Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2002 - BLw 15/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluß des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 22, der den Beteiligten zu 1 bis 21 auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 32.457
Gründe:
I.
M. N. war Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Olpe, Grundakten von R. Blatt 756 und 667 eingetragenen Hofes, zu dem ein Wohnhaus mit Nebengebäuden, 16 ha Grünland und 21 ha forstwirtschaftlich genutzte Waldflächen gehören. M. N. verstarb 1998. Die Beteiligten zu 1 bis 21 sind die Töchter und Söhne seiner vorverstorbenen Brüder. Der frühere Beteiligte zu 22, J. N. , war sein Bruder, der 2001 verstarb und von dem jetzigen Beteiligten zu 22, seinem Sohn, beerbt wurde.
Die Beteiligten zu 1 bis 21 haben die Feststellung beantragt, daß der landwirtschaftliche Grundbesitz kein Hof mehr im Sinne der Höfeordnung sei, daß der frühere Beteiligte zu 22 nicht wirtschaftsfähig sei und daß sich die Erbfolge somit nach allgemeinem Recht richte. Der frühere Beteiligte zu 22 hat sich dagegen gewandt und insbesondere die Feststellung verlangt, daß er Hoferbe geworden sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Anträgen der Beteiligten zu 1 bis 21 stattgegeben und die Anträge des früheren Beteiligten zu 22 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des jetzigen Beteiligten zu 22, der das Verfahren nach dem Tod seines Vaters fortführt, insoweit zurückgewiesen , als er die Feststellung begehrt, er sei Hoferbe geworden. Im übrigen hat es die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die – nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte zu 22 seine bisherigen Anträge weiterverfolgt. Die Beteiligten zu 1 bis 21 beantragen die Verwerfung bzw. Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Beschwerdegericht den Antrag, daß der Beteiligte zu 22 Hoferbe geworden sei, zurückgewiesen hat. Da das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat (§ 24 Abs. 1 LwVG) und hinsichtlich der Sachentscheidung kein Fall von § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG vorliegt, wäre sie nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG zulässig. Daran fehlt es jedoch.
a) Soweit der Beteiligte zu 22 meint, die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde lasse sich aus dem Umstand herleiten, daß das Beschwerdegericht sich mit der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts sachlich nicht auseinandergesetzt , sondern die Beschwerde lediglich aus formalen Gründen verworfen habe, trifft dies hinsichtlich der Frage, ob der Beteiligte zu 22 Hoferbe geworden ist, nicht zu. Vielmehr hat das Beschwerdegericht diese Frage aus Sachgründen, wenngleich im Verhältnis zur Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts aus unterschiedlichen Sachgründen, verneint. Diese Sachentscheidung kann mit der Rechtsbeschwerde nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 LwVG angefochten werden.
b) Soweit die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Beschwerdegericht stützt, ist ihr ebenfalls nicht zu folgen.
Zum einen eröffnet die Rüge, das Gericht habe das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, nach der ständigen – vom Bundesverfassungsgericht gebilligten – Rechtsprechung des Senats keine zusätzliche Instanz (Beschl. v. 27. Februar 1997, BLw 2/97, AgrarR 1997, 319 m.w.N.; vgl. auch BVerfG NJW 1982, 1454; BGH, Urt. v. 8. November 1994, XI ZR 35/94, NJW 1995, 403), sondern zur Vermeidung einer sonst möglichen Verfassungsbeschwerde nur die Möglichkeit einer Gegenvorstellung bei dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat (BVerfGE 72, 84, 88).
Zum anderen kann sich auf Art. 103 Abs. 1 GG nur berufen, wer im vorangegangenen Verfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerfGE 28, 10, 14; BGH, Urt. v. 8. November 1994, XI ZR 35/94 aaO). Der Umstand, in dem der Beteiligte zu 22 eine Verletzung seines aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Verfahrensgrundrechts erblickt, war für ihn in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht indes offenkundig, ohne daß er, anwaltlich vertreten, hier eine Rüge angebracht hätte. Vielmehr hat er im Anschluß an die Beweisaufnahme, die seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt haben soll, zum Ergebnis und zur Sache verhandelt, ohne eine Beeinträchtigung seiner Rechte zu rügen.
Schließlich fehlt es überhaupt an einer Verletzung der aus Art. 103 Abs. 1 GG fließenden Rechte. Die Frage der eigenen Wirtschaftsfähigkeit ist nach § 6 Abs. 6 HöfeO eine der Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über den Antrag des Beteiligten zu 22 auf Feststellung der Hoferbeneigenschaft. Der Beteiligte zu 22 mußte also damit rechnen, daß das Beschwerdegericht diese Voraussetzung prüfen werde. Dies gilt umso mehr, als bereits die Wirtschaftsfähigkeit seines Rechtsvorgängers angezweifelt und von dem
Landwirtschaftsgericht verneint worden war, obwohl dieser immerhin viele Jah- re in der Landwirtschaft tätig gewesen war. Auf eine solche Erfahrung konnte der Beteiligte zu 22 nicht verweisen. Schließlich konnte er sich auf eine Überprüfung seiner Wirtschaftsfähigkeit auch zeitlich genügend einrichten, da die mündliche Verhandlung erst mehr als vier Monate nach dem Tod des früheren Beteiligten zu 22 stattfand. Von einer ihn überraschenden Situation, auf die er sich nicht habe vorbereiten können, kann somit keine Rede sein.
c) Im Gesetz vorgesehene Zulässigkeitsgründe werden von dem Beteiligten zu 22 nicht geltend gemacht.
2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den als unzulässig verworfenen Teil der sofortigen Beschwerde wendet, ist die Rechtsbeschwerde zwar nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 22 verneint, da dieser als Hoferbe – nach der nicht anfechtbaren Entscheidung des Beschwerdegerichts – ausscheidet (vgl. nur Senat, Beschl. v. 26. Oktober 1999, BLw 2/99, AgrarR 2000, 227, 228).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Wenzel Krüger Lemke
Annotations
(1) In der ersten Hoferbenordnung ist als Hoferbe berufen:
- 1.
in erster Linie der Miterbe, dem vom Erblasser die Bewirtschaftung des Hofes im Zeitpunkt des Erbfalles auf Dauer übertragen ist, es sei denn, daß sich der Erblasser dabei ihm gegenüber die Bestimmung des Hoferben ausdrücklich vorbehalten hat; - 2.
in zweiter Linie der Miterbe, hinsichtlich dessen der Erblasser durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof hat erkennen lassen, daß er den Hof übernehmen soll; - 3.
in dritter Linie der älteste der Miterben oder, wenn in der Gegend Jüngstenrecht Brauch ist, der jüngste von ihnen.
(2) In der zweiten Hoferbenordnung scheidet der Ehegatte als Hoferbe aus,
- 1.
wenn Verwandte der dritten und vierten Hoferbenordnung leben und ihr Ausschluß von der Hoferbfolge, insbesondere wegen der von ihnen für den Hof erbrachten Leistungen, grob unbillig wäre; oder - 2.
wenn sein Erbrecht nach § 1933 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlossen ist.
(3) In der dritten Hoferbenordnung ist nur derjenige Elternteil hoferbenberechtigt, von dem oder aus dessen Familie der Hof stammt oder mit dessen Mitteln der Hof erworben worden ist.
(4) Stammt der Hof von beiden Eltern oder aus beiden Familien oder ist er mit den Mitteln beider Eltern erworben und ist wenigstens einer der Eltern wirtschaftsfähig, so fällt der Hof den Eltern gemeinschaftlich als Ehegattenhof an. Lebt einer von ihnen nicht mehr, so fällt er dem anderen an. Ist die Ehe der Eltern vor dem Erbfall auf andere Weise als durch den Tod eines von ihnen aufgelöst worden, so scheiden sie als Hoferben aus.
(5) In der vierten Hoferbenordnung gilt Absatz 1 entsprechend. Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gehen die Geschwister vor, die mit dem Erblasser den Elternteil gemeinsam haben, von dem oder aus dessen Familie der Hof stammt.
(6) Wer nicht wirtschaftsfähig ist, scheidet als Hoferbe aus, auch wenn er hierzu nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 berufen ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn allein mangelnde Altersreife der Grund der Wirtschaftsunfähigkeit ist oder wenn es sich um die Vererbung an den überlebenden Ehegatten handelt. Scheidet der zunächst berufene Hoferbe aus, so fällt der Hof demjenigen an, der berufen wäre, wenn der Ausscheidende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte.
(7) Wirtschaftsfähig ist, wer nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsmäßig zu bewirtschaften.