nicht innerhalb der GeschĂ€ftszeit unverzĂŒglich an die Einlaufstelle des Berufungsgerichts weitergeleitet worden sei. Seinen hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag hat er damit begrĂŒndet, sein ProzessbevollmĂ€chtigter habe die Berufungseinlegungsfrist und die ordnungsgemĂ€Ăe Adressierung selbst kontrolliert und seiner zuverlĂ€ssigen BĂŒrovorsteherin die ausdrĂŒckliche Weisung erteilt, die Rechtsmittelschrift vorab per Telefax, sodann per Post zu ĂŒbermitteln und den Sendebericht zu kontrollieren. Dieser habe einen "OKVermerk" aufgewiesen. Eine mögliche Verwechslung der Faxnummer durch die BĂŒrovorsteherin könne ihm nicht als Verschulden zugerechnet werden.
- 3
- Das Berufungsgericht hat die Berufung des KlÀgers als unzulÀssig verworfen und ihm die Erteilung der Wiedereinsetzung versagt.
II.
- 4
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulÀssig, weil weder die Rechtssache grundsÀtzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
- 5
- 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 10. Juli 2006 abgelaufenen Frist beim Ober- landesgericht eingegangen ist. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Der Umstand, dass Landgericht und Oberlandesgericht in demselben GebĂ€ude residieren, Ă€ndert nichts daran, dass die an ein TelefaxgerĂ€t der GeschĂ€ftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts gesendete Berufungsschrift erst am folgenden Tag in die tatsĂ€chliche VerfĂŒgungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte.
- 6
- 2. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem KlÀger die Erteilung von Wiedereinsetzung versagt hat.
- 7
- a) GrundsĂ€tzlich ist ein Rechtsanwalt befugt, einfachere Verrichtungen zur selbstĂ€ndigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlĂ€ssiges BĂŒropersonal zu ĂŒbertragen. Das gilt auch fĂŒr die Ăbermittlung einer Berufungsschrift mittels eines Telefaxes (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - NJW 1994, 329; BVerfG
NJW 1996, 309).
- 8
- b) Allerdings muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BGH, BeschlĂŒsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; vom 11. MĂ€rz 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978, 979; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 Rn. 7; vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997 Rn. 8; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn. 8). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten EmpfĂ€ngernummer ĂŒberprĂŒft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Ăbertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, BeschlĂŒsse vom 10. Mai 2006 aaO Rn. 12; vom 26. September 2006 aaO Rn. 8).
- 9
- c) Dass der ProzessbevollmĂ€chtigte des KlĂ€gers diesen MaĂstĂ€ben an eine entsprechende Organisation der Ausgangskontrolle nachgekommen wĂ€re, ist dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich glaubhaft gemacht, dass die BĂŒrovorsteherin angewiesen wurde, die Rechtsmittelschrift per Telefax zu ĂŒbermitteln und im Hinblick auf den bevorstehenden Fristablauf den Sendebericht zu kontrollieren. Welche Vorkehrungen im BĂŒro des ProzessbevollmĂ€chtigten bestanden, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können, ist nicht dargelegt worden.
- 10
- d) Der KlĂ€ger kann sich nicht darauf berufen, dass eine solche Kontrolle im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2004 (VII ZB 35/03 - NJW 2004, 2830, 2831) entbehrlich wĂ€re. Auch diese Entscheidung geht von der grundsĂ€tzlichen Notwendigkeit einer Kontrolle aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373), behandelt aber zusĂ€tzlich den Gesichtspunkt, dass sich ein Rechtsanwalt in der Regel auf ein seit Jahren bewĂ€hrtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung verlassen darf und er nicht gehalten ist, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, weil dies dem Einsatz des EDV-Programms die Rationalisierungswirkung nehmen wĂŒrde. Dass die BĂŒrovorsteherin die verwendete Faxnummer einer vergleichbar sicheren Quelle entnommen hĂ€tte, die ein Verschulden in der Ausgangskontrolle ausschlösse oder gestatten wĂŒrde, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn.11), ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
- 11
- 3. Wiedereinsetzung ist dem KlĂ€ger auch nicht deshalb zu erteilen, weil die VersĂ€umung der Frist auf einem Verschulden des Gerichts beruhen wĂŒrde.
- 12
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingereichten, aber fĂŒr das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen GeschĂ€ftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen GeschĂ€ftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsĂ€chlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung unabhĂ€ngig davon zu gewĂ€hren, auf welchen GrĂŒnden die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfGE 93, 99, 115 f; BVerfG
NJW 2005, 2137, 2138). Der Bundesgerichtshof ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; BeschlĂŒsse vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris Rn. 8; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05 - NJW 2006, 3499 Rn. 5).
- 13
- b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die GeschĂ€ftsstelle des Landgerichts, in der das Telefax empfangen wurde, die Berufungsschrift in das allgemeine Auslauffach gelegt. Dieses wird von den Wachtmeistern dreimal tĂ€glich, zuletzt zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr, geleert. Da die Berufungsschrift nach diesem Zeitpunkt einging, wurde sie erst am folgenden Morgen entnommen und ĂŒber die Wachtmeisterei an das Berufungsgericht weitergeleitet. Dieser GeschĂ€ftsgang ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Berufungsschriftsatz nicht mit einem augenfĂ€lligen Hinweis auf eine besondere EilbedĂŒrftigkeit versehen war. Nur bei einer inhaltlichen Durchsicht der Berufungsschrift wĂ€re daher aufgefallen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 8. Juni 2006 die Berufungsfrist am 10. Juli 2006, einem Montag, ablief. Zu einer solchen inhaltlichen ĂberprĂŒfung war die GeschĂ€ftsstelle der Zivilkammer des unzustĂ€ndigen Landgerichts nicht verpflichtet. Um so weniger bestand eine Pflicht, den KlĂ€ger innerhalb der Rechtsmittelfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinzuweisen (vgl. BVerfG
NJW 2001, 1343).
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG NĂŒrnberg-FĂŒrth, Entscheidung vom 30.05.2006 - 1 O 201/05 -
OLG NĂŒrnberg, Entscheidung vom 27.10.2006 - 4 U 1633/06 -


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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prĂŒfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begrĂŒndet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulĂ€ssig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzĂŒglich zurĂŒckweisen, wenn es einstimmig davon ĂŒberzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsÀtzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mĂŒndliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem BerufungsfĂŒhrer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulĂ€ssig wĂ€re.
(1) Das Verfahren ĂŒber den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren ĂŒber die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunĂ€chst auf die Verhandlung und Entscheidung ĂŒber den Antrag beschrĂ€nken.
(2) Auf die Entscheidung ĂŒber die ZulĂ€ssigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen fĂŒr die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegrĂŒndeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.