Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - AK 25/19

bei uns veröffentlicht am05.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 25/19
vom
5. Juni 2019
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts des Werbens um Mitglieder einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050619BAK25.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 5. Juni 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 19. Juli 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof von diesem Tage (2 BGs 551/18) seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe durch 28 selbständige Handlungen in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) für die außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) um Mitglieder oder Unterstützer geworben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB), in fünf Fällen (Fälle 3 bis 7) eine Schrift, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, öffentlich zugänglich gemacht und vorrätig gehalten, um sie zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 3 StGB), und dabei tateinheitlich in vier Fällen (Fälle 4 bis 7) sowie in 21 weiteren Fällen (Fälle 8 bis 28) einem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG zuwider gehandelt und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot betroffenen Vereins verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 VereinsG).
3
Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren mit Verfügung vom 30. Juli 2018 gemäß § 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.
4
Der Senat hat die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Beschluss vom 7. Februar 2019 (AK 1/19) über sechs Monate hinaus angeordnet.
5
Das Oberlandesgericht Dresden hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden mit Verfügung vom 29. April 2019 die Vorlage zur erneuten Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO angeordnet.

II.


6
Die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über neun Monate hinaus liegen vor.
7
1. Hinsichtlich der Einzelheiten der Tatvorwürfe, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und der Haftgründe verweist der Senat auf seine Haftfortdauerentscheidung vom 7. Februar 2019, deren Gründe unvermindert fortgelten.
8
2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Der Umfang des Verfahrens und seine besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit zunächst auf den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2019 (AK 1/19) Bezug genommen.
9
Auch nach der Vorlage der Akten zur letzten Haftprüfung durch den Senat ist das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Es sind weitere umfangreiche Ermittlungen unternommen worden; so sind vom 23. Januar 2019 bis zum 28. März 2019 insgesamt 13 Zeugenvernehmungen durchgeführt worden; dabei sind zwei Zeugen ergänzend vernommen und insbesondere weitere Kontaktpersonen des Beschuldigten aus dem RaumP. und H. befragt worden. Die Auswertung der Asservate dauert immer noch an; dabei hat sich insbesondere die weitere Auswertung der Chatprotokolle auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Beschuldigten mit über 16.000 Nachrichten , welche teils Übersetzungen und islamwissenschaftliche Bewertungen durch Sachverständige erforderten, schwierig gestaltet.
10
Angesichts dessen greift die Argumentation der Verteidigung, die ihren Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls (allein) auf eine Verletzung des Grundsatzes der Beschleunigung stützt und "Scheinaktivitäten" der Generalstaatsanwaltschaft sowie das Aufblähen der Ermittlungen "durch vollkommen überflüssige Ermittlungshandlungen" behauptet, nicht durch. Soweit die Generalstaats- anwaltschaft Dresden allerdings in der Zuschrift vom 26. April 2019 mitteilt, dass die Ermittlungen ausgeweitet wurden und "nunmehr zusätzlich ein Tatverdacht" bestehe wegen 16 selbständiger Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer des IS, jeweils tateinheitlich begangen mit Gewaltdarstellung und Verstoß gegen das Vereinsgesetz sowie Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, liegt darin kein wichtiger Grund, der die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft begründen könnte. Denn diese darf nur angeordnet und aufrechterhalten werden für Taten, für die ein dringender Tatverdacht besteht und die im Haftbefehl aufgeführt sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 2001 - 2 BvR 1286/01, NStZ 2002, 100, 101; KK-Schultheis, StPO, 8. Aufl., § 121 Rn. 17 mwN). Auch haben die Auswertungen der sichergestellten Datenträger angesichts der in dem Vermerk über den Stand der Auswertungsergebnisse zu den technischen Asservaten vom 10. April 2019 dokumentierten Untersuchungshandlungen inzwischen einen nicht unbedenklichen Zeitraum in Anspruch genommen, zumal deren "Hauptaugenmerk" im Zeitraum von August bis Oktober 2018 präventiven Zielen galt. Gleichwohl haben die Ermittlungsbehörden, wie sich aus demselben Vermerk ergibt, die Aufklärung der Verbindungen des Beschuldigten zum IS nicht aus dem Blick verloren. Angesichts der in den Sachakten dokumentierten sonstigen zielführenden Ermittlungsaktivitäten, insbesondere der weiteren Zeugenvernehmungen und der zeitaufwändigen Übersetzungen und islamwissenschaftlichen Bewertungen, ist das Verfahren daher in der Gesamtschau bisher in noch ausreichender Weise mit der notwendigen Beschleunigung gefördert worden.
11
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung des Beschuldigten zu erwartenden Strafen, wobei hinsichtlich des Prüfungs- maßstabes gilt, dass an den zügigen Fortgang des Verfahrens umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert (vgl. KK-Schultheis, StPO, 8. Aufl., § 120 Rn. 8 mwN). Im Hinblick auf die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft wird besonderes Augenmerk auf den baldigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu legen sein, mit dem zu rechnen ist, da die ausstehenden Übersetzungen und Auswertungen bis zur 21. Kalenderwoche 2019 vorliegen sollten. Der Senat geht davon aus, dass alsbald Anklage erhoben und das Verfahren sodann weiterhin angemessen gefördert werden wird.
Schäfer Spaniol Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Vereinsgesetz - VereinsG | § 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote


(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit 1. den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisat

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 142a


(1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen gemäß § 120 Absatz 1 und 2 das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Für die Übernahme der Strafverfolgung

Vereinsgesetz - VereinsG | § 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten


Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räuml

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - AK 1/19

bei uns veröffentlicht am 07.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 1/19 vom 7. Februar 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen des Verdachts des Werbens um Mitglieder einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:070219BAK1.19.0 Der 3. Strafsenat des.

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen gemäß § 120 Absatz 1 und 2 das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Für die Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt genügt es, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen gegeben sind. Vorgänge, die Anlass zu der Prüfung einer Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt geben, übersendet die Staatsanwaltschaft diesem unverzüglich. Können in den Fällen des § 120 Abs. 1 die Beamten der Staatsanwaltschaft eines Landes und der Generalbundesanwalt sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der Generalbundesanwalt.

(2) Der Generalbundesanwalt gibt das Verfahren vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 435 der Strafprozessordnung) an die Landesstaatsanwaltschaft ab,

1.
wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat:
a)
Straftaten nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 des Strafgesetzbuches,
b)
Straftaten nach den §§ 105 oder 106 des Strafgesetzbuches, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet,
c)
Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder
d)
Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes;
2.
in Sachen von minderer Bedeutung.

(3) Eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft unterbleibt,

1.
wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt oder
2.
wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt.

(4) Der Generalbundesanwalt gibt eine Sache, die er nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder § 74a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 1/19
vom
7. Februar 2019
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts des Werbens um Mitglieder einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:070219BAK1.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 7. Februar 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 19. Juli 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof von diesem Tage (2 BGs 551/18) seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe durch 28 selbständige Handlungen in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) für eine außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) um Mitglieder oder Unterstützer geworben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB), in fünf Fällen (Fälle 3 bis 7) eine Schrift, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, öffentlich zugänglich gemacht und vorrätig gehalten, um sie zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 3 StGB), und dabei in vier Fällen (Fälle 4 bis 7) sowie in 21 weiteren Fällen (Fälle 8 bis 28) einem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG zuwider gehandelt und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot betroffenen Vereins verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 VereinsG).
3
Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren mit Verfügung vom 30. Juli 2018 gemäß § 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.
4
Das Oberlandesgericht Dresden (1 OGs 1/19) hat unter dem 8. Januar 2019 die Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof verfügt, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Dresden beantragt hat, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen (§ 122 Abs. 1 Alternative 2, § 121 Abs. 1 und Abs. 4 StPO).

II.


5
Die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
6
1. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
a) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
8
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" in "Islamischer Staat" umbenannte und damit von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "Großsyrien" Abstand nahm, hat der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne, der von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt wurde, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "ShuraRäte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die Vereinigung verfügt über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert sind.
9
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements ein und installierte einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee , aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin die Verantwortung übernommen.
10
b) Der Beschuldigte kannte zumindest die grundlegenden Strukturen der terroristischen Vereinigung IS sowie ihre Ziele und Stärke; er wusste auch von den Terroranschlägen des IS auf Ziele in westlichen Ländern. Er stellte - als der "Medientätige S. " auftretend - umfangreiche Propagandaveröffentlichungen des IS, darunter Videos, Audiodateien und Schriften sowie eigene Kommentare und Äußerungen mit Bezug zum IS in Chatgruppen des Messenger-Dienstes WhatsApp ein, die er teilweise selbst eröffnete und als Administrator verwaltete und die jeweils für eine unbestimmte Vielzahl von Personen zugänglich waren. Ab September 2017 wurden Beiträge des Beschuldigten mit IS-Propaganda, die er unter Nutzung seines Telefonanschlusses einstellte, in WhatsApp-Gruppen mit den Gruppennamen festgestellt.
11
aa) Dabei veröffentlichte der Beschuldigte zwei Beiträge, in denen er die Leser dazu aufrief, dem IS beizutreten und sich in das (syrisch/irakische) Kriegsgebiet zu begeben, um sich dort den Kampfeinheiten des IS anzuschließen :
12
(1) So schrieb er am 24. Oktober 2017 um 21:36 Uhr in der WhatsAppGruppe : "Wann ziehst Du aus Ich bitte dich um Gottes willen, sag mir, wann ziehst du aus? Erzähl mir, möge Gott dich behüten , wann ziehst du aus!! Hat, was du siehst, dich nicht innerlich berührt! Haben die Leichen der Kinder und der Frauen dich nicht zum Weinen gebracht... ??? Haben die Wehklagen der Mütter, deren Kinder getötet wurden und die Weinenden Kinder dich nicht innerlich berührt...Hast du nicht gesehen, wie sich ein Kind vor Schmerzen krümmt...Hat der Tod von hunderten Muslimen, die meisten unter ihnen Kinder und Frauen, dich innerlich nicht berührt...! (Ich bitte dich um Gottes willen, sag mir, wann ziehst du aus)". Unmittelbar anschließend, ebenfalls um 21:36 Uhr, stellte er eine Audiodatei mit Ausschnitten aus Reden des Anführers des lS, Abu Bakr Al-Baghdadi, sowie des ehemaligen Sprechers des IS, Abu Muhammad Al-AdnaniI ein, in denen diese zum Krieg aufrufen. Daran anknüpfend um 21:43 Uhr schrieb der Beschuldigte weiter : "Eilmeldung: Unter den 5 Personen sind Führer der Milizen 'Hisbollah' - Schiitische Partei im Libanon - durch Kämpfer des islamischen Staates in den Schlachten von Deir Ezzor umgebracht worden. @ " (Fall 1).
13
(2) Am 30. Juni 2018 schrieb er um 00:17 Uhr in die für eine unbestimmte VieIzahl von Personen zugängliche Gruppe " ", die über 246 Mitglieder verfügte, von denen der Beschuldigte als einer der Administratoren etwa 80 hinzufügte: "AI Jabha Alialamiyah: Medienfront: Mein Rat an die Kämpfenden Gruppen in Levante und generell für den Rest der Sunnitischen Nationen. lhr müsst Euch vereinigen und zu den Brüdern im islamischen Staat so schnell wie möglich beitreten. Ich schwöre bei Gott von 'Kaaba' Mekka, dass der Krieg zwischen den Gläubigen und Ungläubigen ist. Die Sekte der Ungläubigen ist EINS, sei es Schiiten, Alawiten‚ die Abtrünnigen, Juden oder Christen. Sieh dir dieses Video an und dann beurteile die Wahrheit der Schiiten. Nur wenige Muslime kennen leider ihre Glaubensbekenntnis und ihre Geschichte. Der Propagandist S. " (Fall 2).
14
bb) ln die WhatsApp-Gruppe " ", die über 250 Teilnehmer hatte, stellte der Beschuldigte eine Vielzahl von IS-Propagandavideos ein, die die Aufnahmen von grausamen Hinrichtungen und Folterungen von Gefangenen des IS sowie teilweise Kennzeichen dieser Vereinigung zeigen, darunter folgende Videos:
15
(1) Am 17. Januar 2018 stellte er ein Video ein, das ab Minute 0:09 eine an ein Fahrzeuggeschütz gefesselte wehrlose Person zeigt, die von zwei IS-Kämpfern mit rohrartigen Gegenständen geschlagen wird (Fall 3).
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(2) Am 18. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem in Minute 2:06 eine Gruppe bewaffneter IS-Kämpfer mit schwarzen IS-Flaggen - dem Symbol der terroristischen Vereinigung IS - posiert. In Minute 2:27 ist eine Hinrichtung eines am Boden knienden Mannes in ziviler Kleidung dargestellt , der durch einen Kopfschuss von hinten getötet wird. lm Hintergrund hält ein zweiter IS-Kämpfer die lS-Flagge hoch. In dem begleitenden Gesang, der ins Deutsche übersetzt ist, und den Untertiteln in englischer Sprache wird zum Jihad und der damit verbundenen "notwendigen" Gewalt aufgerufen; am Bildrand des Videos ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 4).
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(3) Am 20. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem ab der ersten Sekunde bis Minute 3:17 eine "Hinrichtungszeremonie" gezeigt wird. Zahlreiche IS-Kämpfer führen in der linken Hand jeweils einen Gefangenen und entnehmen im Vorbeigehen aus einem Eimer mit Messern mit der rechten Hand jeweils ein Messer. Die Gefangenen werden auf dem Bauch abgelegt. Unter ihren Kehlen befindet sich eine in den Sandboden gezogene Rinne. Ihre Köpfe werden am Haaransatz nach oben gezogen und die Messer an der Kehle angesetzt. Es erfolgt der Fokus auf den Anführer, welcher mit dem Durchschneiden der Kehle seines Gefangenen beginnt. Der Gefangene verzieht vor Schmerzen das Gesicht. Der Anführer setzt, nachdem er die Kehle durchschnitten hat, kurz ab, blickt in die Kamera und setzt erneut an, um den Kopf vollständig abzutrennen. Beim erneuten Ansetzen erfolgt eine kurze Nahaufnahme der Kehle. Am Ende werden alle Köpfe der Getöteten auf den ausblutenden Rumpf gelegt. Im Bildrand ist die schwarze Flagge des IS eingeblendet (Fall 5).
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(4) Am 20. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem in Minute 0:25 fünf im Kreis kniende Gefangene in orangefarbenen Overalls gezeigt werden, die gleichzeitig per Schuss in den Hinterkopf durch hinter ihnen stehende vermummte Kämpfer getötet werden. Im Bildrand ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 6).
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(5) Am 22. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, welches ab Minute 1:40 eine Hinrichtung durch Enthauptung zeigt. Das Opfer, das einen orangefarbenen Overall trägt, kniet vor einem ganz in schwarz gekleideten, vermummten IS-Kämpfer, der zum Kehlenschnitt ansetzt. Nach der Enthauptung wird der abgetrennte Kopf auf dem Rücken des Rumpfes am Boden liegend gezeigt. Ab Minute 2:10 wird eine weitere kurze Sequenz einer anderen Enthauptung abgespielt. Es wird der Schnitt durch die Kehle und das herausspritzende Blut beim Nachhintenziehen des Kopfes gezeigt. Bei Minute 2:15 wird eine Massenhinrichtung gezeigt. In Reihe kniende Opfer werden durch dahinter stehende Schützen erschossen. Bei Minute 2:17 wird ein IS-Kämpfer gezeigt , welcher sein Schwert zur Enthauptung erhebt. Vor ihm kniet mit gesenktem Kopf sein Opfer. In Minute 2:18 wird in Großaufnahme der Körper des Opfers gezeigt, nachdem der Kopf mit dem Schwert abgetrennt wurde. Das Blut des Opfers spritzt strahlartig aus dem Hals. Im Bildrand ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 7).
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cc) lm Zeitraum 18. Juni 2018 bis 25. Juni 2018 stellte der Beschuldigte über 150 Videos, Bilder, Beiträge und elektronische Bücher mit lS-Propaganda in die WhatsApp-Gruppe " " ein, darunter die folgenden Beiträge, die Kennzeichen des IS zeigen:
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(1) Am 18. Juni 2018 stellte der Beschuldigte um 18:56 Uhr zwei Bilder und um 21:37 Uhr ein weiteres Bild jeweils mit dem Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" ein (Fälle 8 bis 10).
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(2) Am 20. Juni 2018 stellte der Beschuldigte zwischen 15:04 Uhr und 15:55 Uhr 14 Bilder ein, auf denen Schriften und Personen - unter anderem Abu Bakr al-Baghdadi und andere jihadistische Anführer sowie Kämpfer des IS - und jeweils die schwarze IS-Flagge zu sehen sind (Fälle 11 bis 24).
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(3) Am 22. Juni 2018 um 21:39 Uhr stellte der Beschuldigte ein Bild von sechs Gefangenen ein, auf dem im Hintergrund zwei bewaffnete Kämpferund die schwarze Flagge des IS und die Überschrift "IS Mitglieder drohen die 6 Gefangenen zu köpfen" zu sehen sind (Fall 25).
24
(4) Am 25. Juni 2018 stellte der Beschuldigte um 11:47 Uhr drei Bilder ein, die Kämpfer des IS und jeweils die schwarze Flagge des IS zeigen (Fälle 26 bis 28).
25
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Tatvorwurf wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof Bezug genommen.
26
2. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) ergibt sich aus Folgendem:
27
a) Hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung IS beruht er für den hier relevanten Zeitraum - senatsbekannt - auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie auf diversen Behördenerklärungen der Nachrichtendienste und polizeilichen Auswertungsberichten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, juris Rn. 22).
28
b) Hinsichtlich der vorgeworfenen Handlungen beruht der dringende Tatverdacht auf den in dem Haftbefehl angeführten Beweismitteln, insbesondere den vom Bundeskriminalamt gesicherten Chatverläufen, die seit Septem- ber 2017 über die deutsche Mobilrufnummer geführt wurden. Ermittlungen nach §§ 112, 113 TKG zum Nutzer dieser Rufnummer ergaben, dass diese dem Beschuldigten zuzuordnen ist. Erkenntnisse aus der Überwachung dieses Telekommunikationsanschlusses, die mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2018 (2 BGs 17/18) angeordnet und mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 11. April 2018 um weitere drei Monate verlängert worden war (2 BGs 229/18), bestätigen, dass es sich bei dem Nutzer der Mobilrufnummer um den Beschuldigten handelte. In überwachten Gesprächen, die dieser über den Anschluss führte, unterhalten sich die Gesprächspartner über die Ideologie des lS und erklären, die Vereinigung mit der Verbreitung von lS-Propagandamaterial in sozialen Netzwerken unterstützen zu wollen; zudem erklären sie, über soziale Netzwerke mit lS-Mitgliedern im Ausland in Kontakt zu stehen. Erkenntnisse aus der Observation des Beschuldigten, die mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2018 angeordnet worden war (2 BGs 20/18), stehen mit dem festgestellten Kommunikationsverhalten des Beschuldigten über die vorgenannte Rufnummer in Einklang.
29
3. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:
30
a) In den Fällen 1 und 2 ist der Beschuldigte des Werbens um Mitglieder für eine außereuropäische terroristische Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB) dringend verdächtig. Insoweit gilt:
31
Um Mitglieder für eine der in § 129a Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten terroristischen Vereinigungen wirbt, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Dazu bedarf es einer Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt und die über das bloße Werben um Sympathie im Sinne eines befürwortenden Eintretens für eine konkrete terroristische Vereinigung hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 197/14, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Werben 4 mwN). Die Werbung kann sich dabei sowohl an eine konkrete Person als auch an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. Ein Erfolg der Werbung wird nicht vorausgesetzt; auch der erfolglose Versuch, andere als Mitglied einer Vereinigung zu gewinnen, wird von der Strafbarkeit erfasst (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 353).
32
Nach diesen Maßstäben ist der Beschuldigte als Nichtmitglied des Werbens um Mitglieder zu Gunsten einer konkreten Organisation - der terroristischen Vereinigung IS - dringend verdächtig. Der Beschuldigte handelte in Kenntnis der wesentlichen Umstände, welche den IS als eine terroristische Vereinigung kennzeichnen, und wusste auch um die von dieser verübten Terroranschläge auf Ziele in westlichen Ländern. Seine für eine unbestimmte Vielzahl von Personen in mehreren WhatsApp-Gruppen zugänglichen Beiträge vom 24. Oktober 2017 und vom 30. Juni 2018 enthalten einen klaren Organisationsbezug und für den Betrachter zumindest die schlüssige Aufforderung, sich dem IS anzuschließen. Sie gehen damit über eine bloße Sympathiewerbung hinaus und begründen den dringenden Verdacht, dass der Beschuldigte gezielt Mitglieder des IS gewinnen wollte.
33
Den Einwänden der Verteidigung, die Handlungen des Beschuldigten seien als bloße Sympathiebekundungen zu würdigen, ist nicht zu folgen. Der vorgetragene Umstand, Zeugen aus dem Umfeld des Beschuldigten hätten keine werbenden Äußerungen des Beschuldigten bekundet, steht der vorgenom- menen Würdigung seiner Internetaktivitäten ebenso wenig entgegen wie die Vielzahl der andere (Alltags-)Themen betreffenden Chatnachrichten. Zudem ergibt sich etwa aus der Vernehmung des Zeugen H. vom 18. Dezember 2018, dass der Beschuldigte diesen nach Syrien mitnehmen wollte und ihn zur Teilnahme am Kampf gegen das Regime "mit der freien syrischen Armee oder mir (mit) der IS" aufforderte.
34
b) Durch das Einstellen der angeführten IS-Propagandavideos und -bilder in die verschiedenen WhatsApp-Gruppen hat sich der Beschuldigte nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen wie folgt strafbar gemacht:
35
aa) Soweit die eingestellten Propagandabeiträge Hinrichtungen und Folterungen von Gegnern und Gefangenen des IS enthalten (Fälle 3 bis 7), ist der Straftatbestand des § 131 StGB erfüllt. Der Beschuldigte hat die jeweiligen Gewaltdarstellungen - auf Datenspeichern und somit als Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB - durch das Einstellen in die einer unbestimmten Vielzahl an Teilnehmern offenstehenden WhatsApp-Gruppen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a)); zugleich hat er diese Beiträge vorrätig gehalten, um sie auch anderweitig zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Die vom Beschuldigten eingestellten Propagandavideos schildern grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt und das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Denn das Töten und das Foltern von Gegnern und Gefangenen wird als etwas Großartiges und Heldenhaftes im Sinne der Ideologie des IS präsentiert, wobei es gerade darauf ankommt, die Opfer in möglichst blutrünstiger, grausamer und erniedrigender Weise zu quälen und zu töten sowie ihre von Folter und brutaler Misshandlung gekennzeichneten Körper darzustellen.
36
bb) Soweit die vom Beschuldigten in den WhatsApp-Gruppen eingestellten Propagandavideos und -bilder die Flagge des IS und das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" zeigen (Fälle 4 bis 28), erfüllt das Verhalten des Beschuldigten den Tatbestand des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VereinsG. Durch Verfügung des Bundesministers des Inneren vom 12. September 2014 (BAnz AT 12. September 2014 B1, unanfechtbar geworden am 31. Oktober 2014) ist nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 18 Satz 2 des VereinsG ein Betätigungsverbot betreffend die Organisation IS im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes ergangen. Die Verfügung umfasst unter anderem das Verbot, die vorgenannten Kennzeichen des IS öffentlich in einer Versammlung oder in Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen und Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden. Durch das Einstellen der IS-Propagandavideos und -bilder in den Fällen 4 bis 28 hat der BeschuIdigte einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 VereinsG zuwidergehandelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG) und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG).
37
cc) In den Fällen 4 bis 7 steht der Verstoß gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VereinsG) jeweils in Tateinheit mit einer Gewaltdarstellung nach § 131 StGB.
38
dd) Im Hinblick auf den engen zeitlichen und mutmaßlich räumlichen Zusammenhang wird im weiteren Verlauf des Verfahrens zu prüfen sein, ob - abweichend von der Würdigung des Ermittlungsrichters, der jeweils Tatmehrheit (§ 53 StGB) angenommen hat - die Fälle 8 und 9 in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen; gleiches gilt für die Fälle 11 bis 24 und für die Fälle 26 bis 28. Für die Frage der Haftfortdauer kommt es auf die insoweit zu treffende konkurrenzrechtliche Bewertung indes nicht an.
39
c) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich daraus, dass die Taten im Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs begangen wurden (§ 3 StGB). Der Beschuldigte ist im Inland wohnhaft; der Inlandsbezug gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB ist gegeben.
40
d) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" sowie als "Islamischer Staat" bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 13. Oktober 2015 unter Neufassung seiner bisherigen Erklärungen erteilt.
41
4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem daraus folgenden hohen Fluchtanreiz stehen keine hinreichend festen persönlichen und sozialen Bindungen entgegen, welche die Annahme rechtfertigen, er würde sich dem Verfahren in Deutschland stellen.
42
Der Beschuldigte reiste im Jahr 2015 nach Deutschland ein; es gelang ihm jedoch nicht, hier Fuß zu fassen. Seine Wohnung wurde inzwischen durch die Wohnungsinhaberin gekündigt und im November 2018 geräumt. Der Beschuldigte äußerte mehrfach in überwachten Telefonaten die Absicht, Deutschland zu verlassen, um entweder in das Herrschaftsgebiet des IS zur Teilnahme am bewaffneten Jihad zu ziehen oder sich zu seinen in der Türkei aufhältigen Familienangehörigen zu begeben. Durch seine Einbindung in ein salafistisches Netzwerk und eine Vielzahl von Chatgruppen, deren wesentlicher Inhalt der Austausch und die Verbreitung jihadistischer Propaganda ist, verfügt der Beschuldigte über gute Kontakte zu Gleichgesinnten im In- und Ausland, die ihm bei einer Flucht oder beim Untertauchen behilflich sein könnten.
43
Eine mit Auflagen nach § 116 StPO verbundene Außervollzugsetzung des Haftbefehls ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
44
5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
45
Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Die Ermittlungen dauern an. Nach der Abgabe durch den Generalbundesanwalt sind die Akten am 2. August 2018 bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden eingegangen; seither sind die Ermittlungen weiterhin zügig vorangetrieben worden. Das umfangreiche, aus der Telekommunikationsüberwachung und der Wohnungsdurchsuchung gewonnene Beweismaterial - überwiegend in elektronischer Form und in arabischer Sprache - hat zeitaufwändig aufbereitet, teilweise übersetzt und ausgewertet werden müssen. Unter anderem sind zwei Mobiltelefone mit ca. 38 GB Daten sichergestellt worden; darunter befinden sich etwa 2.000 Chats mit über 36.000 Nachrichten , 6.300 Kontaktdaten, mehr als 30.000 Bilddateien, 2.000 Videodateien, 4.000 Textdateien und 400 Dokumente, 1.200 Audiodateien und Webverläufe mit etwa 12.600 besuchten Webseiten. Die Auswertung dieser Beweismittel dauert an. Die erforderlichen Vernehmungen von Kontaktpersonen des Beschuldigten sind im Dezember 2018 durchgeführt worden. Nach alledem ist das Verfahren bisher mit der in Haftsachen gebotenen Intensität beschleunigt und gefördert worden.
46
6. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen, die diese für den Beschuldigten zur Folge hat, nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Gericke Hoch

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 1/19
vom
7. Februar 2019
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts des Werbens um Mitglieder einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:070219BAK1.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 7. Februar 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 19. Juli 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof von diesem Tage (2 BGs 551/18) seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe durch 28 selbständige Handlungen in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) für eine außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) um Mitglieder oder Unterstützer geworben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB), in fünf Fällen (Fälle 3 bis 7) eine Schrift, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, öffentlich zugänglich gemacht und vorrätig gehalten, um sie zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 3 StGB), und dabei in vier Fällen (Fälle 4 bis 7) sowie in 21 weiteren Fällen (Fälle 8 bis 28) einem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG zuwider gehandelt und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot betroffenen Vereins verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 VereinsG).
3
Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren mit Verfügung vom 30. Juli 2018 gemäß § 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.
4
Das Oberlandesgericht Dresden (1 OGs 1/19) hat unter dem 8. Januar 2019 die Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof verfügt, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Dresden beantragt hat, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen (§ 122 Abs. 1 Alternative 2, § 121 Abs. 1 und Abs. 4 StPO).

II.


5
Die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
6
1. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
a) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
8
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" in "Islamischer Staat" umbenannte und damit von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "Großsyrien" Abstand nahm, hat der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne, der von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt wurde, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "ShuraRäte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die Vereinigung verfügt über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert sind.
9
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements ein und installierte einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee , aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin die Verantwortung übernommen.
10
b) Der Beschuldigte kannte zumindest die grundlegenden Strukturen der terroristischen Vereinigung IS sowie ihre Ziele und Stärke; er wusste auch von den Terroranschlägen des IS auf Ziele in westlichen Ländern. Er stellte - als der "Medientätige S. " auftretend - umfangreiche Propagandaveröffentlichungen des IS, darunter Videos, Audiodateien und Schriften sowie eigene Kommentare und Äußerungen mit Bezug zum IS in Chatgruppen des Messenger-Dienstes WhatsApp ein, die er teilweise selbst eröffnete und als Administrator verwaltete und die jeweils für eine unbestimmte Vielzahl von Personen zugänglich waren. Ab September 2017 wurden Beiträge des Beschuldigten mit IS-Propaganda, die er unter Nutzung seines Telefonanschlusses einstellte, in WhatsApp-Gruppen mit den Gruppennamen festgestellt.
11
aa) Dabei veröffentlichte der Beschuldigte zwei Beiträge, in denen er die Leser dazu aufrief, dem IS beizutreten und sich in das (syrisch/irakische) Kriegsgebiet zu begeben, um sich dort den Kampfeinheiten des IS anzuschließen :
12
(1) So schrieb er am 24. Oktober 2017 um 21:36 Uhr in der WhatsAppGruppe : "Wann ziehst Du aus Ich bitte dich um Gottes willen, sag mir, wann ziehst du aus? Erzähl mir, möge Gott dich behüten , wann ziehst du aus!! Hat, was du siehst, dich nicht innerlich berührt! Haben die Leichen der Kinder und der Frauen dich nicht zum Weinen gebracht... ??? Haben die Wehklagen der Mütter, deren Kinder getötet wurden und die Weinenden Kinder dich nicht innerlich berührt...Hast du nicht gesehen, wie sich ein Kind vor Schmerzen krümmt...Hat der Tod von hunderten Muslimen, die meisten unter ihnen Kinder und Frauen, dich innerlich nicht berührt...! (Ich bitte dich um Gottes willen, sag mir, wann ziehst du aus)". Unmittelbar anschließend, ebenfalls um 21:36 Uhr, stellte er eine Audiodatei mit Ausschnitten aus Reden des Anführers des lS, Abu Bakr Al-Baghdadi, sowie des ehemaligen Sprechers des IS, Abu Muhammad Al-AdnaniI ein, in denen diese zum Krieg aufrufen. Daran anknüpfend um 21:43 Uhr schrieb der Beschuldigte weiter : "Eilmeldung: Unter den 5 Personen sind Führer der Milizen 'Hisbollah' - Schiitische Partei im Libanon - durch Kämpfer des islamischen Staates in den Schlachten von Deir Ezzor umgebracht worden. @ " (Fall 1).
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(2) Am 30. Juni 2018 schrieb er um 00:17 Uhr in die für eine unbestimmte VieIzahl von Personen zugängliche Gruppe " ", die über 246 Mitglieder verfügte, von denen der Beschuldigte als einer der Administratoren etwa 80 hinzufügte: "AI Jabha Alialamiyah: Medienfront: Mein Rat an die Kämpfenden Gruppen in Levante und generell für den Rest der Sunnitischen Nationen. lhr müsst Euch vereinigen und zu den Brüdern im islamischen Staat so schnell wie möglich beitreten. Ich schwöre bei Gott von 'Kaaba' Mekka, dass der Krieg zwischen den Gläubigen und Ungläubigen ist. Die Sekte der Ungläubigen ist EINS, sei es Schiiten, Alawiten‚ die Abtrünnigen, Juden oder Christen. Sieh dir dieses Video an und dann beurteile die Wahrheit der Schiiten. Nur wenige Muslime kennen leider ihre Glaubensbekenntnis und ihre Geschichte. Der Propagandist S. " (Fall 2).
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bb) ln die WhatsApp-Gruppe " ", die über 250 Teilnehmer hatte, stellte der Beschuldigte eine Vielzahl von IS-Propagandavideos ein, die die Aufnahmen von grausamen Hinrichtungen und Folterungen von Gefangenen des IS sowie teilweise Kennzeichen dieser Vereinigung zeigen, darunter folgende Videos:
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(1) Am 17. Januar 2018 stellte er ein Video ein, das ab Minute 0:09 eine an ein Fahrzeuggeschütz gefesselte wehrlose Person zeigt, die von zwei IS-Kämpfern mit rohrartigen Gegenständen geschlagen wird (Fall 3).
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(2) Am 18. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem in Minute 2:06 eine Gruppe bewaffneter IS-Kämpfer mit schwarzen IS-Flaggen - dem Symbol der terroristischen Vereinigung IS - posiert. In Minute 2:27 ist eine Hinrichtung eines am Boden knienden Mannes in ziviler Kleidung dargestellt , der durch einen Kopfschuss von hinten getötet wird. lm Hintergrund hält ein zweiter IS-Kämpfer die lS-Flagge hoch. In dem begleitenden Gesang, der ins Deutsche übersetzt ist, und den Untertiteln in englischer Sprache wird zum Jihad und der damit verbundenen "notwendigen" Gewalt aufgerufen; am Bildrand des Videos ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 4).
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(3) Am 20. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem ab der ersten Sekunde bis Minute 3:17 eine "Hinrichtungszeremonie" gezeigt wird. Zahlreiche IS-Kämpfer führen in der linken Hand jeweils einen Gefangenen und entnehmen im Vorbeigehen aus einem Eimer mit Messern mit der rechten Hand jeweils ein Messer. Die Gefangenen werden auf dem Bauch abgelegt. Unter ihren Kehlen befindet sich eine in den Sandboden gezogene Rinne. Ihre Köpfe werden am Haaransatz nach oben gezogen und die Messer an der Kehle angesetzt. Es erfolgt der Fokus auf den Anführer, welcher mit dem Durchschneiden der Kehle seines Gefangenen beginnt. Der Gefangene verzieht vor Schmerzen das Gesicht. Der Anführer setzt, nachdem er die Kehle durchschnitten hat, kurz ab, blickt in die Kamera und setzt erneut an, um den Kopf vollständig abzutrennen. Beim erneuten Ansetzen erfolgt eine kurze Nahaufnahme der Kehle. Am Ende werden alle Köpfe der Getöteten auf den ausblutenden Rumpf gelegt. Im Bildrand ist die schwarze Flagge des IS eingeblendet (Fall 5).
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(4) Am 20. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, in dem in Minute 0:25 fünf im Kreis kniende Gefangene in orangefarbenen Overalls gezeigt werden, die gleichzeitig per Schuss in den Hinterkopf durch hinter ihnen stehende vermummte Kämpfer getötet werden. Im Bildrand ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 6).
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(5) Am 22. Januar 2018 stellte der Beschuldigte ein Video ein, welches ab Minute 1:40 eine Hinrichtung durch Enthauptung zeigt. Das Opfer, das einen orangefarbenen Overall trägt, kniet vor einem ganz in schwarz gekleideten, vermummten IS-Kämpfer, der zum Kehlenschnitt ansetzt. Nach der Enthauptung wird der abgetrennte Kopf auf dem Rücken des Rumpfes am Boden liegend gezeigt. Ab Minute 2:10 wird eine weitere kurze Sequenz einer anderen Enthauptung abgespielt. Es wird der Schnitt durch die Kehle und das herausspritzende Blut beim Nachhintenziehen des Kopfes gezeigt. Bei Minute 2:15 wird eine Massenhinrichtung gezeigt. In Reihe kniende Opfer werden durch dahinter stehende Schützen erschossen. Bei Minute 2:17 wird ein IS-Kämpfer gezeigt , welcher sein Schwert zur Enthauptung erhebt. Vor ihm kniet mit gesenktem Kopf sein Opfer. In Minute 2:18 wird in Großaufnahme der Körper des Opfers gezeigt, nachdem der Kopf mit dem Schwert abgetrennt wurde. Das Blut des Opfers spritzt strahlartig aus dem Hals. Im Bildrand ist das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" eingeblendet (Fall 7).
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cc) lm Zeitraum 18. Juni 2018 bis 25. Juni 2018 stellte der Beschuldigte über 150 Videos, Bilder, Beiträge und elektronische Bücher mit lS-Propaganda in die WhatsApp-Gruppe " " ein, darunter die folgenden Beiträge, die Kennzeichen des IS zeigen:
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(1) Am 18. Juni 2018 stellte der Beschuldigte um 18:56 Uhr zwei Bilder und um 21:37 Uhr ein weiteres Bild jeweils mit dem Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" ein (Fälle 8 bis 10).
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(2) Am 20. Juni 2018 stellte der Beschuldigte zwischen 15:04 Uhr und 15:55 Uhr 14 Bilder ein, auf denen Schriften und Personen - unter anderem Abu Bakr al-Baghdadi und andere jihadistische Anführer sowie Kämpfer des IS - und jeweils die schwarze IS-Flagge zu sehen sind (Fälle 11 bis 24).
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(3) Am 22. Juni 2018 um 21:39 Uhr stellte der Beschuldigte ein Bild von sechs Gefangenen ein, auf dem im Hintergrund zwei bewaffnete Kämpferund die schwarze Flagge des IS und die Überschrift "IS Mitglieder drohen die 6 Gefangenen zu köpfen" zu sehen sind (Fall 25).
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(4) Am 25. Juni 2018 stellte der Beschuldigte um 11:47 Uhr drei Bilder ein, die Kämpfer des IS und jeweils die schwarze Flagge des IS zeigen (Fälle 26 bis 28).
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Tatvorwurf wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof Bezug genommen.
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2. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) ergibt sich aus Folgendem:
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a) Hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung IS beruht er für den hier relevanten Zeitraum - senatsbekannt - auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie auf diversen Behördenerklärungen der Nachrichtendienste und polizeilichen Auswertungsberichten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, juris Rn. 22).
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b) Hinsichtlich der vorgeworfenen Handlungen beruht der dringende Tatverdacht auf den in dem Haftbefehl angeführten Beweismitteln, insbesondere den vom Bundeskriminalamt gesicherten Chatverläufen, die seit Septem- ber 2017 über die deutsche Mobilrufnummer geführt wurden. Ermittlungen nach §§ 112, 113 TKG zum Nutzer dieser Rufnummer ergaben, dass diese dem Beschuldigten zuzuordnen ist. Erkenntnisse aus der Überwachung dieses Telekommunikationsanschlusses, die mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2018 (2 BGs 17/18) angeordnet und mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 11. April 2018 um weitere drei Monate verlängert worden war (2 BGs 229/18), bestätigen, dass es sich bei dem Nutzer der Mobilrufnummer um den Beschuldigten handelte. In überwachten Gesprächen, die dieser über den Anschluss führte, unterhalten sich die Gesprächspartner über die Ideologie des lS und erklären, die Vereinigung mit der Verbreitung von lS-Propagandamaterial in sozialen Netzwerken unterstützen zu wollen; zudem erklären sie, über soziale Netzwerke mit lS-Mitgliedern im Ausland in Kontakt zu stehen. Erkenntnisse aus der Observation des Beschuldigten, die mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2018 angeordnet worden war (2 BGs 20/18), stehen mit dem festgestellten Kommunikationsverhalten des Beschuldigten über die vorgenannte Rufnummer in Einklang.
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3. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:
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a) In den Fällen 1 und 2 ist der Beschuldigte des Werbens um Mitglieder für eine außereuropäische terroristische Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB) dringend verdächtig. Insoweit gilt:
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Um Mitglieder für eine der in § 129a Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten terroristischen Vereinigungen wirbt, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Dazu bedarf es einer Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt und die über das bloße Werben um Sympathie im Sinne eines befürwortenden Eintretens für eine konkrete terroristische Vereinigung hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 197/14, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Werben 4 mwN). Die Werbung kann sich dabei sowohl an eine konkrete Person als auch an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. Ein Erfolg der Werbung wird nicht vorausgesetzt; auch der erfolglose Versuch, andere als Mitglied einer Vereinigung zu gewinnen, wird von der Strafbarkeit erfasst (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 353).
32
Nach diesen Maßstäben ist der Beschuldigte als Nichtmitglied des Werbens um Mitglieder zu Gunsten einer konkreten Organisation - der terroristischen Vereinigung IS - dringend verdächtig. Der Beschuldigte handelte in Kenntnis der wesentlichen Umstände, welche den IS als eine terroristische Vereinigung kennzeichnen, und wusste auch um die von dieser verübten Terroranschläge auf Ziele in westlichen Ländern. Seine für eine unbestimmte Vielzahl von Personen in mehreren WhatsApp-Gruppen zugänglichen Beiträge vom 24. Oktober 2017 und vom 30. Juni 2018 enthalten einen klaren Organisationsbezug und für den Betrachter zumindest die schlüssige Aufforderung, sich dem IS anzuschließen. Sie gehen damit über eine bloße Sympathiewerbung hinaus und begründen den dringenden Verdacht, dass der Beschuldigte gezielt Mitglieder des IS gewinnen wollte.
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Den Einwänden der Verteidigung, die Handlungen des Beschuldigten seien als bloße Sympathiebekundungen zu würdigen, ist nicht zu folgen. Der vorgetragene Umstand, Zeugen aus dem Umfeld des Beschuldigten hätten keine werbenden Äußerungen des Beschuldigten bekundet, steht der vorgenom- menen Würdigung seiner Internetaktivitäten ebenso wenig entgegen wie die Vielzahl der andere (Alltags-)Themen betreffenden Chatnachrichten. Zudem ergibt sich etwa aus der Vernehmung des Zeugen H. vom 18. Dezember 2018, dass der Beschuldigte diesen nach Syrien mitnehmen wollte und ihn zur Teilnahme am Kampf gegen das Regime "mit der freien syrischen Armee oder mir (mit) der IS" aufforderte.
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b) Durch das Einstellen der angeführten IS-Propagandavideos und -bilder in die verschiedenen WhatsApp-Gruppen hat sich der Beschuldigte nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen wie folgt strafbar gemacht:
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aa) Soweit die eingestellten Propagandabeiträge Hinrichtungen und Folterungen von Gegnern und Gefangenen des IS enthalten (Fälle 3 bis 7), ist der Straftatbestand des § 131 StGB erfüllt. Der Beschuldigte hat die jeweiligen Gewaltdarstellungen - auf Datenspeichern und somit als Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB - durch das Einstellen in die einer unbestimmten Vielzahl an Teilnehmern offenstehenden WhatsApp-Gruppen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a)); zugleich hat er diese Beiträge vorrätig gehalten, um sie auch anderweitig zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Die vom Beschuldigten eingestellten Propagandavideos schildern grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt und das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Denn das Töten und das Foltern von Gegnern und Gefangenen wird als etwas Großartiges und Heldenhaftes im Sinne der Ideologie des IS präsentiert, wobei es gerade darauf ankommt, die Opfer in möglichst blutrünstiger, grausamer und erniedrigender Weise zu quälen und zu töten sowie ihre von Folter und brutaler Misshandlung gekennzeichneten Körper darzustellen.
36
bb) Soweit die vom Beschuldigten in den WhatsApp-Gruppen eingestellten Propagandavideos und -bilder die Flagge des IS und das Symbol der IS-Medienstelle "Al-Hayat Media Center" zeigen (Fälle 4 bis 28), erfüllt das Verhalten des Beschuldigten den Tatbestand des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VereinsG. Durch Verfügung des Bundesministers des Inneren vom 12. September 2014 (BAnz AT 12. September 2014 B1, unanfechtbar geworden am 31. Oktober 2014) ist nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 18 Satz 2 des VereinsG ein Betätigungsverbot betreffend die Organisation IS im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes ergangen. Die Verfügung umfasst unter anderem das Verbot, die vorgenannten Kennzeichen des IS öffentlich in einer Versammlung oder in Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen und Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden. Durch das Einstellen der IS-Propagandavideos und -bilder in den Fällen 4 bis 28 hat der BeschuIdigte einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 VereinsG zuwidergehandelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG) und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG).
37
cc) In den Fällen 4 bis 7 steht der Verstoß gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VereinsG) jeweils in Tateinheit mit einer Gewaltdarstellung nach § 131 StGB.
38
dd) Im Hinblick auf den engen zeitlichen und mutmaßlich räumlichen Zusammenhang wird im weiteren Verlauf des Verfahrens zu prüfen sein, ob - abweichend von der Würdigung des Ermittlungsrichters, der jeweils Tatmehrheit (§ 53 StGB) angenommen hat - die Fälle 8 und 9 in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen; gleiches gilt für die Fälle 11 bis 24 und für die Fälle 26 bis 28. Für die Frage der Haftfortdauer kommt es auf die insoweit zu treffende konkurrenzrechtliche Bewertung indes nicht an.
39
c) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich daraus, dass die Taten im Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs begangen wurden (§ 3 StGB). Der Beschuldigte ist im Inland wohnhaft; der Inlandsbezug gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB ist gegeben.
40
d) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" sowie als "Islamischer Staat" bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 13. Oktober 2015 unter Neufassung seiner bisherigen Erklärungen erteilt.
41
4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem daraus folgenden hohen Fluchtanreiz stehen keine hinreichend festen persönlichen und sozialen Bindungen entgegen, welche die Annahme rechtfertigen, er würde sich dem Verfahren in Deutschland stellen.
42
Der Beschuldigte reiste im Jahr 2015 nach Deutschland ein; es gelang ihm jedoch nicht, hier Fuß zu fassen. Seine Wohnung wurde inzwischen durch die Wohnungsinhaberin gekündigt und im November 2018 geräumt. Der Beschuldigte äußerte mehrfach in überwachten Telefonaten die Absicht, Deutschland zu verlassen, um entweder in das Herrschaftsgebiet des IS zur Teilnahme am bewaffneten Jihad zu ziehen oder sich zu seinen in der Türkei aufhältigen Familienangehörigen zu begeben. Durch seine Einbindung in ein salafistisches Netzwerk und eine Vielzahl von Chatgruppen, deren wesentlicher Inhalt der Austausch und die Verbreitung jihadistischer Propaganda ist, verfügt der Beschuldigte über gute Kontakte zu Gleichgesinnten im In- und Ausland, die ihm bei einer Flucht oder beim Untertauchen behilflich sein könnten.
43
Eine mit Auflagen nach § 116 StPO verbundene Außervollzugsetzung des Haftbefehls ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
44
5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
45
Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Die Ermittlungen dauern an. Nach der Abgabe durch den Generalbundesanwalt sind die Akten am 2. August 2018 bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden eingegangen; seither sind die Ermittlungen weiterhin zügig vorangetrieben worden. Das umfangreiche, aus der Telekommunikationsüberwachung und der Wohnungsdurchsuchung gewonnene Beweismaterial - überwiegend in elektronischer Form und in arabischer Sprache - hat zeitaufwändig aufbereitet, teilweise übersetzt und ausgewertet werden müssen. Unter anderem sind zwei Mobiltelefone mit ca. 38 GB Daten sichergestellt worden; darunter befinden sich etwa 2.000 Chats mit über 36.000 Nachrichten , 6.300 Kontaktdaten, mehr als 30.000 Bilddateien, 2.000 Videodateien, 4.000 Textdateien und 400 Dokumente, 1.200 Audiodateien und Webverläufe mit etwa 12.600 besuchten Webseiten. Die Auswertung dieser Beweismittel dauert an. Die erforderlichen Vernehmungen von Kontaktpersonen des Beschuldigten sind im Dezember 2018 durchgeführt worden. Nach alledem ist das Verfahren bisher mit der in Haftsachen gebotenen Intensität beschleunigt und gefördert worden.
46
6. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen, die diese für den Beschuldigten zur Folge hat, nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Gericke Hoch