Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2019 - 5 StR 516/19

bei uns veröffentlicht am12.12.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 516/19
vom
12. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Bedrohung
ECLI:DE:BGH:2019:121219B5STR516.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 StPO am 12. Dezember 2019 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 24. Mai 2019, soweit eine Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, dass insoweit die gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision ist im Umfang der Beschlussformel teilweise erfolgreich.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zur verhängten Einzelstrafe keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
3
2. Jedoch hat der Strafausspruch keinen Bestand, weil das Landgericht weder dargelegt noch geprüft hat, ob mit den Einzelstrafen aus dem Erkenntnis des Amtsgerichts Weißwasser vom 13. November 2018 eine Gesamtstrafe zu bilden war.
4
a) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Weißwasser vom 2. Januar 2018 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Tatzeit: 2. August 2017) zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine weitere Verurteilung zu Geldstrafe erfolgte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bayreuth vom 23. März 2018 wegen vorsätzlichen Besitzes in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer verbotenen Waffe (Tatzeit: 21. Januar 2018). Nach Begehung der vorliegend verfahrensgegenständlichen Bedrohung am 4. November 2018 verhängte das Amtsgericht Weißwasser gegen den Angeklagten wegen Betruges in sechs Fällen (begangen in den Jahren 2013 bis 2016) eine Gesamtgeldstrafe. Über die Vollstreckungsstände der genannten (Gesamt )Geldstrafen gibt das angefochtene Urteil keine Auskunft.
5
b) Die verfahrensgegenständliche Tat liegt somit zwischen mehreren möglicherweise untereinander oder mit hiesiger nach § 55 StGB gesamtstrafenfähigen Verurteilungen. Aus der Strafe für die neue Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung des Amtsgerichts Weißwasser vom 13. November 2018 darf zwar keine Gesamtstrafe gebildet werden, wenn eine der beiden Vorverurteilungen eine bei der Verurteilung vom 13. November 2018 (noch) zu beachtende Zäsur begründet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09). Hiervon ist das Landgericht möglicherweise ausgegangen. Indes können nur unerledigte Strafen eine Zäsurwirkung entfalten (vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 5 StR 644/87, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 5). Ob der Strafbefehl des Amtsgerichts Weißwasser vom 2.
Januar 2018 oder der des Amtsgerichts Bayreuth vom 23. März 2018 zu einer solchen Zäsur geführt hat, kann auf der Basis der Urteilsgründe aber nicht geprüft werden.
6
c) Der Senat macht wegen des ausschließlich die Gesamtstrafenbildung betreffenden Rechtsfehlers von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 Buchst. b StPO Gebrauch.
Mutzbauer Schneider König
Mosbacher Köhler
Vorinstanz:
Görlitz, LG, 24.05.2019 - 100 Js 26269/18 1 Ks

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Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2009 - 5 StR 269/09

bei uns veröffentlicht am 21.07.2009

5 StR 269/09 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 21. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2009 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des La

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 269/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. März 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. März 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Mit Recht weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. März 2008, mit dem der Angeklagte wegen einer am 16. Mai 2006 begangenen gefährli- chen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden ist, hinsichtlich der im Tatzeitraum von Mai 2007 bis September 2007 durch den Angeklagten begangenen vier Taten keine Zäsurwirkung zukommt. Denn zwischen den Urteilen des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Februar 2007 (Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Gebrauch eines nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs; Tatzeit: 17. August 2006), des Amtsgerichts Bernau vom 13. März 2007 (zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Betruges; Tatzeit: 29. November 2006), des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. April 2007 (Geldstrafe wegen Erschleichens von Leistungen; Tatzeit: 23. Oktober 2006), des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. April 2007 (Geldstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes; Tatzeit: 19. September 2006) und dem genannten Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. März 2008 besteht eine Gesamtstrafenlage nach § 55 StGB. Deswegen sind die in diesen Urteilen ausgesprochenen Strafen – ungeachtet des Vollstreckungstands der Geldstrafenverurteilungen (BGH NStZ-RR 2007, 369) – durch eine Entscheidung nach § 460 StPO auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen. Liegen aber die neu abzuurteilenden Taten – wie hier – zwischen mehreren nach § 460 StPO auf eine Gesamtstrafe zurückzuführenden Verurteilungen, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden; denn bereits die erste, mit den neuen Taten nicht gesamtstrafenfähige Vorverurteilung bildet eine Zäsur (BGH aaO). Der Ausspruch über die Gesamtstrafe war daher aufzuheben.
3
2. Der Senat macht nicht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 Buchst. b StPO Gebrauch, sondern verweist die Sache an das Landgericht zurück. Er bemerkt, dass ein Gesamtstrafübel von acht Jahren und neun Monaten angesichts der Vielzahl und des Gewichts der dem Angeklagten durch das Landgericht zugebilligten Milderungsgründe gravierend übersetzt erscheint. Das neu entscheidende Tatgericht wird sich eher an der Einsatzstrafe von drei Jahren neun Monaten Freiheitsstrafe zu orientieren haben.
4
3. Die Feststellungen können bestehen bleiben. Das neu entscheidende Tatgericht ist nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.