Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2010 - 5 StR 487/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat die 13 angeklagten Justizvollzugsbediensteten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, in Ausübung des Dienstes bei drei Vorfällen am Morgen und am Nachmittag des 4. und am Morgen des 5. März 1999 in unterschiedlicher Beteiligung den damals als Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg inhaftierten Nebenkläger verletzt zu haben. Die gegen die Freisprüche gerichtete Revision des Nebenklägers, dem nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 6. Januar 2010 angegebenen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erweist sich letztlich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Während das Landgericht für den 4. und 5. März 1999 jeweils morgens Widerstandshandlungen des nach einer Ellenbogenoperation im Februar 1999 psychisch stark dekompensierten, wiederholt aggressiven Neben- klägers festgestellt hat, die mit nicht feststellbar überschießendem körperlichen Einsatz von mehreren der Angeklagten gebrochen wurden, hat das Landgericht für den Nachmittag des 4. März 1999 jegliches Zusammentreffen des Nebenklägers mit einem der Angeklagten ausgeschlossen.
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- 2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat an:
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- a) Die Besetzungsrüge bleibt erfolglos. Angesichts des überaus begrenzten angeklagten Tatgeschehens, der Einfachheit der strafrechtlichen Bewertung und einer namentlich angesichts des Zeitablaufs minderen Straferwartung der Angeklagten ist der tatgerichtliche Beurteilungsspielraum nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG gerade noch nicht überschritten, wenngleich schon nach der Anzahl der Angeklagten, zudem angesichts der Bedeutung der Sache , auch im Lichte des öffentlichen Interesses, und der absehbaren beträchtlichen Beweisprobleme eine Verhandlung unter Mitwirkung eines dritten Berufsrichters sehr viel näher gelegen hätte.
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- b) Ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheint eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen beschränkten Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Diesem vermittelt das Beweisantragsrecht nicht nur in gleicher Weise wie dem Nebenkläger eine Stärkung der aktiven Einflussmöglichkeiten auf den Umfang der Beweisaufnahme, sondern auch eine Konkretisierung seines Rechts auf ein faires Verfahren und damit auf eine gewisse „Waffengleichheit“ sowie eine Ergänzung der für ihn streitenden Unschuldsvermutung.
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- 3. Die den Freisprüchen zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nach den für das Revisionsgericht geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden. Angesichts der hinreichend deutlich dokumentierten überaus begrenzten konkreten Belastungsbeweise für die angeklagten Fälle stellt es keine beachtliche Lücke in der Beweisführung des Landgerichts dar, dass Erkenntnisse über weitere Fälle des Fehlverhaltens von Justizvollzugsbediensteten der gleichen Station nicht näher abgehandelt worden sind; sie wurden von der Presse erst fünf Jahre nach dem hier angeklagten Tatgeschehen angeprangert, haben indes offenbar zu keinen weiteren Anklageerhebungen geführt. Etwaige auch massivere weitere Verdachtsfälle gegen hier Angeklagte konnten bei der gegebenen tatbezogenen Beweislage ersichtlich keine Überführung im Sinne der – spät erhobenen und noch sehr viel später verhandelten – Anklage erbringen. Bei der aus dem Urteil erkenntlichen eklatanten Schwäche der maßgeblichen Zeugenaussage des Nebenklägers mussten auch keine näheren Erwägungen darüber angestellt werden , ob einzelne Angeklagte mit ihrem anklagebezogenen festgestellten Verhalten in den Fällen 1 und 3 der Anklage nicht doch die Grenzen zulässigen Vollzugsverhaltens auch im Rahmen gebrochenen Widerstandes des Nebenklägers überschritten haben könnten.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.
(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn
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sie als Schwurgericht zuständig ist, - 2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder - 3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.
(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.
(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.
(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.
(1) Der Nebenkläger ist, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Er ist zur Hauptverhandlung zu laden; § 145a Absatz 2 Satz 1 und § 217 Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31) oder Sachverständigen (§ 74), das Fragerecht (§ 240 Absatz 2), das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2) und von Fragen (§ 242), das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6) sowie das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258) stehen auch dem Nebenkläger zu. Dieser ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, im selben Umfang zuzuziehen und zu hören wie die Staatsanwaltschaft. Entscheidungen, die der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden, sind auch dem Nebenkläger bekannt zu geben; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Nebenkläger kann sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Der Rechtsanwalt ist zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Er ist vom Termin der Hauptverhandlung zu benachrichtigen, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt oder er als Beistand bestellt wurde.
(3) Ist der Nebenkläger der deutschen Sprache nicht mächtig, erhält er auf Antrag nach Maßgabe des § 187 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung schriftlicher Unterlagen, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist.