Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2015 - AK 34/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Der Beschuldigte wurde am 2. Juli 2014 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 3. Juli 2014 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (1 BGs 162/14), neugefasst durch den Beschluss vom 16. Dezember 2014 (1 BGs 244/14) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in zwei Fällen für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, und dabei unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung von Geheimnissen besonders verpflichtet, Tat- sachen oder Erkenntnisse mitgeteilt, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden; in einem Fall habe er tateinheitlich hierzu als Amtsträger Vorteile für sich dafür angenommen, dass er - gewerbsmäßig handelnd und auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezogen - Diensthandlungen vorgenommen habe (Vergehen, strafbar nach § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 332 Abs. 1, § 335 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 und 3 StGB).
II.
- 2
- Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
- 3
- 1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
- 4
- a) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
- 5
- Der Beschuldigte, beim Bundesnachrichtendienst (BND) in der Zentralregistratur der Fachabteilung "Einsatzgebiete und Auslandsbeziehungen" (EA) beschäftigt, zur Verschwiegenheit verpflichtet und zum Zugang zu Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade bis einschließlich "STRENG GEHEIM amtlich geheimgehalten" berechtigt, nahm Anfang des Jahres 2010 per E-Mail Kontakt mit der US-amerikanischen Botschaft in Berlin auf und fragte an, ob dort Interesse an Informationen aus dem Sicherheitsbereich bestünde. Nachdem die amerikanische Seite dies bejaht hatte, übermittelte der Beschuldigte in der Folgezeit, beginnend noch im Jahr 2010 und endend unmittelbar vor seiner Festnahme, regelmäßig interne Dokumente des BND an einen USamerikanischen Geheimdienst. Dabei nutzte er ab Juni 2012 ein ihm bei einem Treffen mit seinem Kontaktmann beim US-amerikanischen Geheimdienst übergebenes Notebook, das mit einem Programm zum Empfang und Versand verschlüsselter Nachrichten ausgestattet war. Unter den mehr als 200 übermittelten Dokumenten des BND befanden sich auch solche der Geheimhaltungsstufe "STRENG GEHEIM - amtlich geheimgehalten". Schon Ende 2010 / Anfang 2011 übermittelte der Beschuldigte eine BND-interne Datenbank der Abteilung "Einsatzgebiete und Auslandsbeziehungen" (EA), die die Datensätze von ca. 3.500 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des BND enthielt. Sämtliche von ihm weitergegebenen Dokumente speicherte der Beschuldigte auf einem USB-Stick. Als Gegenleistung für seine Verratstätigkeit erhielt er bei Treffen mit seinem Kontaktmann oder über präparierte Verstecke einen Agentenlohn von insgesamt ca. 75.000 € in bar. Einen Teilbetrag von ungefähr 40.000 € übergab der Beschuldigte seinem Vater, der das Geld sodann jeweils unter Angabe vorgetäuschter Verwendungszwecke auf das Konto des Beschuldigten einzahlte. Den Restbetrag zahlte dieser selbst ein oder verbrauchte das Geld unmittelbar für sich.
- 6
- Am 28. Mai 2014 übermittelte der Beschuldigte per E-Mail drei interne Papiere des BND an das russische Generalkonsulat in München und bot in der Erwartung, dass die Nachricht an einen russischen Geheimdienst weitergeleitet werden würde, an, zukünftig weitere Informationen zu liefern. Er wollte sich dadurch eine weitere Einnahmequelle sichern, bekam jedoch in der Folgezeit Bedenken und löschte das zum Zweck der Kontaktaufnahme eingerichtete E-Mail-Konto, ohne eine Reaktion eines russischen Geheimdiensts erfahren zu haben.
- 7
- Wegen der weiteren Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2014 Bezug genommen.
- 8
- b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den inzwischen weitgehend geständigen Angaben des Beschuldigten, den Auswertungen der sichergestellten Computer und Speichermedien, den Finanzermittlungen und den Angaben von Zeugen. Im Vordergrund stehen dabei die mehr als 200 Dokumente des BND, die der Beschuldigte nach seinen geständigen Angaben an den US-amerikanischen Geheimdienst weitergegeben hat. Diese Dokumente waren vom Beschuldigten auf einem USB-Stick gespeichert worden, der bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt werden konnte und als Beweismittel zur Verfügung steht. Das Geständnis des Beschuldigten wird durch die bei der Auswertung der Computer gewonnenen Erkenntnisse über die Übermittlungswege und -zeiten der Daten untermauert. Die geständigen Einlassungen zu der Kontaktaufnahme mit dem russischen Generalkonsulat finden ihre Bestätigung in den Erkenntnissen des BND sowie in den auf dem USB-Stick vom Beschuldigten gespeicherten drei Dokumenten. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2014 sowie auf den Zwischenbericht des Bundeskriminalamts vom 22. Dezember 2014.
- 9
- 2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen, Fluchtanreiz bildenden Freiheitsstrafe zu rechnen. Wie im Haftbefehl des Ermittlungsrichters im Einzelnen dargelegt ist, könnte der Beschuldigte bei dem Unterfangen , sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, mit der Unterstützung US- amerikanischer Stellen rechnen. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
- 10
- 3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
- 11
- Das dem Beschuldigten durch den US-amerikanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellte Notebook der Marke ACER muss ausgewertet werden, was sich wegen der Verschlüsselung als technisch außerordentlich schwierig und zeitaufwändig erweist. Dies konnte noch nicht abgeschlossen werden. Gleiches gilt für die sachverständige Bewertung der verratenen Dokumente, die in Auftrag gegeben worden ist, um den Umfang des verursachten Verratsschadens festzustellen. Der Beschuldigte hat zwar den Tatvorwurf von Anfang an im Grundsatz eingeräumt, indes Einzelheiten, vor allem zur Dauer der Verratstätigkeit , zu den Kontakten mit dem Mitarbeiter des US-amerikanischen Geheimdiensts , zu seiner Entlohnung sowie zu der Verstrickung des Vaters in die Verschleierung der Geldzahlungen, erst im Verlauf mehrerer Nachvernehmungen und in dem Maße zugegeben, wie ihm jeweils Erkenntnisse aus den aufwändigen und noch andauernden Auswertungen der sichergestellten Datenspeicher, darunter dem Laptop der Marke LENOVO des Beschuldigten, sowie Erkenntnisse aus den Finanzermittlungen vorgehalten werden konnten.
- 12
- Das Verfahren ist danach bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
- 13
- 4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.
(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.
(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.
(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.
(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.
(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.
(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.
(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.
(1) Wer
- 1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder - 2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er
- 1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder - 2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.
(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.
(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.
(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,
(1) In besonders schweren Fällen wird
- 1.
eine Tat nach - a)
§ 332 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, und - b)
§ 334 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 3,
mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und - 2.
eine Tat nach § 332 Abs. 2, auch in Verbindung mit Abs. 3, mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren
(2) Ein besonders schwerer Fall im Sinne des Absatzes 1 liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht, - 2.
der Täter fortgesetzt Vorteile annimmt, die er als Gegenleistung dafür gefordert hat, daß er eine Diensthandlung künftig vornehme, oder - 3.
der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
- 1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, - 2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder - 3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde - a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder - b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder - c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).
(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- 1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden, - 2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen, - 3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen, - 4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
- 1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt, - 2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder - 3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.