Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2012 - I ZR 55/11

bei uns veröffentlicht am08.03.2012
vorgehend
Landgericht Koblenz, 3 HKO 154/07, 18.11.2008
Oberlandesgericht Koblenz, 4 U 1583/08, 01.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 55/11
vom
8. März 2012
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. März 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das Berufungsgericht hat die örtliche Zuständigkeit - wie bereits das Landgericht in erster Instanz - verneint und deshalb auf den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrag den Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Berufungsurteil an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.
2
II. Diese Entscheidung ist nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung entzieht sie jeder Nachprüfung, auch wenn sie zu Unrecht erlassen worden sein sollte, und macht damit nicht nur die Verweisung selbst, sondern auch die ihr zugrundeliegende Entscheidung über die Zuständigkeit unanfechtbar, so dass sie weder von dem Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, nachgeprüft noch von dem übergeordneten Gericht geändert werden kann (allgem. Meinung, vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1951 - II ZR 16/51, BGHZ 2, 278, 279; Beschluss vom 24. Mai 2000 - III ZB 9/00, NJW-RR 2000, 1731, 1732; Beschluss vom 22. April 2008 - XI ZR 355/06, GuT 2008, 217; Beschluss vom 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309; BAG, NJW 1991, 1630; MünchKomm.ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 281 Rn. 40; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rn. 63; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rn. 105; Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 281 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 14; Geisler in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rn. 36; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 281 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 281 Rn. 27). Die Unanfechtbarkeit ergibt sich aus dem Gebot der Prozesswirtschaftlichkeit und soll Verzögerungen eines Prozesses durch Zuständigkeitsfragen vorbeugen (BGHZ 2, 278, 279). Dies gilt auch dann, wenn die Verweisung durch Urteil erfolgt (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1731, 1732; BGH, GuT 2008, 217) und wenn der Verweisungsantrag in der Berufungsinstanz - wenn auch nur hilfsweise - gestellt wird (vgl. BAG, NJW 1991, 1630, 1631).
3
Ob von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit bei objektiver Willkür oder der Versagung des rechtlichen Gehörs eine Ausnahme zu machen ist (vgl. BGH, NJW 2000, 1731, 1732), kann offenbleiben, weil diese Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen.
4
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 18.11.2008 - 3 HKO 154/07 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 01.03.2011 - 4 U 1583/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2008 - XI ZR 355/06

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 355/06 vom 22. April 2008 in dem Rechtsstreit Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe, die Richter Dr. Müller und Dr. Joeres, die Richterin Maye

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08

bei uns veröffentlicht am 27.05.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 45/08 vom 27. Mai 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 Eine nur mit § 38 Abs. 1 ZPO begründete Verweisung ist nicht willkürlich, wenn beide Parteien di

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2000 - III ZB 9/00

bei uns veröffentlicht am 24.05.2000

BGHR: ja BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 9/00 vom 24. Mai 2000 in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke bes

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(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 9/00
vom
24. Mai 2000
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg, 6. Zivilsenat , vom 16. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gegenstandswert: 270.650 DM.

Gründe:


I.


Der Kläger - ein Reiseveranstalter - charterte von der Beklagten mit Sitz in Istanbul Flugzeuge, um seine Kunden zu Urlaubszielen in die Türkei und Nord-Zypern zu bringen. Mit der beim Landgericht Nürnberg erhobenen Klage hat er die Beklagte aus verschiedenen Rechtsgründen auf Zahlung von insgesamt 523.450 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat bestritten, in Nürnberg eine Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO zu haben, und sich im übrigen auf eine Vereinbarung über den Gerichtsstand Nikosia (Zypern) berufen. Das Landgericht hat in seinem Endurteil die Klageanträge zu I, III bis V abgetrennt, sich insoweit für örtlich unzuständig erklärt und diesen Teil des Rechtsstreits an das Landgericht Limburg verwiesen. Im übrigen hat es die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich deren sofortige Beschwerde.

II.


Die nach § 519 b Abs. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist unbegründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten für unzulässig gehalten. Weder die vorbereitende Prozeßtrennung noch - nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO) - die anschließende Ver-
weisung an das örtlich zuständige Gericht sind mit Rechtsmitteln anfechtbar. Das gilt selbst dann, wenn diese Entscheidungen nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben , durch Beschluß, sondern in einem Urteil erfolgen (BGHZ 2, 278, 279 f.). Ob hiervon bei objektiver Willkür oder Versagung rechtlichen Gehörs eine Ausnahme zu machen ist (so MünchKomm/Prütting, ZPO, § 281 Rdn. 41; Thomas in Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rdn. 12; anders Zöller/Greger, § 281 Rdn. 14; jeweils m.w.N.), kann dahinstehen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 355/06
vom
22. April 2008
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe, die Richter Dr. Müller und
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Grüneberg

beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Juli 2006 wird auf seine Kosten als unzulässig zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 40.908,07 €

Gründe:


1
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist eine Entscheidung, mit der - wie hier - der Rechtsstreit wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit an ein anderes Gericht verwiesen worden ist, unanfechtbar. Dies gilt auch, wenn die Verweisung durch Urteil ausgesprochen wird (BGHZ 2, 278, 279 f.; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2000 - III ZB 9/00, NJW-RR 2000, 1731, 1732; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 281 Rdn. 14).
2
Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. April 1986 (BGHZ 97, 287 ff.) verweist, lässt sich auch hiermit die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Zwar hat der Bundesgerichtshof dort ein zweitinstanzliches Urteil für anfechtbar erachtet, durch das der Rechtstreit an ein anderes erstinstanzliches Gericht verwiesen worden war. Der Fall lag jedoch anders als der Streitfall. Es ging dort um eine Abgabe an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Bundesgerichtshof hat die Anfechtbarkeit nur deshalb bejaht, weil es für die Verweisung an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit an einer speziellen Regelung zur Unanfechtbarkeit der Abgabeentscheidung , wie sie § 281 Abs. 2 ZPO enthält, fehle. Anders als in jenen Fällen sei hier daher allein auf die allgemeinen Voraussetzungen abzustellen gewesen, unter denen gegen gerichtliche Entscheidungen ein Rechtsmittel stattfinde (BGHZ 97, 287, 289 f.).
3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schließlich auch nicht deshalb entgegen § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft, weil das Berufungsgericht nicht nur die örtliche Zuständigkeit geprüft, sondern in den Entscheidungsgründen auch die internationale Zuständigkeit als gegeben erachtet und zudem in einer gesonderten Verfügung außerhalb des Urteils die Auffassung vertreten hat, die Entscheidung sei auch insofern bindend. Über die Frage, ob das Urteil tatsächlich auch bezüglich der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 153, 82, 84 ff.; Senat, BGHZ 157, 224, 227 f.), Bindungswirkung entfaltet, haben zunächst die - mangels Anfechtbarkeit der Verweisungsentscheidung nunmehr zuständigen - Instanzgerichte zu befinden. Deren Entscheidung zur internationalen Zuständigkeit unterliegt dann gegebenenfalls der Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren.
Nobbe Müller Joeres Mayen Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 28.07.2004 - 25 O 264/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.07.2006 - 20 U 202/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 45/08
vom
27. Mai 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine nur mit § 38 Abs. 1 ZPO begründete Verweisung ist nicht willkürlich, wenn
beide Parteien diese unter Bezugnahme auf eine vertragliche Gerichtsstandsvereinbarung
begehrt haben.
BGH, Beschl. v. 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08 - OLG Stuttgart
LG Fulda
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Scharen
und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf
am 27. Mai 2008

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Fulda bestimmt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin, die ihren Sitz im Landgerichtsbezirk Fulda hat, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn in Anspruch. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Hünfeld einen Mahnbescheid erlassen. Nach Widerspruch der Beklagten ist der Rechtsstreit an das Landgericht Heilbronn, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, abgegeben worden. Dieses Gericht hatte die Klägerin in dem Mahnantrag als für ein streitiges Verfahren zuständig angegeben.
2
Die Klägerin hat in ihrem anspruchsbegründenden Schriftsatz an das Landgericht Heilbronn beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Fulda zu verweisen, und zur Begründung darauf hingewiesen, in § 15 des Werkvertrages sei der Sitz des Aufragnehmers als Gerichtsstand vereinbart. Diesen Schriftsatz hat das Landgericht Heilbronn der Beklagten zugestellt. In ihrer Stellungnahme hat die Beklagte bestätigt, dass vertraglich der Gerichtsstand des Landgerichts Fulda vereinbart sei, und dem Verweisungsantrag der Klägerin zugestimmt. Daraufhin hat sich das Landgericht Heilbronn für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf den Antrag der Klägerin und die Zustimmung der Beklagten gemäß § 38 Abs. 1 ZPO an das Landgericht Fulda verwiesen.
3
Das Landgericht Fulda hat die Verweisung für sachlich unrichtig und nicht bindend gehalten, sich ebenfalls für unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegt. Dieses möchte das Landgericht Heilbronn als zuständiges Gericht bestimmen. Es verneint eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Heilbronn, weil die Verweisung willkürlich erfolgt sei. Der Verweisungsbeschluss lasse jede Begründung der eigenen Zuständigkeit vermissen. Das Landgericht Heilbronn sei als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO zuständig. Ein ausschließlicher Gerichtsstand sei in § 15 des Werkvertrages nicht vereinbart worden. Indem die Klägerin im Mahnantrag das Landgericht Heilbronn als zuständiges Gericht angegeben habe, habe sie das ihr zustehende Wahlrecht zwischen allgemeinem und vertraglich vereinbartem Gerichtsstand bindend ausgeübt. Eine nachträgliche Prorogation sei wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung unzulässig , der Verweisungsbeschluss deshalb rechtsfehlerhaft. Zwar werde von einer Mindermeinung die Auffassung vertreten, ein Gericht könne im Falle nachträglicher Prorogation auch bei zunächst gegebener eigener Zuständigkeit den Rechtsstreit bei ausdrücklich erklärtem Einverständnis der Parteien mit jedenfalls vertretbarer Begründung an ein anderes Gericht verweisen. Die Behandlung eines solchen Beschlusses als fehlerhaft, aber nicht willkürlich setze jedoch voraus, dass das verweisende Gericht sich mit der aufgeworfenen Rechtsfrage befasst und begründet Position bezogen habe. Lasse man mit einem Teil der Literatur die bloße Möglichkeit, die eigene Unzuständigkeit vertretbar zu begründen, in Verbindung mit dem Einverständnis der Parteien genügen, eine Verweisung als nicht willkürlich anzusehen, könne bei Einvernehmen der Parteien stets begründungslos und gleichwohl bindend verwiesen werden.
4
An einer entsprechenden Entscheidung sieht sich das vorlegende Oberlandesgericht durch die Beschlüsse der Oberlandesgerichte Koblenz (OLGR Koblenz 1997, 74) und Schleswig (MDR 2005, 233) und durch den Senatsbeschluss vom 10. Juni 2003 (X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201) gehindert. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


5
Auf die zulässige Vorlage ist als zuständiges Gericht das Landgericht Fulda zu bestimmen, da es an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn gebunden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
6
1. Verweisungsbeschlüsse nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind im Interesse der Prozessökonomie sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkter Verzögerungen und Verteuerungen in der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGHZ 102, 388, 340; Sen.Beschl. v. 13.12.2005 - X ARZ 223/05, NJW 2006, 383 m.N.). Einem Verweisungsbeschluss kann daher die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (Sen.Beschl. v. 13.12.2005, aaO m.N.). Hierfür genügt es aber nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (Sen.Beschl. v. 10.6.2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201).
7
2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn vom 14. November 2007 nicht willkürlich.
8
a) Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten liegt nicht vor, da der Verweisungsbeschluss durch das im Mahnantrag als zuständig angegebene Landgericht Heilbronn ergangen ist, nachdem dieses die Beklagte zu der von der Klägerin als Grundlage ihres Verweisungsantrags angegebenen Gerichtsstandsvereinbarung angehört hat.
9
b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn entbehrt auch nicht jeder gesetzlichen Grundlage, so dass er deshalb als offensichtlich unhaltbar betrachtet werden müsste.
10
Gibt das Mahngericht den Rechtsstreit an das im Mahngericht als zuständig bezeichnete Empfangsgericht ab und ist dieses - gegebenenfalls neben anderen Gerichten - zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, so wird, wie der Senat bereits entschieden hat, die im Mahnantrag getroffene Wahl des Gerichtsstandes unwiderruflich und verbindlich (Sen.Beschl. v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1237; Sen.Beschl. v. 10.9.2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634). Der Senat hat darüber hinaus bereits entschieden, dass trotz einer im Mahnantrag anders getroffenen Wahl des Gerichtsstandes eine nach Anhörung des Gegners erfolgte Verweisung nicht willkürlich ist, wenn das verweisende Gericht in möglicher Auslegung des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrages annehmen konnte, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist, an das verwiesen worden ist (Sen.Beschl. v. 22.6.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810, 2811). Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben, weil beide Parteien sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag berufen und deshalb die Verweisung an das Landgericht Fulda beantragt oder ihr zugestimmt haben. Hieraus konnte ohne Willkür der Schluss auf eine Vereinbarung ausschließlicher Zuständigkeit dieses Gerichts gezogen werden. Angesichts des übereinstimmenden Verweisungsbegehrens der Parteien schadet auch nicht, dass der Verweisungsbeschluss nicht näher begründet worden ist. Denn ersichtlich war dies durch die Übereinstimmung der Parteien und die sich daraus möglicherweise ergebende ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Fulda verursacht.
11
Auf die vom vorlegenden Oberlandesgericht erörtere Frage, ob die Parteien im Falle eines vorausgegangenen Mahnverfahrens nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Zuständigkeit des im Mahnantrag als zuständig bezeichneten Gerichts noch prorogieren können, kommt es im Streitfall nicht an, weil sich beide Parteien zur Begründung ihres Verweisungsbegehrens auf die bereits im Werkvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung berufen haben.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Fulda, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 477/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.01.2008 - 4 AR 9/07 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)