Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2014 - 5 StR 546/13
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen versuchter räuberischer Erpressung (Fall 1) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; den Angeklagten V. hat es – unter Freisprechung im Übrigen – wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall 1; Einzelstrafe: drei Jahre Freiheitsstrafe) und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und daneben eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen, erzielen jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; die Revision des Angeklagten V. ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall 1 der Urteilsgründe wegen versuchter (schwerer) räuberischer Erpressung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu diesem Fall ist lückenhaft und insoweit nicht frei von Rechtsfehlern.
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- Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von Vorgehensweise und Absicht der Angeklagten wesentlich auf die Zeugenaussage des Geschädigten gestützt. Dieser hatte in der Hauptverhandlung zunächst von einem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht. Er war daraufhin parallel zur laufenden Hauptverhandlung in einem nach Einstellung wiederaufgenommenen Ermittlungsverfahren, in dem ihm Betäubungsmitteldelikte zur Last gelegt wurden , von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter vernommen worden. Anschließend war der erneut als Zeuge geladene Geschädigte zu einer Aussage in der Hauptverhandlung bereit; er äußerte sich auch zur Motivation seiner anfänglichen Auskunftsverweigerung und seines zwischenzeitlichen Entschlusses, doch noch auszusagen. Hierzu gab er u.a. auch an, dass ihm der Staatsanwalt im Falle einer Zeugenaussage im Gegenzug eine erneute Einstellung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens zugesagt habe. Eine solche Zusage hatte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bestritten, der zuvor in der Hauptverhandlung als Zeuge zu seiner Beschuldigtenvernehmung des Geschädigten vernommen worden war.
- 4
- Bei ihrer Wertung, dass die Glaubwürdigkeit des Geschädigten durch den Wechsel in seiner Aussagebereitschaft nicht durchgreifend beeinträchtigt sei, hat die Strafkammer maßgeblich auch darauf abgestellt, dass der Geschädigte die ihm gemachte Einstellungszusage selbst offengelegt habe, was gegen eine im Hinblick hierauf wahrheitswidrig gestaltete Aussage spreche (UA S. 36). In diesem Zusammenhang hat sich die Strafkammer indes nicht mit dem in den Urteilsgründen festgestellten Widerspruch zur Zeugenaussage des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft auseinandergesetzt. Die Strafkammer hat nicht erkennbar in Erwägung gezogen, dass allein dieser Widerspruch ein (weiteres) Indiz gegen eine Glaubwürdigkeit des Geschädigten bilden könnte.
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- Der Fall 1 der Urteilsgründe bedarf daher insgesamt – auch hinsichtlich der für sich nicht rechtsfehlerhaften tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis – einer neuen tatgerichtlichen Prüfung. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall 1 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der für den Angeklagten V. erkannten Gesamtstrafe nach sich.
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- 2. Nach dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf die von den Revisionen erhobene Verfahrensrüge an, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach seiner zeugenschaftlichen Vernehmung weiterhin in der Hauptverhandlung tätig gewesen sei und den Schlussvortrag gehalten habe, in dem er auch seine eigene zeugenschaftliche Aussage gewürdigt habe (vgl. zur Prob- lematik die bei BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 1 bis 6 abgedruckten Entscheidungen mwN).
Berger Bellay
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Referenzen - Gesetze
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.