Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2005 - I ZB 38/04

bei uns veröffentlicht am04.05.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 38/04
vom
4. Mai 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2005 durch die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Dezember 2004 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 12.219,63 € festgesetzt.

Gründe:


I. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2004 abgewiesen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 18. August 2004 in einer Ausfertigung zugestellt worden, bei der am rechten Seitenrand einzelne Buchstaben und teilweise auch ganze Wörter fehlten. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, denen eine in gleicher Weise mängelbehaftete Urteilsausfertigung zugestellt worden ist, haben diese unter Hinweis auf den Mangel an das Landgericht zurückgereicht. Dessen Geschäftsstelle hat daraufhin beiden Par-
teien eine berichtigte Ausfertigung des Urteils vom 28. Juli 2004 zugestellt. Das beigefügte Begleitschreiben vom 26. August 2004 endete mit dem Hinweis, daß die zuerst erteilte fehlerhafte Ausfertigung als gegenstandslos betrachtet werden könne.
Die Klägerin, der die berichtigte Ausfertigung am 31. August 2004 förmlich zugestellt worden ist, hat gegen das Urteil am Montag, den 20. September 2004 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2004, der an diesem Tag als Faxschreiben beim Berufungsgericht eingegangen ist, begründet. Der Vorsitzende des Berufungssenats hat die Klägerin darauf hingewiesen , daß hinsichtlich der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist Bedenken bestünden. Die Klägerin hat daraufhin mit am 15. November 2004 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Beschluß vom 10. Dezember 2004 hat das Berufungsgericht der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung versagt und deren Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II. Das Berufungsgericht hat die Berufung für unzulässig erachtet, weil sie nicht innerhalb der schon durch die erste Zustellung des angefochtenen Urteils am 18. August 2004 in Lauf gesetzten Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten begründet worden sei und auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Erfolg habe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Zustellung einer berichtigungsbedürftigen Urteilsausfertigung setze die an sie geknüpften Notfristen im Fall der späteren Zustellung einer berichtigten Ausfertigung nur dann nicht in Lauf, wenn erst die Berichtigung eine Be-
schwer erkennbar mache oder die Mängel insgesamt so schwerwiegend oder essentiell seien, daß die unberichtigte Fassung der Partei keine taugliche Grundlage für die Entschließung biete, ob ein Rechtsmittel einzulegen sei. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Die für die Beurteilung, ob überhaupt ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege, erforderlichen Formalien des Urteils seien völlig beanstandungsfrei. Der Tenor sei trotz des Fehlens von Buchstaben leicht, zweifelsfrei und vollständig verständlich. Das Verständnis des Tatbestands und der Entscheidungsgründe sei zwar stellenweise wegen der fehlenden Buchstaben erschwert, aber selbst an diesen Stellen keineswegs vereitelt. Der Umstand, daß die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die fehlerhafte Ausfertigung in ihrem Entschuldigungsschreiben als gegenstandslos bezeichnet habe, habe die wirksame und den Fristenlauf auslösende Zustellung nicht ungeschehen machen können. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist schuldhaft gehandelt habe. Diesem hätte es oblegen, beim Verfassen der Berufungsschrift die Berechnung der in der Akte von der Kanzleiangestellten vermerkten Fristen zu überprüfen. Eine solche Prüfung hätte entweder zur Klärung der Rechtslage oder zumindest zu Zweifeln an der (fehlerhaften) Fristberechnung geführt. Bei der dann gebotenen Wahl des sichersten Weges wäre entweder die Berufungsbegründungsfrist eingehalten oder rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Frist gestellt worden.
III. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ZPO).
IV. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht versagt.
1. Das Berufungsgericht hat mit Recht und von der Rechtsbeschwerde unangegriffen angenommen, daß das Fehlen von Buchstaben und (kurzen) Wörtern das Verständnis des Tatbestands und der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zwar stellenweise erschwert, aber nicht vereitelt und daher die Wirksamkeit der am 18. August 2004 erfolgten ersten Zustellung unberührt gelassen habe (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2000 - V ZB 48/99, NJW-RR 2000, 1665, 1666; Beschl. v. 24.1.2001 - XII ZB 75/00, NJW 2001, 1653, 1654, jeweils m.w.N.).
2. Der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht kein der Klägerin zurechenbares Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) ihres Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist entgegen.
Mit seiner gegenteiligen Ansicht überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Dessen irrige Annahme, erst die zweite Zustellung habe die Berufungsbegründungsfrist in Lauf gesetzt, weil die erste Zustellung unwirksam gewesen sei, ist in erster Linie durch die vom Gericht veranlaßte erneute Zustellung des Urteils ausgelöst worden. Ein solcher Irrtum gereicht ihm nicht zum Verschulden. Die erneute Zustellung des Urteils mußte den Eindruck erwecken, das Gericht habe die erste Zustellung als unwirksam angesehen, da nur in diesem Fall Veranlassung bestand, das Urteil nochmals zuzustellen. Wenn aber das Gericht eine zweite Zustellung als notwendig ansah, durfte der Anwalt darauf vertrauen, daß es sich bei der erneuten Zustellung um eine sinnvolle Maßnahme handelte, und davon ausgehen, daß erst diese Zustellung die Berufungsbegründungsfrist
in Lauf gesetzt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.1994 - IV ZB 12/94, VersR 1995, 680, 681).
Dies gilt hier um so mehr, als die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei der zweiten Zustellung in einem Begleitschreiben ausdrücklich bat, die Mängel der ersten Ausfertigung zu entschuldigen, und dazu erklärte, die zuerst erteilte Ausfertigung könne als gegenstandslos betrachtet werden. Mit Rücksicht auf die Zuständigkeit eines Urkundsbeamten im Bereich der Zustellung konnte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin auf diese Erklärung in gleicher Weise vertrauen wie auf eine durch einen Richter veranlaßte Erklärung über die Wirksamkeit einer Zustellung (vgl. BGH VersR 1995, 680, 681).
Die erneute Zustellung des landgerichtlichen Urteils ist nicht durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin veranlaßt worden, sondern durch den Prozeßbevollmächtigten der Gegenpartei. Es ist nicht einmal ersichtlich, daß
dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin das Schreiben des Beklagtenvertreters mitgeteilt worden ist, mit dem dieser die ihm zuerst zugestellte Urteilsausfertigung zurückgereicht und um die Übersendung eines vollständigen Urteils gebeten hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt der vorliegende Fall deshalb anders als der Sachverhalt, über den der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch Beschluß vom 13. April 2000 (V ZB 48/99, NJW-RR 2000, 1665 f.) entschieden hat.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 48/99
vom
13. April 2000
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. April 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 250.000 DM

Gründe:

I.

Die Ausfertigung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 21. Juni 1999 zugestellt. Darin waren auf Seite 7 die letzten Buchstaben jeder Zeile nicht lesbar. Deshalb sandte der Klägervertreter mit Schreiben vom 30. Juni 1999 die Ausfertigung an das Landgericht zurück und beantragte die erneute förmliche Zustellung einer "vollständigen Ausfertigung" des Urteils. Sie erfolgte am 5. Juli 1999. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts ging am 27. Juli 1999 bei dem Oberlandesgericht ein.
Die Klägerin hält die Berufungsfrist für gewahrt; hilfsweise begehrt sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist. Dazu hat sie vorgetragen:
Nach Auffassung ihres Prozeßbevollmächtigten und des Korrespondenzanwalts begann der Lauf der Berufungsfrist mit der zweiten Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 5. Juli 1999. Sie habe die Wirkung gehabt, daß die erste Zustellung gegenstandslos geworden sei. Das Landgericht habe offensichtlich gewollt, daß die erste Zustellung für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist nicht ausreichte. Ihr Prozeßbevollmächtigter und der Korrespondenzanwalt seien sich unmittelbar nach der ersten Zustellung darüber im klaren gewesen , daß für den Fall, daß die Beanstandung vom Landgericht nicht geteilt werden würde, auf jeden Fall rechtzeitig nach der ersten Zustellung Berufung eingelegt werden müsse, um ganz sicher zu gehen. Nach der zweiten Zustellung seien sie der Auffassung gewesen, daß die erste Zustellung gegenstandslos bzw. aufgehoben worden sei, so daß der Lauf der Berufungsfrist erneut in Gang gesetzt worden wäre. Das Landgericht habe die erste Urteilsausfertigung einbehalten und damit zweifelsfrei die Aufhebung der ersten Zustellung gewollt. Anderenfalls hätte es die zweite Ausfertigung formlos übersenden müssen. In diesem Fall hätte die erste bereits notierte Berufungsfrist zur Anfechtung des Urteils eingehalten werden können.
Mit Beschluß vom 3. November 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin , mit der sie ihre Rechtsansicht zur Wahrung der Berufungsfrist wiederholt
und zusätzlich meint, ihrem Prozeßbevollmächtigten falle kein Verschulden zur Last.

II.


Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin verworfen, weil sie verspätet eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.
1. Mit der am 21. Juni 1999 erfolgten Zustellung der Urteilsausfertigung begann für die Klägerin die Berufungsfrist zu laufen.
Für die Wirksamkeit der Urteilszustellung als Voraussetzung des Beginns der Berufungsfrist kommt es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zugestellten Ausfertigung an; sie muß die Urschrift wortgetreu und vollständig wiedergeben, wobei kleine Fehler nicht schaden, wenn der Zustellungsempfänger aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und insbesondere den Umfang seiner Beschwer erkennen kann (BGH, Beschl. v. 23. April 1980, VIII ZB 6/80, VersR 1980, 771, 772; BGH, Beschl. v. 3. Februar 1987, VI ZB 17/86, BGHR ZPO § 170 Abs. 1 Urteilsausfertigung 1). Da hier, anders als in der in BGHZ 138, 166 ff abgedruckten Entscheidung des Bundesgerichtshofes , auf welche die Klägerin ihre sofortige Beschwerde auch stützt, eine alle Seiten der Urschrift enthaltende Ausfertigung zugestellt wurde, ist allein ihr Inhalt maßgeblich. Ihm muß ein mit dem Streitstoff Vertrauter die tragenden Entscheidungsgründe entnehmen können. Das ist hier ohne weiteres möglich. Die auf Seite 7 in jeder Zeile fehlenden Buchstaben führen nicht einmal dazu,
daß die nicht vollständig lesbaren Sätze unverständlich sind. Erst recht lassen sie keinen Zweifel an der gesamten Begründung des Urteils aufkommen.
Die Wirksamkeit der Zustellung vom 21. Juni 1999 entfällt nicht etwa wegen der Rückgabe der Ausfertigung an das Landgericht durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Er hat von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis genommen und seinen Willen, es als zugestellt anzusehen, durch Unterzeichnung und Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zum Ausdruck gebracht. Damit war der Zustellungsvorgang abgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Mai 1993, XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214) und ein Widerruf nicht mehr möglich.
Schließlich setzte die erneute Zustellung am 5. Juli 1999 auch keine neue Rechtsmittelfrist in Gang (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Dezember 1986, VIII ZB 47/86, VersR 1987, 680).
2. Der Gewährung von Wiedereinsetzung in den v origen Stand steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ein der Klägerin zurechenbares Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten entgegen (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Er hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Lauf der Berufungsfrist nach dem Zeitpunkt der ersten Zustellung berechnen müssen. Anders als in den Fällen, in denen die erneute Urteilszustellung vom Gericht ohne Zutun der Parteivertreter als notwendig angesehen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1986, VI ZB 8/86, VersR 1987, 258; Beschl. v. 26. Oktober 1994, IV ZB 12/94, VersR 1995, 680), konnte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hier nicht ohne weiteres den Eindruck gewinnen, das Landgericht habe die erste Zustellung als unwirksam angesehen. Denn er selbst war es, der die Ur-
kundsbeamtin der Geschäftsstelle zu der - unnötigen - erneuten Zustellung veranlaßt hat. Sie ist kein Umstand, der ein Verschulden an der Fristversäumung ausschließt. Zumindest führte sie zu einer zweifelhaften Rechtslage, bei der der Prozeßbevollmächtigte den s ichersten zur Verfügung stehenden Weg wählen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 1974, IV ZB 50/73, VersR 1974, 751, 752; Beschl. v. 17. Dezember 1986, VIII ZB 47/86, VersR 1987, 680; Beschl. v. 25. Januar 1989, VIII ZB 37/88, VersR 1989, 530, 531) und von der Wirksamkeit der ersten Zustellung ausgehen mußte.
Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Krüger Klein Lemke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 75/00
vom
24. Januar 2001
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Zustellung einer von der Urschrift abweichenden
Ausfertigung die Rechtsmittelfrist in Lauf setzt.
BGH, Beschluß vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - OLG Hamm
AG Essen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke

beschlossen:
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. März 2000 wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen. Beschwerdewert: 5.000 DM

Gründe:


I.

Die Beteiligten zu 3 und 4 zeichneten als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder in deren Namen Kommanditbeteiligungen an einem Flugzeug-LeasingFonds mit Einlagen von je 430.000 DM. Den Antrag, dieses Geschäft familiengerichtlich zu genehmigen, wies das Amtsgericht ab. Die dagegen am 14. Januar 2000 eingelegte (befristete) Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Monats seit Einlegung begründet worden sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

1. Das Rechtsmittel hat aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses keinen Erfolg. Die befristete Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß des Amtsgerichts ist unzulässig, weil sie nicht gemäß §§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 621 Abs. 1 Nr. 1, 519 ZPO innerhalb eines Monats nach Einlegung begründet worden ist. Ihr Rechtsmittel gegen den Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagenden Beschluß des Oberlandesgerichts haben die Antragsteller inzwischen zurückgenommen (XII ZB 96/00). 2. Der Ansicht der weiteren Beschwerde, der ablehnende Beschluß des Amtsgerichts sei mangels Unterzeichnung der endgültigen Fassung der Entscheidung ein Scheinbeschluß und habe daher - unabhängig von der Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels - von Amts wegen aufgehoben werden müssen (vgl. BGH, Beschluß vom 3. November 1994 - LwZB 5/94 - NJW 1995, 404), vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat nicht lediglich einen Entscheidungsentwurf unterschrieben. Es trifft zwar zu, daß die von ihr unterschriebene Fassung des Beschlusses im Begründungsteil - bei der Wiedergabe des eingeholten Sachverständigengutachtens - an zwei Stellen Kanzleianweisungen enthält, nämlich: "Als allgemeine Risiken nennt der Sachverständige zunächst das Mitunternehmerrisiko , daß ... einr. wie Bl. 17 ( )" und
"Ein weiteres Risiko ist, daß eine Nachschußpflicht der Anleger beschlossen werden kann, da ... einr. wie Bl. 18 ( )". Die im Gutachten auf Bl. 17 und 18 der Akten durch handschriftlich eingesetzte Klammern gekennzeichneten Passagen lauten: ... "die Fondsgesellschaft mit ihren Forderungen auf künftige Zahlungen aus der Vermietung und anschließenden Veräußerung des Flugzeuges ausfallen kann" und ... "bei Zeichnung eines sehr hohen Gesellschaftsanteils durch einen einzelnen Anleger oder der Plazierungsgarant [B. Fonds GmbH], soweit dieser auf einen entsprechenden hohen Kapitalanteil in Anspruch genommen wird, die Gesellschaft majorisieren können."
b) Ohne Erfolg beruft die weitere Beschwerde sich insoweit auf die Entscheidungen OLG Celle FamRZ 1990, 419, OLG Celle NJW-RR 1990, 123 f und OLG Köln MDR 1990, 346, die einen vom Richter unterzeichneten Vordruck , der aus einer Vielzahl von Textbausteinen und allgemeinen Kanzleianweisungen besteht, nicht als ordnungsgemäße Entscheidungsurschrift ansehen. Mit dem vorliegenden Sachverhalt ist dies nicht vergleichbar. Insbesondere enthält die von der Rechtspflegerin unterzeichnete Urschrift des Beschlusses sämtliche Bestandteile, deren er in entsprechender Anwendung des § 313 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 22. Aufl. § 329 Rdn. 23) bedarf, und der wesentliche Inhalt des Beschlusses ergibt sich nicht etwa aus einer nicht unterschriebenen Anlage, sondern aus der unterzeichneten Urschrift selbst
(vgl. hingegen OLG Karlsruhe Justiz 1992, 409). Die in ihr niedergelegten Entscheidungsgründe wären zudem auch ohne die beiden angeordneten (kurzen) Textergänzungen ausreichend und aus sich heraus verständlich gewesen, denn bei der Wiedergabe des Sachverständigengutachtens hätte der Hinweis genügt, daß der Sachverständige neben dem Mitunternehmerrisiko auch das Risiko einer Nachschußpflicht bejaht, ohne daß es des zusätzlichen Referats der Umstände bedurft hätte, aufgrund derer der Sachverständige diese Risiken als gegeben ansah. Somit erweisen sich die von der Kanzlei zu ergänzenden Passagen nicht als eigenständige weitere Begründung der Entscheidung, sondern dienten ersichtlich nur dem Zweck, den Adressaten der Entscheidung die Mühe zu ersparen, die Einzelbegründungen des Sachverständigen dem ihnen vorliegenden Gutachten zu entnehmen. Diese Urschrift stellt auch nach der Intention der Rechtspflegerin die endgültige Entscheidung und nicht nur deren Entwurf dar, wie sich aus ihrer Unterschrift (vgl. BGHZ 137, 49, 51; Schellhammer, Zivilprozeß 5. Aufl. Rdn. 828; für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. Rdn. 19 b vor § 8 - 18) nebst beigefügtem Datum und der nachfolgenden Verfügung vom selben Tage ergibt, Ausfertigungen hiervon (und nicht erst von einer noch zu unterzeichnenden Reinschrift) an die Beteiligten zuzustellen.
c) Die genannten Auslassungen der bei den Akten befindlichen Urschrift des Beschlusses stehen der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen. Zwar muß die zum Zweck der Zustellung erstellte Ausfertigung die Urschrift im wesentlichen wortgetreu und richtig wiedergeben (vgl. Senatsbeschluß vom 30. Mai 1990 - XII ZB 33/90 - BGHR ZPO § 317 Abs. 1 Urteilsausfertigung 1 m.N.; BGH, Beschluß vom 27. Mai 1992 - VIII ZB 9/92 - [JURIS]). Abgesehen davon, daß der Senat diese Voraussetzung hier als erfüllt ansieht, kommt es
aber für die Frage der Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an; bei Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung ist allein die Ausfertigung maßgeblich, weil sie allein nach außen in Erscheinung tritt und die beschwerte Partei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muß (vgl. BGHZ 67, 284, 288; RGZ 82, 422, 424; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 315 Rdn. 15 f.). Allenfalls schwerwiegende Mängel der Ausfertigung wie etwa Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung in wesentlichen Punkten machen die Zustellung unwirksam (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 1981 - IVb ZB 805/81 - VersR 1982, 70; BGH, Beschluß vom 27. Mai 1992 aaO). Von einem schwerwiegenden Mangel der Ausfertigung kann hier schon deshalb nicht die Rede sein, weil diese den nach der unzweideutigen Anweisung der Rechtspflegerin zutreffend vervollständigten Text enthält und aus sich heraus keinerlei Mängel erkennen läßt. Insbesondere war die zugestellte Ausfertigung formell und inhaltlich geeignet, den Antragstellern die Entschließung über die Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels zu ermöglichen (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 1981 aaO), weil sie die getroffene Entscheidung und ihre Begründung vollständig und zutreffend wiedergibt. Blumenröhr Krohn Gerber
Sprick Weber-Monecke

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 48/99
vom
13. April 2000
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. April 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 250.000 DM

Gründe:

I.

Die Ausfertigung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 21. Juni 1999 zugestellt. Darin waren auf Seite 7 die letzten Buchstaben jeder Zeile nicht lesbar. Deshalb sandte der Klägervertreter mit Schreiben vom 30. Juni 1999 die Ausfertigung an das Landgericht zurück und beantragte die erneute förmliche Zustellung einer "vollständigen Ausfertigung" des Urteils. Sie erfolgte am 5. Juli 1999. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts ging am 27. Juli 1999 bei dem Oberlandesgericht ein.
Die Klägerin hält die Berufungsfrist für gewahrt; hilfsweise begehrt sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist. Dazu hat sie vorgetragen:
Nach Auffassung ihres Prozeßbevollmächtigten und des Korrespondenzanwalts begann der Lauf der Berufungsfrist mit der zweiten Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 5. Juli 1999. Sie habe die Wirkung gehabt, daß die erste Zustellung gegenstandslos geworden sei. Das Landgericht habe offensichtlich gewollt, daß die erste Zustellung für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist nicht ausreichte. Ihr Prozeßbevollmächtigter und der Korrespondenzanwalt seien sich unmittelbar nach der ersten Zustellung darüber im klaren gewesen , daß für den Fall, daß die Beanstandung vom Landgericht nicht geteilt werden würde, auf jeden Fall rechtzeitig nach der ersten Zustellung Berufung eingelegt werden müsse, um ganz sicher zu gehen. Nach der zweiten Zustellung seien sie der Auffassung gewesen, daß die erste Zustellung gegenstandslos bzw. aufgehoben worden sei, so daß der Lauf der Berufungsfrist erneut in Gang gesetzt worden wäre. Das Landgericht habe die erste Urteilsausfertigung einbehalten und damit zweifelsfrei die Aufhebung der ersten Zustellung gewollt. Anderenfalls hätte es die zweite Ausfertigung formlos übersenden müssen. In diesem Fall hätte die erste bereits notierte Berufungsfrist zur Anfechtung des Urteils eingehalten werden können.
Mit Beschluß vom 3. November 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin , mit der sie ihre Rechtsansicht zur Wahrung der Berufungsfrist wiederholt
und zusätzlich meint, ihrem Prozeßbevollmächtigten falle kein Verschulden zur Last.

II.


Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin verworfen, weil sie verspätet eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.
1. Mit der am 21. Juni 1999 erfolgten Zustellung der Urteilsausfertigung begann für die Klägerin die Berufungsfrist zu laufen.
Für die Wirksamkeit der Urteilszustellung als Voraussetzung des Beginns der Berufungsfrist kommt es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zugestellten Ausfertigung an; sie muß die Urschrift wortgetreu und vollständig wiedergeben, wobei kleine Fehler nicht schaden, wenn der Zustellungsempfänger aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und insbesondere den Umfang seiner Beschwer erkennen kann (BGH, Beschl. v. 23. April 1980, VIII ZB 6/80, VersR 1980, 771, 772; BGH, Beschl. v. 3. Februar 1987, VI ZB 17/86, BGHR ZPO § 170 Abs. 1 Urteilsausfertigung 1). Da hier, anders als in der in BGHZ 138, 166 ff abgedruckten Entscheidung des Bundesgerichtshofes , auf welche die Klägerin ihre sofortige Beschwerde auch stützt, eine alle Seiten der Urschrift enthaltende Ausfertigung zugestellt wurde, ist allein ihr Inhalt maßgeblich. Ihm muß ein mit dem Streitstoff Vertrauter die tragenden Entscheidungsgründe entnehmen können. Das ist hier ohne weiteres möglich. Die auf Seite 7 in jeder Zeile fehlenden Buchstaben führen nicht einmal dazu,
daß die nicht vollständig lesbaren Sätze unverständlich sind. Erst recht lassen sie keinen Zweifel an der gesamten Begründung des Urteils aufkommen.
Die Wirksamkeit der Zustellung vom 21. Juni 1999 entfällt nicht etwa wegen der Rückgabe der Ausfertigung an das Landgericht durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Er hat von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis genommen und seinen Willen, es als zugestellt anzusehen, durch Unterzeichnung und Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zum Ausdruck gebracht. Damit war der Zustellungsvorgang abgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Mai 1993, XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214) und ein Widerruf nicht mehr möglich.
Schließlich setzte die erneute Zustellung am 5. Juli 1999 auch keine neue Rechtsmittelfrist in Gang (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Dezember 1986, VIII ZB 47/86, VersR 1987, 680).
2. Der Gewährung von Wiedereinsetzung in den v origen Stand steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ein der Klägerin zurechenbares Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten entgegen (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Er hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Lauf der Berufungsfrist nach dem Zeitpunkt der ersten Zustellung berechnen müssen. Anders als in den Fällen, in denen die erneute Urteilszustellung vom Gericht ohne Zutun der Parteivertreter als notwendig angesehen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1986, VI ZB 8/86, VersR 1987, 258; Beschl. v. 26. Oktober 1994, IV ZB 12/94, VersR 1995, 680), konnte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hier nicht ohne weiteres den Eindruck gewinnen, das Landgericht habe die erste Zustellung als unwirksam angesehen. Denn er selbst war es, der die Ur-
kundsbeamtin der Geschäftsstelle zu der - unnötigen - erneuten Zustellung veranlaßt hat. Sie ist kein Umstand, der ein Verschulden an der Fristversäumung ausschließt. Zumindest führte sie zu einer zweifelhaften Rechtslage, bei der der Prozeßbevollmächtigte den s ichersten zur Verfügung stehenden Weg wählen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 1974, IV ZB 50/73, VersR 1974, 751, 752; Beschl. v. 17. Dezember 1986, VIII ZB 47/86, VersR 1987, 680; Beschl. v. 25. Januar 1989, VIII ZB 37/88, VersR 1989, 530, 531) und von der Wirksamkeit der ersten Zustellung ausgehen mußte.
Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Krüger Klein Lemke