Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2009 - I ZB 7/09

bei uns veröffentlicht am17.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 7/09
vom
17. September 2009
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 398 69 072
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Dr. Bergmann, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 26. Januar 2009 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 25. Senats (MarkenBeschwerdesenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Markeninhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Für den Markeninhaber ist am 13. Januar 2000 die Wortmarke "Jugendherberge" für die Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen, Verpflegung, Veranstaltung von Reisen, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten" als durchgesetzte Marke eingetragen worden.

2
Die Antragstellerin hat die Löschung der Eintragung der Marke beantragt. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2005 den Löschungsantrag zurückgewiesen.
3
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Marke angeordnet. Dagegen richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Markeninhabers, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.
4
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da der Markeninhaber den im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn; Beschl. v. 1.3.2007 - I ZB 33/06, GRUR 2007, 534 Tz. 5 = WRP 2007, 643 - WEST).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt den Markeninhaber nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f. m. w. Nachw.).

7
a) Die Rechtsbeschwerde macht zwar einleitend geltend, dass sie sich gegen die Zurückweisung des vom Markeninhaber vorgelegten demoskopischen Gutachtens vom September 2008 wende. Sie führt diese Rüge jedoch nicht aus. Das Bundespatentgericht hat das Gutachten auch nicht zurückgewiesen , sondern ist ausführlich darauf eingegangen.
8
b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe keine inhaltlich und zeitlich ausreichenden Hinweise auf die seiner Auffassung nach fehlerhafte Ermittlung der beteiligten Verkehrskreise in dem vom Markeninhaber vorgelegten Gutachten gegeben. Das Bundespatentgericht war nicht verpflichtet, den Markeninhaber nach Einreichung des Gutachtens darauf hinzuweisen, dass es als beteiligte Verkehrskreise die Gesamtbevölkerung ansah und nicht, wie das Gutachten, die potentiellen Besucher von Jugendherbergen oder die Besucher von Jugendherbergen, die einen weiteren Jugendherbergsbesuch nicht ausschließen.
9
Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen (BGH, Urt. v. 20.1.2000 - I ZB 50/97, GRUR 2000, 894 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR; Beschl. v. 6.10.2005 - I ZB 20/03, GRUR 2006, 152 = WRP 2006, 102 Tz. 13 - GALLUP). Dazu gehörte im vorliegenden Fall jedenfalls die nicht fernliegende Beurteilung, die Gesamtbevölkerung für den beteiligten Verkehrskreis zu halten.
10
Schon die Markenabteilung hatte angenommen, dass als beteiligter Verkehrskreis die Gesamtbevölkerung maßgeblich sei. Auch die Antragstellerin ist davon durchgängig in ihrem Vortrag ausgegangen und hat diese Bestimmung der beteiligten Verkehrskreise ausdrücklich als unstreitig angesehen. In seinem an die Verfahrensbeteiligten gerichteten Zwischenbescheid vom 30. April 2008 hat das Bundespatentgericht zudem deutlich gemacht, dass vom Begriffsinhalt der angemeldeten Bezeichnung nicht auf die potentiellen Nutzer der Dienstleistung geschlossen werden könne. Damit hat es ohne Weiteres erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Begriffsinhalt der Wortmarke "Jugendherberge" keine Bedeutung dafür hat, wie die Nutzer der für diese Marke angemeldeten Dienstleistungen, insbesondere Beherbergung von Gästen und Verpflegung, zu bestimmen sind. Es kommt hinzu, dass der Markeninhaber in seinem mit dem Gutachten eingereichten Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 zunächst selbst noch davon ausgegangen ist, die Gesamtbevölkerung sei der maßgebliche Verkehrskreis , und erst im weiteren Verlauf dieses Schriftsatzes die engere Abgrenzung des Gutachtens übernahm.
11
Unter diesen Umständen unterliegt keinem Zweifel, dass der Markeninhaber zumindest damit rechnen musste, das Bundespatentgericht werde die Gesamtbevölkerung als maßgeblichen Verkehrskreis ansehen und nicht, wie in dem Gutachten angenommen, die potentiellen Besucher von Jugendherbergen bzw. die Besucher von Jugendherbergen, die einen weiteren Besuch nicht ausschließen. Das Bundespatentgericht war deshalb nicht gehalten, dem Markeninhaber nach Vorlage des Gutachtens eine weitere Möglichkeit zur Ergänzung seines Vortrags oder zur Beibringung von Unterlagen zu gewähren.
12
c) Auch im Übrigen hat das Bundespatentgericht zu Recht für eine weitere Aufklärung keinen Anlass gesehen. Es hat seine Feststellungen zur mangelnden Verkehrsdurchsetzung auf der Grundlage der Befragung der Gesamtbevölkerung getroffen, die dem Gutachten zu entnehmen war.
13
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Bornkamm Pokrant Bergmann
Koch Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.01.2009 - 25 W(pat) 8/06 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Markengesetz - MarkenG | § 83 Zugelassene und zulassungsfreie Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschl

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(1) Sind an dem Verfahren mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte no

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 5/03 vom 28. August 2003 in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung Nr. 399 66 451.3/29 Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja turkey & corn MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3; § 78 Abs. 2; GG

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(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 5/03
vom
28. August 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 399 66 451.3/29
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
turkey & corn

a) Verwendungsbeispiele, auf die das Bundespatentgericht seine Entscheidung
stützt, müssen den Verfahrensbeteiligten zuvor zur Kenntnis gegeben worden
sein. Ergeht die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, müssen sie
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sein (im Anschluß
an BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – I ZB 3/95, GRUR 1997, 637 = WRP
1997, 762 - Top Selection).

b) Eine Entscheidung beruht auf der Versagung des rechtlichen Gehörs, wenn
Umstände, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten, zur
Begründung herangezogen werden. Dabei ist unerheblich, ob die weiteren
Begründungselemente, auf die sich die Entscheidung stützt, auch für sich genommen
das Ergebnis hätten tragen können.
BGH, Beschl. v. 28. August 2003 – I ZB 5/03 – Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der am 10. Januar 2003 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluß des 28. Senats (Marken -Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 esetzt.

Gründe:


I. Die Anmelderin hat die Eintragung des Zeichens
turkey-corn
zur Kennzeichnung der Waren
lebendes und geschlachtetes Geflügel und Geflügelteile sowie daraus hergestellte Geflügelspezialitäten, auch Convenience-Waren, insbesondere in panierter, marinierter Form, sowie als Fertiggerichte, Halb-
fertiggerichte und Suppen, letztere auch in Instantform, ausgenommen Mais als Ingredienzie; Tierfuttermittel aus Geflügel und Geflügelteilen
beantragt.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Eintragung mit der Begründung abgelehnt, die angemeldete Wortfolge bedeute „Truthahnfleisch mit/und Korn (i.S. von Getreide)“ und sei deshalb unmittelbar beschreibend.
Die Beschwerde hatte lediglich hinsichtlich der beanspruchten Ware „lebendes Geflügel“ Erfolg.
Gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde wendet sich die Anmelderin mit der – vom Bundespatentgericht nicht zugelassenen – Rechtsbeschwerde.
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß das angemeldete Zeichen „turkey-corn“ – soweit seine Eintragung für andere Waren als für lebendes Geflügel begehrt werde – wegen des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht eingetragen werden könne. Hierzu hat es ausgeführt:
Das angemeldete Zeichen sei bezogen auf die Waren, für die die Eintragung versagt worden sei, eine unmittelbar beschreibende Angabe, die freizuhalten sei. Die lexikalisch nicht nachgewiesene englischsprachige Wortfolge bedeute „Truthahn -Mais“ oder „Truthahn-Korn“ und beschreibe die damit gekennzeichneten Waren als ein aus Truthahnstücken und Mais oder Korn bestehendes Gericht oder Futter, und zwar mit Begriffen, die – wie eine Umschau in Lebensmittelgeschäften und eine Internetrecherche ergeben hätten – auch deutschen Verkehrskreisen geläufig seien. So werde die in Frage stehende Wortfolge beispielsweise in diversen Rezepten als Bezeichnung für Truthahngerichte verwendet. Soweit die An-
melderin im Wege eines Disclaimers im Warenverzeichnis die Verwendung von Mais ausschließen wolle, führe das entweder zum Eintragungshindernis der Irreführung oder die Eintragung scheitere daran, daß „corn“ auch „Korn“ oder „Getreide“ bedeuten könne und daher auch in der eingeschränkten Verwendung nicht aus dem beschreibenden Bereich herausführe.
Danach dränge sich der Eindruck auf, daß die beanspruchte Wortfolge von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf ein Truthahngericht verwendet und benötigt werde. Auch wenn es sich regelmäßig verbiete, fremdsprachige Begriffe mit der deutschen Übersetzung gleichzustellen, gelte doch etwas anderes, wenn ein Begriff von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt oder von den Mitbewerbern benötigt werde. Beides sei vorliegend der Fall. Zum einen erkenne der Verkehr bei „turkey corn“ unschwer die Bedeutung „TruthahnMais“ oder „Truthahn-Getreide“. Zum anderen dürfe es Mitbewerbern nicht verwehrt werden, die Wortfolge unmittelbar beschreibend einzusetzen, und zwar auch für „Tierfuttermittel aus Geflügel und Geflügelteilen“, zumal im Internet bereits „Turkey Bites“ für Hunde angeboten würden.
III. Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, daß im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – I ZB 27/00, GRUR 2003, 546 = WRP 2003, 655 – TURBO-TABS, m.w.N.). Hier beruft sich die Rechtsbeschwerde auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs sowie darauf, daß der angefochtene Beschluß nicht mit Gründen versehen sei (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 und 6 MarkenG). Dies hat sie im einzelnen begründet. Darauf, ob die
Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Die Rüge der Anmelderin, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen versehen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG), greift allerdings nicht durch.
Die Rechtsbeschwerde steht auf dem Standpunkt, es mangele dem angefochtenen Beschluß insofern an einer Begründung, als das Verständnis des Verkehrs von „turkey-corn“ als einer beschreibenden Angabe auch durch eine Umschau in Lebensmittelgeschäften begründet wird. Der Beschluß sei insoweit nicht nachvollziehbar, weil die bei der Umschau gewonnenen Erkenntnisse nicht mitgeteilt würden.
Mit diesem Vorbringen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Begründungszwang sichern. Es kommt deshalb darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund – mag dieser tatsächlich vorgelegen haben oder nicht, mag er rechtsfehlerhaft beurteilt worden sein oder nicht – für die Entscheidung über die einzelnen Ansprüche und Verteidigungsmittel maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Dem Erfordernis einer Begründung ist deshalb schon dann genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs - und Verteidigungsmittel Stellung nimmt, das ein Verfahrensbeteiligter vorgetragen hat (vgl. BGH GRUR 2003, 546, 548 – TURBO-TABS, m.w.N.). Diesen Anforderungen an den Begründungszwang genügt der angefochtene Beschluß. Ihm läßt sich insbesondere entnehmen, daß der Verkehr nach der Beurteilung des Bundespatentgerichts „turkey-corn“ als beschreibenden Begriff versteht und daß sich diese Beurteilung auf entsprechende Kennzeichnungspraktiken stützt. Daß
der angefochtene Beschluß nicht im einzelnen aufführt, welche Beobachtungen dieser Beurteilung zugrunde liegen, ist vorliegend ohne Belang.

b) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Anmelderin jedoch in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
aa) Mit Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, daß der Anmelderin keine Gelegenheit gegeben worden ist, zu den Beobachtungen Stellung zu nehmen, die die Richter des Bundespatentgerichts in Lebensmittelgeschäften gemacht haben. Das Gericht kann seine Entscheidung auf derartige offenkundige Tatsachen stützen. Handelt es sich dabei nicht um Umstände, die allen Beteiligten ohne weiteres gegenwärtig sind, ist Voraussetzung aber stets, daß die Beteiligten erfahren, welche Erkenntnisse die Richter außerhalb des Verfahrens gewonnen haben und ins Verfahren einführen möchten (BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 = WRP 1997, 762 – Top Selection). Da die Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz ebenso wie die Gründe des angefochtenen Beschlusses insoweit schweigen, muß für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon ausgegangen werden, daß ein entsprechender Hinweis im Streitfall unterblieben ist.
bb) Das Bundespatentgericht hat sich ferner zur Begründung und zum Beleg dafür, daß die Begriffe „turkey“ und „corn“ auch deutschen Verkehrskreisen als Sachhinweis auf Truthahn und Mais oder Getreide geläufig sind, auf die aus dem Internet gezogene Speisekarte von „A. Schloßwirtschaft in N. “ gestützt. Auch hinsichtlich dieser Belegstelle muß – wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls rügt – davon ausgegangen werden, daß sie der Anmelderin nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Sie findet sich nicht unter den Verwendungsbeispielen aus dem englischen Sprachraum, die das Bundespatentgericht der Anmelderin rechtzeitig
vor der mündlichen Verhandlung in Kopie überlassen hat, sondern in einer Hülle, in der sich in erster Linie zwei von der Anmelderin im Verhandlungstermin vorgelegte Unterlagen befinden, mit denen für die Anmelderin günstige Tatsachen belegt werden sollten („turkey corn“ als englische Bezeichnung von Lerchensporn; Nachweis der Eintragung von „turkey-corn“ als Gemeinschaftsmarke). Allein der Umstand, daß sich die fragliche Speisekarte in einer mit „Anlagen zum Protokoll vom 18.09.2002“ gekennzeichneten Hülle befindet, besagt nicht, daß sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Denn es ist kaum anzunehmen, daß die Anmelderin dem Gericht diese für sie ungünstige Belegstelle vorgelegt hat. Dies gilt nicht zuletzt für den hier in Rede stehenden Beleg aus „A. Schloßwirtschaft“, der – nach dem Datum in der Fußzeile zu urteilen – erst am 2. Dezember 2002, also zweieinhalb Monate nach dem Verhandlungstermin, ausgedruckt worden ist.
cc) Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu BGH GRUR 1997, 637, 638 f. – Top Selection). Das Bundespatentgericht hat sich gerade auch auf Beobachtungen in Lebensmittelgeschäften berufen, zu denen sich die Anmelderin nicht äußern konnte. Auch die Verwendungsbeispiele aus dem Internet, die nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellenden Verfahrensablauf nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die daher die Entscheidung nicht hätte gestützt werden dürfen (§ 78 Abs. 2 MarkenG), sind vom Bundespatentgericht ausdrücklich zur Begründung der Entscheidung herangezogen worden. Ob die gegebene Begründung das Ergebnis auch ohne diese Hinweise auf das Verkehrsverständnis tragen könnte, bedarf unter diesen Umständen keiner Erörterung.
IV. Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses auf sonstige Verstöße gegen das formelle oder gegen das materielle Recht findet – anders als bei der zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG) – bei Begründetheit einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht statt (vgl. BGH GRUR 1997, 637, 639 – Top Selection, m.w.N.).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Büscher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 33/06
vom
1. März 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die IR-Marke Nr. 730 038
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
WEST
Ist im markenrechtlichen Löschungsverfahren nicht auszuschließen, dass die
angefochtene Beschwerdeentscheidung auf der Versagung rechtlichen Gehörs
beruht, so muß der Rechtsbeschwerdeführer nicht vortragen, was er auf einen
Hinweis des Gerichts ausgeführt hätte; die insoweit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
nach § 544 ZPO geltenden Grundsätze sind nicht anzuwenden.
BGH, Beschl. v. 1. März 2007 - I ZB 33/06 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2007 durch die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann
und Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Januar 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Widersprechende ist Inhaberin der für "Filterzigaretten" aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke Nr. 1 152 164 WEST.
Aus dieser Marke hat sie gegen die Schutzbewilligung für die IR-Marke der Markeninhaberin Nr. 730 038
WELT
in der Bundesrepublik Deutschland Widerspruch erhoben. Diese Marke ist für "Cigarettes et autres articles de tabac" eingetragen.
2
Die Markenstelle hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen. Zwischen der Widerspruchsmarke, bei der nur von normaler Kennzeichnungskraft ausgegangen werden könne, und der angegriffenen Marke bestehe trotz einer teilweisen Identität der Waren keine Verwechslungsgefahr.
3
Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht stattgegeben. Gegen diesen Beschluss richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin.
4
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
5
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung statthaft, weil die Markeninhaberin einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel - die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) - mit konkreter Be- gründung gerügt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn; Beschl. v. 1.6.2006 - I ZB 121/05, Umdruck S. 4).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des Bundespatentgerichts auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Markeninhaberin beruht (Art. 103 Abs. 1 GG).
7
a) Das Bundespatentgericht hat bei seiner Entscheidung maßgeblich auf eine erheblich überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke abgestellt. Dafür hat es sich auf den Umsatz und den Marktanteil der Widerspruchsmarke sowie den großen Werbeaufwand für diese Marke gestützt. Dass die Widerspruchsmarke für Zigaretten dauerhaft und intensiv beworben worden sei, ergebe sich aus der Vielzahl der im Verfahren vor der Markenstelle zu den Akten gereichten Werbebeispiele und sei zudem gerichtsbekannt. Die Werbung für die Widerspruchsmarke sei in allen Bereichen, in denen für Zigaretten geworben werden dürfe, nahezu omnipräsent. Aufgrund der Dauer und des Umfangs dieser Werbung, z.B. auf Werbewänden, auf Litfasssäulen, in Zeitungen und Zeitschriften sowie anlässlich von Sportveranstaltungen, insbesondere solchen des Motorrennsports, sei davon auszugehen, dass die Widersprechende den Bekanntheitsgrad ihrer Marke seit dem Zeitpunkt der Eintragung nochmals nicht unerheblich gesteigert habe.
8
b) Die Rechtsbeschwerde rügt u.a., das Bundespatentgericht habe anders als das Deutsche Patent- und Markenamt festgestellt, die für eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke maßgeblichen Umstände seien gerichtsbekannt und damit nicht beweisbedürftig, ohne der Markeninhaberin zuvor durch einen entsprechenden Hinweis Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies sei jedoch zur Wahrung des Anspruchs der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör notwendig gewesen, weil die Markeninhaberin vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestritten habe.
9
c) Das Bundespatentgericht hat das Recht der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es seiner Entscheidung bestimmte Tatsachen als gerichtsbekannt zugrunde gelegt hat. Dabei handelt es sich um die Ausführungen zu Bereichen, Dauer und Umfang der Werbung für die Widerspruchsmarke. Möchte das Gericht offenkundige Tatsachen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 291 ZPO), zu denen auch die gerichtsbekannten Tatsachen zählen, seiner Entscheidung zugrunde legen, so muss es sie zuvor in das Verfahren einführen, damit die Beteiligten Stellung nehmen können (BGH, Beschl. v. 30.1.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 = WRP 1997, 762 - Top Selection; Beschl. v. 19.6.1997 - I ZB 21/95, GRUR 1998, 396, 397 = WRP 1998, 184 - Individual). Sofern keine mündliche Verhandlung stattfindet, ist ein schriftlicher Hinweis an die Verfahrensbeteiligten geboten.
10
Eine derartige Hinweispflicht besteht allerdings dann nicht, wenn es sich um Umstände handelt, die allen Beteiligten ohne Weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen. Denn in einem solchen Fall kann angenommen werden, dass die Beteiligten auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis hinreichende Gelegenheit zur Stellungnahme haben (BGHZ 31, 43, 45; BGH GRUR 1997, 637, 638 - Top Selection). Im Streitfall kann jedoch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Markeninhaberin , einem polnischen Unternehmen, Einzelheiten der Zigarettenwerbung in Deutschland geläufig sein müssen.
11
Nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses kann auch nicht angenommen werden, dass die als gerichtsbekannt behandelten Tatsachen neben den von der Widersprechenden vor der Markenstelle eingeführten Tatsachen nur als zusätzliche, die Entscheidung letztlich nicht tragende Begründung herangezogen werden sollten. Damit ist nicht auszuschließen, dass die angefochtene Entscheidung auf der Versagung des rechtlichen Gehörs beruhen kann (BGH GRUR 1997, 637, 638 - Top Selection). Die Markeninhaberin musste nicht vortragen, was sie auf einen Hinweis des Gerichts zu den für gerichtsbekannt erachteten Tatsachen ausgeführt hätte. Die insoweit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO geltenden Grundsätze (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - XI ZR 153/02, NJW-RR 2003, 1003) sind im markenrechtlichen Löschungsverfahren, das durch den Amtsermittlungsgrundsatz geprägt ist, nicht anzuwenden.
v.Ungern-Sternberg Büscher Schaffert
Kirchhoff Bergmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.01.2006 - 26 W(pat) 324/03 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 50/97 Verkündet am:
20. Januar 2000
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 2 904 283
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Micro-PUR

a) Die Feststellung der Verhinderung eines Mitglieds des Gerichts ist formfrei
möglich.

b) Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht findet im Beschwerdeverfahren
nur unter den Voraussetzungen des § 69 MarkenG
statt. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör läßt sich kein darüber hinausgehender
Anspruch auf mündliche Verhandlung herleiten.
BGH, Beschl. v. 20. Januar 2000 - I ZB 50/97 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und
Dr. Büscher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 29. Oktober 1997 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe:


I. Gegen die am 22. März 1995 unter der Nr. 2 904 283 für die Waren
"Handbetätigte Reinigungsgeräte für den Haushalt"
eingetragene Wortmarke
"Micro-PUR"
hat die Inhaberin der Wortmarke Nr. 976 502

"micro-dur",
die seit 1978 für
"Tragbare Behälter aus Kunststoff für Haushalt und Küche"
eingetragen ist, Widerspruch erhoben.
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht den Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patentamts aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Gefahr von Verwechslungen angeordnet.
Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts und die Versagung rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren rügt.
II. Die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich jedoch daraus, daß ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird (BGH, Beschl. v.
19.6.1997 - I ZB 21/95, GRUR 1998, 396 = WRP 1998, 184 - Individual; Beschl. v. 3.12.1998 - I ZB 14/98, GRUR 1999, 500 = WRP 1999, 435 - DILZEM; Beschl. v. 14.10.1999 - I ZB 15/97, WRP 2000, 542, 543 = MarkenR 2000, 95 - COMPUTER ASSOCIATES). Die Markeninhaberin hat ihre Auffassung zu einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des beschließenden Gerichts (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG) und einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) mit näheren Ausführungen begründet. Dies reicht für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aus. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht an (BGH WRP 2000, 542, 543 - COMPUTER ASSOCIATES, m.w.N.).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Die gerügten Mängel liegen nicht vor.

a) Ohne Erfolg erhebt die Rechtsbeschwerde die Besetzungsrüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG.
Sie macht hierzu geltend, in der Ä nderung der Besetzung des Gerichts gegenüber der in der ursprünglichen Verfügung des Vorsitzenden vorgesehenen Gerichtsbesetzung liege ein willkürlicher Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts. Die Ä nderung der Gerichtsbesetzung sei nicht rechtswirksam erfolgt. Es fehle die Angabe des Verhinderungsgrundes und die Unterschrift des Vorsitzenden unter der Verfügung über die geänderte Mitwirkung bei der Entscheidung des Senats.
Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme einer vorschriftswidrigen Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts. Nach
der dienstlichen Ä ußerung des Vorsitzenden des Senats vom 25. August 1998 waren dieser und sein Vertreter durch Urlaub verhindert, an der Entscheidung mitzuwirken. Damit führte gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 21f Abs. 2 GVG das dienstälteste Mitglied des Senats den Vorsitz und der weitere nicht verhinderte Richter des Spruchkörpers wirkte an der Entscheidung mit.
Zwar ist die Verhinderung des Vorsitzenden und seines Vertreters nicht im einzelnen schriftlich niedergelegt. Dies war aber auch nicht erforderlich, weil die Feststellung der Verhinderung formfrei möglich ist (BGHSt 21, 174, 179 f; BGH, Urt. v. 31.1.1983 - II ZR 43/82, DRiZ 1983, 234, 235; Kissel, GVG, 2. Aufl., § 21e Rdn. 129).

b) Auch der Rüge, mit der die Markeninhaberin eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) beanstandet , bleibt der Erfolg versagt.
aa) Die Rechtsbeschwerde leitet eine Verpflichtung zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nach § 69 Nr. 3 MarkenG aus dem Verbot einer Überraschungsentscheidung ab. Damit kann sie jedoch nicht durchdringen.
Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung. Eine mündliche Verhandlung ist nur vorgeschrieben, wenn ein Beteiligter sie beantragt, Beweis erhoben wird oder wenn das Bundespatentgericht sie für sachdienlich erachtet, § 69 MarkenG. Auch das Recht auf Gehör gibt keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfGE 5, 9, 11; 6, 19, 20; 36, 85, 87; BGHZ 13, 265, 270; BGH WRP 2000, 542, 544 - COMPUTER ASSOCIATES). Rechtliches Gehör können die Beteiligten auch im schriftlichen Verfahren über die Beschwerde erhalten.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe eine mündliche Verhandlung für sachdienlich halten müssen, weil es, ohne daß die Markeninhaberin und die Widersprechende im Beschwerdeverfahren Stellung genommen hätten, eine andere Auffassung als das Deutsche Patentamt vertreten habe. Dies erforderte nicht zwingend eine mündliche Verhandlung.
bb) Die Rechtsbeschwerde sieht eine Versagung des rechtlichen Gehörs ferner in einem unterlassenen Hinweis des Bundespatentgerichts auf die vom Deutschen Patentamt abweichende Auffassung, der unterschiedliche Sinngehalt der Zeichenteile "dur" und "PUR" werde den angesprochenen Verkehrskreisen wegen der klanglichen Gemeinsamkeit nicht bewußt. Nach dem für das Bundespatentgericht geltenden Untersuchungsgrundsatz habe es die angesprochenen Verkehrskreise und deren Auffassung feststellen und der Markeninhaberin Gelegenheit zu Nachforschungen und zur Stellungnahme geben müssen. Entsprechendes gelte für die Beurteilung des Bundespatentgerichts zur Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht. Auf diese sei weder das Deutsche Patentamt noch die Widersprechende eingegangen, während die Markeninhaberin hierzu ausführlich vorgetragen habe.
Daraus folgt jedoch keine Verletzung des Anspruchs der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, daß sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG, Beschl. v. 1.9.1995 - 1 BvR 632/94, NJW-RR 1996, 253 f. = ZIP 1995, 1850, 1852). Dazu gehört, daß die Beteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können,
auf welchen Tatsachenvortrag und welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommen kann (BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254). Dagegen verlangt das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, daß das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; vertretbare rechtliche Gesichtspunkte muß ein Verfahrensbeteiligter prinzipiell von sich aus in Betracht ziehen (BVerfGE 74, 1, 5; 86, 133, 145; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
Im vorliegenden Fall mußte die Markeninhaberin mit einer Verneinung der Verwechslungsgefahr i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG durch das Bundespatentgericht rechnen. Daß eine klangliche Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründen kann, entsprach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1976 - I ZR 69/74, GRUR 1976, 356, 357 - Boxin; Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 114/84, GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal). Das Deutsche Patentamt hatte die klangliche Ä hnlichkeit der Marken ebenfalls behandelt. Bei Anwendung eines objektiven Maßstabes konnte für die Markeninhaberin nicht überraschend sein, daß das Bundespatentgericht anders als das Deutsche Patentamt davon ausgegangen ist, den angesprochenen Verkehrskreisen werde der unterschiedliche Sinngehalt der Zeichen nicht bewußt.
Die Markeninhaberin mußte zudem damit rechnen, daß das Bundespatentgericht von einer Warenähnlichkeit ausgehen und neben der klanglichen Verwechslungsgefahr auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr annehmen würde. In ihrer Stellungnahme zum Widerspruch vom 13. Mai 1996 hat sich die Markeninhaberin mit diesen Punkten eingehend auseinandergesetzt und dadurch gezeigt, daß sie die Entscheidungserheblichkeit erkannt hat. Darauf , daß das Bundespatentgericht zu einer anderen Beurteilung als die Markeninhaberin und das Deutsche Patentamt gekommen ist, brauchte es zur
Wahrung des Gebots rechtlichen Gehörs die Markeninhaberin nicht hinzuweisen (vgl. BVerfGE 74, 1, 5; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
Darauf, ob die Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch das Bundespatentgericht zutreffend und die von ihm eingeschlagene Verfahrensweise, ohne richterlichen Hinweis zu entscheiden, zweckmäßig war, kommt es nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG soll allein die Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung dienen (BGH GRUR 1999, 500, 501 - DILZEM).
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 90 Abs. 2 MarkenG.
Erdmann RiBGH Prof. Dr. Mees ist nach Starck Erreichen der Altersgrenze aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann Bornkamm Büscher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 20/03 Verkündet am:
6. Oktober 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 2 913 956
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
GALLUP
Der Umstand allein, dass die Marke lediglich auf einer ganz geringen Anzahl
von Waren - hier: zehn jährlich bzw. monatlich erscheinenden Druckschriften -
angebracht wird, lässt dann nicht auf eine Scheinbenutzung schließen, wenn es
für die Waren nur einen sehr speziellen Abnehmerkreis gibt.
Der Umstand, dass die mit der Marke gekennzeichnete Ware unentgeltlich abgegeben
wird, steht der Annahme einer rechtlich relevanten Benutzung der
Marke nur dann entgegen, wenn die Abgabe keinen Bezug zu einer geschäftlichen
Tätigkeit aufweist.
BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2005 - I ZB 20/03 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des 33. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Gegen die Eintragung der von der Markeninhaberin am 9. Dezember 1992 für die Dienstleistungen "Marktforschung, Meinungsforschung, Sozialforschung" angemeldeten Wortmarke Nr. 2 913 956 GALLUP hat die Widersprechende aus ihrer für die Bundesrepublik Deutschland mit dem Zeitrang vom 15. Februar 1947 für die Waren "Imprimés et écrits, ainsi que périodiques et rapports concernant l´étude de l´opinion publique, ainsi que les problèmes sociaux, économiques, politiques, statistiques, religieux, techniques et hygiéniques, de même que des sujets d´art, d´horticulture, d´agriculture et de sylviculture, d´ élevage, de pêche et relatifs à l´étude du marché et de la publicité" international registrierten Wortmarke Nr. 2R132 442 GALLUP Widerspruch eingelegt. Die Markeninhaberin hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Außerdem hat sie geltend gemacht, eine Bekanntheit des Zeichens "GALLUP" zum Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke sei allein auf ihre jahrzehntelange Tätigkeit als Vertretung von GALLUP zurückzuführen.
2
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Löschung der Streitmarke angeordnet.
3
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hat zur Zurückweisung des Widerspruchs geführt (BPatGE 47, 101).
4
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter. Die Markeninhaberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
5
II. Das Bundespatentgericht hat den Widerspruch für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:
6
Soweit der Widerspruch auf § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Kollision der eingetragenen Marke mit einer älteren Marke) gestützt sei, habe die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen sei zwar zu entnehmen, dass diese auch auf eigenes Risiko Meinungsumfragen durchführe , nicht aber, dass sie für die entsprechenden Druckwerke das Zeichen "GALLUP" nach Art einer Marke verwendet habe. Die unentgeltliche Verteilung der Zeitschrift "THE GALLUP REVIEW" an die Kunden des Unternehmens stelle aber keine Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr dar, und für die jährlich bzw. monatlich erscheinenden Sammlungen von Umfrageergebnissen in "The Gallup Poll - Public Opinion" und "The Gallup Poll - Monthly Magazine" könne eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
7
Soweit der Widerspruch durch das Ankreuzen des entsprechenden Feldes im amtlichen Formblatt auch auf § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Agentenmarke ) gestützt sei, hätte er durch die Geschäftsherrin erfolgen müssen. Die erst im Jahr 1994 als deutsche Konzerntochter gegründete Widersprechende sei zwar Inhaberin der Widerspruchsmarke, nicht aber Geschäftsherrin eines Agentenverhältnisses mit der Markeninhaberin. Selbst wenn sie von ihrer Konzernmutter als Geschäftsherrin zur Anspruchsgeltendmachung ermächtigt wäre, müsste diese Inhaberin der Widerspruchsmarke gewesen sein; dafür sei aber nichts dargetan.
8
III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Bundespatentgericht hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu Unrecht als nicht ausreichend glaubhaft gemacht angesehen.
9
1. Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe dadurch, dass es über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, gegen das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs sowie gegen § 69 Nr. 3 MarkenG verstoßen.
10
a) Die Anordnung einer mündlichen Verhandlung war nicht wegen des Antrags einer der Beteiligten geboten (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Die Markeninhaberin hatte ihren diesbezüglichen Antrag nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass ihren sonstigen Anträgen nicht entsprochen werden sollte. Dieser Fall ist nicht eingetreten; denn das Bundespatentgericht hat der Beschwerde der Markeninhaberin stattgegeben. Die Widersprechende hatte keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
11
b) Die Anordnung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit (§ 69 Nr. 3 MarkenG) erforderlich, weil das Bundespatentgericht die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke abweichend von der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts beurteilt hat.
12
aa) Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung. Unter dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit (§ 69 Nr. 3 MarkenG) zwingend geboten ist eine mündliche Verhandlung allein dann, wenn die tatsächlichen und/oder rechtlichen Fragen des Falles nicht anders sachgerecht erörtert werden können (vgl. Ingerl/ Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 69 Rdn. 9). Dementsprechend ist die Anordnung einer mündlichen Verhandlung nicht immer schon dann unabdingbar, wenn das Bundespatentgericht mit seiner Beschwerdeentscheidung von der Auffassung abweicht, die das Deutsche Patent- und Markenamt in der angefochtenen Entscheidung vertreten hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2000 - I ZB 50/97, GRUR 2000, 894 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR). Ebensowenig gibt der Umstand, dass sich die Parteien im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert haben , für sich genommen Anlass zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
13
bb) Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung hat auch nicht den Anspruch der Widersprechenden auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem der rechtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zu der Rechtslage zu äußern. Dazu gehört es, dass die Beteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag und auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommen kann (BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254). Dagegen verlangt das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor dem Erlass seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; denn ein Verfahrensbeteiligter muss schon von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen (vgl. BVerfGE 74, 1, 5; 86, 133, 145; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254; BGH GRUR 2000, 894 - Micro-PUR). Dementsprechend musste die Widersprechende im Streitfall damit rechnen, dass die Beurteilung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ebenso wie bereits bei der Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts im Mittelpunkt der Beschwerdeentscheidung stehen würde. Das Bundespatentgericht brauchte zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch nicht vorab darauf hinzuweisen , dass es den Streitfall anders beurteilte als das Deutsche Patent- und Markenamt (vgl. BVerfGE 74, 1, 5; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
14
Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn das Gericht erst nach einer angemessenen Frist entscheidet, innerhalb deren für die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Äußerung in der Sache besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.1996 - I ZB 8/96, GRUR 1997, 223, 224 = WRP 1997, 560 - Ceco; Beschl. v. 1.2.2000 - X ZB 27/98, GRUR 2000, 597, 598 = WRP 2000, 642 - Kupfer-NickelLegierung ). Dies war vorliegend aber der Fall. Das Bundespatentgericht hatte mit Schreiben vom 23. Januar 2003 darauf hingewiesen, dass es beabsichtigte, nach Ablauf eines Monats zur mündlichen Verhandlung zu laden oder in der Sache abschließend zu entscheiden.
15
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt der Umstand , dass die Markeninhaberin ihre Beschwerde nicht begründet hatte, keine gegenteilige Beurteilung. Das Bundespatentgericht hatte bereits in seinem Schreiben vom 23. Januar 2003 - mehr als fünf Monate vor dem Erlass seiner mit der Rechtsbeschwerde angefochtenen Entscheidung - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Ablauf eines Monats eine abschließende Entscheidung in der Sache ergehen könnte. Die Widersprechende durfte daher keineswegs darauf vertrauen, dass sie spätestens in einer mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben würde, ergänzend vorzutragen und Rechtsausführungen zu machen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/00, GRUR 2003, 1067 = WRP 2003, 1444 - BachBlüten Ohrkerze).
16
Allerdings ist es grundsätzlich sinnvoll, einen im Verfahren bislang noch nicht näher behandelten Widerspruchsgrund, dessen Erörterung dem Bundespatentgericht - wie vorliegend seine Ausführungen in dem mit der Rechtsbeschwerde angefochtenen Beschluss zeigen - als erheblich erscheint, zum Gegenstand einer mündlichen Verhandlung zu machen.
17
2. Das Bundespatentgericht hat jedoch dadurch, dass es seine Entscheidung ohne rechtlichen Hinweis auf den weder vom Deutschen Patent- und Mar- kenamt noch von den Verfahrensbeteiligten angesprochenen Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Agentenmarke) gestützt hat, die Verfahrensrechte der Widersprechenden verletzt und gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG erfordert - wie bereits ausgeführt wurde (vgl. zu vorstehend 1. b) bb)) - insbesondere, dass die Beteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag und auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommen kann. Für die Parteien war es überraschend, dass das Bundespatentgericht angenommen hat, der Angriff der Widersprechenden gegen die Streitmarke sei im Hinblick auf den Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG begründet. Die Frage, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts auf dem in dieser Hinsicht gegebenen Verfahrensmangel beruht, braucht jedoch nicht entschieden zu werden , weil der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss jedenfalls aus den zu nachstehend 3. dargestellten Gründen keinen Bestand hat.
18
3. Das Bundespatentgericht hat den Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Kollision der eingetragenen Marke mit einer älteren Marke) zu Unrecht verneint.
19
a) Die Markeninhaberin hat die rechtserhaltende Benutzung der länger als fünf Jahre eingetragenen Widerspruchsmarke bestritten (§ 116 Abs. 1 i.V. mit § 43 Abs. 1, § 115 Abs. 2 MarkenG). Das Bundespatentgericht hat eine rechtserhaltende Benutzung während der letzten fünf Jahre vor seiner Entscheidung nicht als glaubhaft gemacht angesehen. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG - abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Grundsatz, dass der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist - dem Beibringungs- und Ver- handlungsgrundsatz unterliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - I ZB 9/96, GRUR 1998, 938, 939 = WRP 1998, 993 - DRAGON).
20
b) Anders als im Verletzungsverfahren und im Löschungsverfahren ist die rechtserhaltende Benutzung in den Fällen des § 43 MarkenG nicht gemäß § 286 ZPO voll zu beweisen, sondern lediglich i.S. des § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Der insoweit zu führende Nachweis ist bereits dann als erbracht anzusehen , wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts spricht (vgl. BGHZ 156, 139, 142 m.w.N.). Davon bleibt unberührt, dass in dieser Hinsicht der Widersprechende die Verantwortung für die vollständige Glaubhaftmachung trägt und verbleibende Zweifel zu seinen Lasten gehen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL, m.w.N.; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 43 Rdn. 26).
21
c) Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (EuGH, Urt. v. 11.3.2003 -Rs. C-40/01, Slg. 2003, I-2439 = GRUR 2003, 425 Rdn. 43 - Ansul/Ajax).
22
d) An diesem Maßstab gemessen hat das Bundespatentgericht die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu Unrecht als nicht hinreichend glaubhaft gemacht angesehen.
23
aa) Die Widersprechende hat sich zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke u.a. auf die jährlich bzw. monatlich erscheinenden Sammlungen von Umfrageergebnissen in den Druckschriften "The Gallup Poll - Public Opinion" und "The Gallup Poll - Monthly Magazine" gestützt. Das Bundespatentgericht ist insoweit mit Recht davon ausgegangen, dass eine titelmäßige Verwendung eines Zeichens für seine rechtserhaltende Benutzung genügen kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2003 - I ZR 171/00, GRUR 2003, 440, 441 = WRP 2003, 644 - Winnetous Rückkehr; Ingerl/Rohnke aaO § 26 Rdn. 35). Das ist hier hinsichtlich der in Rede stehenden Druckschriften der Fall. Der Verkehr versteht "GALLUP" als Herkunftshinweis auch zur Unterscheidung der so betitelten Druckschriften von Druckschriften anderer Unternehmen. Es besteht im Übrigen kein Anlass zu zweifeln, dass die Widersprechende der Benutzung ihrer Marke durch ihre Konzernmutter gemäß § 26 Abs. 2 MarkenG zugestimmt hat.
24
Seiner Annahme, eine ernsthafte Benutzung sei deshalb nicht gegeben, weil die beiden Druckschriften in Deutschland lediglich von zehn Bibliotheken regelmäßig bezogen würden, kann nicht zugestimmt werden. Hierbei bleibt unberücksichtigt , dass es für die betreffenden Druckschriften nach der Natur der Sache nur einen sehr speziellen Abnehmerkreis gibt. Es kann deshalb aus der geringen Auflage nicht auf eine bloße Scheinbenutzung geschlossen werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass die beiden Zeitschriften nach der von der Widersprechenden vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihrer Operation Managerin über die ISBN-Nummer in Buchhandlungen zu erhalten sind.

25
bb) Nicht entschieden zu werden braucht die Frage, ob die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Zeitraum allein schon im Hinblick auf die zu vorstehend aa) dargestellten Umstände zu bejahen wäre. Es kommt nämlich noch hinzu, dass sich die Widersprechende zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke des Weiteren insbesondere auf den Titel der Zeitschrift "THE GALLUP REVIEW" bezogen hat. Das Bundespatentgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch insoweit keine Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke vorliegt. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung kann aber nicht mit der vom Bundespatentgericht gegebenen Begründung verneint werden, die unentgeltliche Verteilung einer Kundenzeitschrift an aktuelle und potentielle Unternehmenskunden stelle keine Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr dar. Für die Beurteilung einer rechtlich relevanten Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr kommt es in der Regel nicht darauf an, ob die so gekennzeichnete Ware gegen Entgelt vertrieben wird. Eine davon abweichende Sicht käme nur dann in Betracht, wenn der unentgeltliche Vertrieb keinen Bezug zu einer geschäftlichen Tätigkeit aufwiese und sonach allenfalls "symbolischen" Charakter hätte. Davon kann bei einer an 500 aktuelle oder potentielle Kunden gerichteten Direktwerbung schon deshalb keine Rede sein, weil die von den umworbenen Kunden akquirierten Aufträge zu Meinungsumfragen jeweils einen erheblichen Umfang haben. Es kommt hinzu, dass das werbende Unternehmen eine auch international nicht unbedeutende Stellung auf dem Gebiet der Meinungsforschung hat.
26
4. Auf die vom Bundespatentgericht zum Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Agentenmarke) aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es sonach nicht mehr an.
27
IV. Danach war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr zurückzuverweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.06.2003 - 33 W(pat) 205/01 -

(1) Sind an dem Verfahren mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Bestimmung kann auch getroffen werden, wenn der Beteiligte die Rechtsbeschwerde, die Anmeldung der Marke, den Widerspruch oder den Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit ganz oder teilweise zurücknimmt oder wenn die Eintragung der Marke wegen Verzichts oder wegen Nichtverlängerung der Schutzdauer ganz oder teilweise im Register gelöscht wird. Soweit eine Bestimmung über die Kosten nicht getroffen wird, trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst.

(2) Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(3) Dem Präsidenten oder der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er oder sie die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(4) Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) entsprechend.