Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2012 - EnVR 61/10

bei uns veröffentlicht am05.06.2012
vorgehend
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Kart 112/09, 21.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
EnVR 61/10
vom
5. Juni 2012
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2012 durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum,
Dr. Kirchhoff, Dr. Grüneberg und Dr. Bacher

beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Betroffenen gegen den Senatsbeschluss vom 31. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Januar 2012 die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben, nachdem die Betroffene mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011 ihre Rechtsbeschwerde zurückgenommen und unter Hinweis auf eine außergerichtliche Vereinbarung der Beteiligten eine entsprechende Kostenverteilung beantragt hat. Die von der Betroffenen mit Schriftsatz vom 3. Januar 2012 begehrte Einbeziehung der Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Senat in dem genannten Beschluss abgelehnt, weil es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle, nachdem der Beschluss des Beschwerdegerichts infolge der Rücknahme der Rechtsbeschwerde rechtskräftig geworden sei. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Gegenvorstellung. Sie bringt vor, mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011 nicht die Rechtsbeschwerde, sondern die Beschwerde zurückgenommen zu haben. Die zweimalige Verwendung des Begriffes "Rechtsbeschwer- de" sei eine offensichtliche Falschbezeichnung. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Inhalt der außergerichtlichen Vereinbarung der Beteiligten, in der auch die Kostenverteilung des Beschwerdeverfahrens geregelt worden sei.

II.


2
Die Gegenvorstellung der Betroffenen hat keinen Erfolg.
3
Die Betroffene hat mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011 ausdrücklich nur die Rechtsbeschwerde zurückgenommen. Dies ergibt sich aus der Überschrift dieses Schriftsatzes "Rücknahme der Rechtsbeschwerde" und der im weiteren Fließtext enthaltenen Prozesserklärung, die "beim BGH unter dem Az. EnVR 61/10 geführte Rechtsbeschwerde zurück(zunehmen)". Anhaltspunkte für eine missverständliche Formulierung oder gar eine offensichtliche Falschbezeichnung lagen danach nicht vor. Solche bestanden auch nicht im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Vereinbarung der Beteiligten, weil diese Vereinbarung dem genannten Schriftsatz nicht beigefügt war. Da die Rücknahme der Rechtsbeschwerde mit Eingang dieses Schriftsatzes beim Bundesgerichtshof am 24. Dezember 2011 wirksam geworden ist und die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels abgelaufen war, ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig geworden. Soweit die Betroffene mit Schriftsatz vom 3. Januar 2012 in die vom Senat zu erlassende Kostenentscheidung auch die Einbeziehung der Kosten des Beschwerdeverfahrens begehrt hat, war dies daher nicht mehr zulässig. Ob die von der Kostengrundentscheidung des Beschwerdegerichts abweichende materiell-rechtliche Kostenvereinbarung der Beteiligten bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02, NJW 2007, 1213, 1214), wird dort zu prüfen sein.
Tolksdorf Raum Kirchhoff
Grüneberg Bacher
Vorinstanzen:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.04.2010 - VI-3 Kart 112/09 (V) -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2006 - XII ZR 285/02

bei uns veröffentlicht am 11.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 285/02 vom 11. Oktober 2006 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 126 Abs. 1; RVG § 59 a) Nimmt der Revisionskläger die Revision zurück und verzichtet die Revisionsbeklagte a

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2012 - EnVR 61/10

bei uns veröffentlicht am 05.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS EnVR 61/10 vom 5. Juni 2012 in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2012 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf und die
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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2012 - EnVR 61/10

bei uns veröffentlicht am 05.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS EnVR 61/10 vom 5. Juni 2012 in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2012 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf und die

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 285/02
vom
11. Oktober 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Nimmt der Revisionskläger die Revision zurück und verzichtet die Revisionsbeklagte
auf die Kostenerstattung, so kommt ein Kostenerstattungsanspruch,
der von der Prozessbevollmächtigten der Revisionsbeklagten und - bei Gewährung
von Prozesskostenhilfe - von der Staatskasse geltend gemacht
werden könnte (§ 126 Abs. 1 ZPO, § 59 RVG), nicht zur Entstehung. Eine
spätere Kostengrundentscheidung, in welcher der Revisionskläger des
Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihm die Kosten des Revisionsverfahrens
auferlegt werden, ändert daran nichts.

b) Der Revisionskläger kann in einem solchen Fall seine fehlende Kostenerstattungspflicht
im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen, wenn die tatsächlichen
Voraussetzungen feststehen.
BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02 - KG
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat hat am 11. Oktober 2006 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und
Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die Erinnerung der Beklagten vom 3. Januar 2006 wird der Kostenansatz vom 18. Juli 2005 (Kostenrechnung vom 26. Juli 2005 Kassenzeichen 7800 5103 0310) aufgehoben. Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 66 Abs. 6 GKG).

Gründe:


I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das KG das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte - zugelassene - Revision eingelegt. Der Senat hat der Klägerin (notwendige) ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin S. beigeordnet. Später hat der Beklagte die Revision zurückgenommen. Der Senat hat den Beklagten mit Beschluss vom 23. März 2005 (antragsgemäß) des Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihm die Kosten auferlegt.
2
Nunmehr wendet sich der durch seine zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vertretene Beklagte mit der Erinnerung gegen den (die Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwältin betreffenden ) Kostenansatz und macht geltend, er sei nicht Kostenschuldner und folglich auch nicht zur Zahlung verpflichtet. Gemäß einer mit der Klägerin am 22. Februar 2005 getroffenen Vereinbarung habe er an diese 10.000 € gezahlt und sich verpflichtet, die Revision zurückzunehmen. Die Klägerin habe sich verpflichtet, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof keinen Kostenantrag zu stellen. Mit der Vereinbarung seien "sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien, egal aus welchem Rechtsgrund, beendet".

II.

3
Die Erinnerung ist begründet:
4
1. Der Beklagte war der Klägerin nicht kostenerstattungspflichtig. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin stand deshalb wegen ihrer Vergütung auch kein Anspruch (aus § 126 Abs. 1 ZPO) gegen den Beklagten zu, der mit der Befriedigung der Prozessbevollmächtigten (gemäß § 59 RVG) auf die Staatskasse übergegangen sein könnte.
5
a) Die Parteien haben vor der Rücknahme der Revision und der hierauf aufbauenden Kostengrundentscheidung des Senats auf "sämtliche wechselseitigen Ansprüche …, egal aus welchem Rechtsgrund" verzichtet. Hierzu zählt auch der sich aus der Rücknahme des Rechtsmittels ergebende Kostenerstattungsanspruch der Klägerin und Revisionsbeklagten gegen den Beklagten und Revisionskläger. Das folgt aus dem zitierten Wortlaut der Abrede, aber auch aus deren Zusammenhang mit Nr. 2 der Abrede, nach der sich die Klägerin und Revisionsbeklagte verpflichtet, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof keinen Kostenantrag zu stellen.
6
b) Die Kostengrundentscheidung des Senats hat einen solchen Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen lassen. Kostengrundentscheidungen sind allein nach Maßgabe der Vorschriften der ZPO über die Kostentragung - hier: nach § 269 Abs. 3 ZPO - zu treffen (BGHZ 5, 251, 258; Zöller/Herget ZPO 15. Aufl. vor § 91 Rdn. 14; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. vor § 91 Rdn. 19). Abweichende Vereinbarungen werden durch die Kostengrundentscheidung nicht berührt und müssen gegebenenfalls im Verfahren nach § 767 ZPO, dessen Absatz 2 insoweit keine Anwendung findet, oder ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. dazu unter 2.) geltend gemacht werden (Zöller/Herget aaO § 104 Rdn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen"; Thomas /Putzo/Hüßtege aaO § 104 Rdn. 13; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rdn. 12).
7
c) Die Wirksamkeit der von den Parteien getroffenen Abrede über die Kostentragung wird auch nicht durch entgegenstehende Rechte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin berührt. Zwar steht dem Anwalt nach § 126 Abs. 1 ZPO ein Beitreibungsrecht an dem seinem Mandanten gegen den Gegner erwachsenen Kostenerstattungsanspruch zu; auch können diesem Beitreibungsrecht des Anwalts gemäß § 126 Abs. 2 ZPO Einreden aus der Person der Partei nicht entgegengesetzt werden. Dies hindert jedoch nicht Abreden der Parteien, die dazu führen, dass ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen den Gegner erst gar nicht entsteht, und die deshalb ein Beitreibungsrecht des Anwalts aus § 126 ZPO von vornherein ausschließen (BGHZ aaO 258 f.; OLG Frankfurt NJW 1969, 144, 145; Zöller/Philippi aaO § 126 Rdn. 15; Thomas/Putzo/Reichold aaO § 126 Rdn. 7; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rdn. 12, 14; Stein/Jonas/Bork ZPO § 126 Rdn. 3, 6; anders für den Fall der Aufrechnung, vgl. etwa OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 420, 421).
8
So liegen die Dinge hier: Die Parteien haben schon vor der Kostengrundentscheidung eine Kostenerstattung ausgeschlossen. Damit ist ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht zur Entstehung gelangt. Das muss sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und in ihrer Rechtsnachfolge die Staatskasse entgegenhalten lassen (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - XII ZR 209/05 - FamRZ 2006, 853).
9
2. Der Beklagte kann seine fehlende Kostenerstattungspflicht auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen.
10
Zwar hat das Kostenfestsetzungsverfahren nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern. Deshalb sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ; für sie steht nur der Weg über § 775 Nr. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (Zöller/Herget aaO § 104 Rdn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen"; Thomas/Putzo/Hüßtege aaO § 104 Rdn. 13; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rdn. 12). Hiervon wird indes aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Einwendung feststehen (Zöller/Herget aaO § 104 Rdn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen" m.w.N.). Das ist hier - angesichts der vorgelegten notariellen Vereinbarung der Parteien - der Fall.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 30.01.2002 - 150 F 16264/99 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.10.2002 - 13 UF 71/02 -