Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2016 - 5 StR 448/16

bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 448/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2016:261016B5STR448.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2016 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, dass der erweiterte Verfall von 2.450 € angeordnet ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Neben- und Adhäsionskläger durch seine Revision entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie ist unbegründet, weil die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt hat.
2
Jedoch war die Urteilsformel um die in das niedergeschriebene Urteil versehentlich nicht aufgenommene Verfallsentscheidung zu ergänzen (§ 354 StPO analog). Die Verfallsentscheidung ist in der in der Hauptverhandlung verkündeten Urteilsformel enthalten (vgl. Sachakten Bd. 5 Bl. 126) und in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei begründet. Bei einem Widerspruch zwischen der ausweislich der Sitzungsniederschrift verkündeten Urteilsformel und der Urteilsformel des schriftlichen Urteils ist die Sitzungsniederschrift maßgebend (vgl.
BGH, Beschluss vom 4. Februar 1986 – 1 StR 643/85, BGHSt 34, 11, 12; LR StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 275 Rn. 62; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 268 Rn. 18, je mwN). Der Senat vermochte die Ergänzung selbst vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 1 StR 515/09 mwN).
Sander Schneider König
Berger Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2009 - 1 StR 515/09

bei uns veröffentlicht am 27.10.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 515/09 vom 27. Oktober 2009 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2009 beschlossen : Auf

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 515/09
vom
27. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2009 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 14. Juli 2009 aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten
ein Vorwegvollzug von zwei Jahren der Gesamtfreiheitsstrafe
vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet
worden ist. Zur erneuten Entscheidung über den Vorwegvollzug
und über die Kosten des Rechtsmittels wird die Sache an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Schuldspruch des oben genannten Urteils wird, auch hinsichtlich
der mitverurteilten M. und F. ,
dahingehend ergänzt, dass nach den Worten „des unerlaubten
bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge“ die Worte „in fünf Fällen“ eingefügt werden.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen mehrerer Verbrechen des unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind.
2
Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt der Angeklagte, dass der Vorwegvollzug vom Revisionsgericht auf ein Jahr der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt wird, hilfsweise die Aufhebung des Urteils im Ausspruch über den Vorwegvollzug und insoweit die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz.
3
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. September 2009 ausgeführt: „Der Beschwerdeführer beschränkt die Revision auf die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzuges. Dies ist zulässig, da der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils, losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil, rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18.12.2007 - 3 StR 516/07 m.w.N.). So liegt es hier. Die Kammer hat - sachverständig beraten (UA S. 13) - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass beim Angeklagten die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB vorliegen (UA S. 14, 15).
Hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzuges kann die Entscheidung, bei der sich das Landgericht offensichtlich am Zeitpunkt einer möglichen 2/3Entlassung orientiert hat (UA S. 15), nicht bestehen bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Wie der Beschwerdeführer auch zutreffend rügt, soll gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327ff.; im Folgenden n.F.) das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Eine abweichende Entscheidung zur Vollstreckungsreihenfolge ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eher die Erreichung eines Therapieerfolgs erwarten lässt. Liegen - wie hier - keine Gründe vor, die gegen die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des Vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Dieser Teil ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB n.F. so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. Senat Beschluss vom 6. Mai 2008 - 1 StR 144/08 sowie vom 8. Januar 2008 - 1 StR 644/07).
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass gemäß § 64 StGB die Dauer der Unterbringung im Regelfall mit zwei Jahren anzusetzen sei, diese indessen bei dem Angeklagten nicht 'unerheblich unterschritten werden' könne (UA S. 15). Die Bemessung des Vorwegvollzuges und die voraussichtliche Dauer des Maßregelvollzuges werden es nach Auffassung des Tatgerichts aller Voraussicht nach bei einem erfolgreichen Abschluss der Therapie dem Angeklagten möglich machen, das letzte verbleibende Strafdrittel zur Bewährung auszusetzen (UA a.a.O.).
Dies ist rechtsfehlerhaft sowohl in der Hinsicht, dass sich die Kammer entgegen § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB am Zeitpunkt einer möglichen 2/3Entlassung orientiert, als auch davon abgesehen hat, die voraussichtliche Dauer der Unterbringung bestimmt festzusetzen (Fischer, StGB § 67 Rdn. 11a m.w.N.).
Da insoweit die voraussichtliche Dauer der Therapie nicht rechtsfehlerfrei festgestellt wurde, ist dem Senat eine Durchentscheidung verwehrt, mit der er die Dauer des Vorwegvollzuges selbst bestimmen könnte (vgl. Senat Beschluss vom 6. Mai 2008 - 1 StR 144/08 -). Eine andere Strafkammer wird die voraussichtliche Dauer der Unterbringung gemäß § 64 StGB feststellen und danach die des Vorwegvollzuges neu bestimmen müssen.“
4
Dem tritt der Senat bei.
5
2. Die Urteilsformel bedarf einer Ergänzung:
6
Der landgerichtliche Urteilstenor lautet: „Die Angeklagten B. , M. und F. sind des unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall schuldig.“ Die Strafkammer erkannte dann auf Gesamtfreiheitsstrafen. Der formulierte Schuldspruch ist offensichtlich unvollständig. Wie sich aus den Urteilsgründen - sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in der rechtlichen Würdigung und in der Strafzumessung - zweifelsfrei ergibt, wurden der Angeklagte und die - nicht revidierenden - Mitverurteilten M. und F. wegen unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen für schuldig befunden - in dreien dieser Fälle - so das Landgericht - in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, in einem weiteren in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge. Es bestehen keine Zweifel daran, dass das Urteil so „beschlossen“ wurde (vgl. RGSt 13, 267, 269) und dies auch der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe zugrunde lag (vgl. BGH GA 1969, 119). Das Verlesen der Urteilsformel und die Eröffnung der Urteilsgründe bilden eine Einheit (vgl. § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Worte „in fünf Fällen“ wurden ersichtlich nur wegen eines Schreibversehens nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Dies hat der Senat korrigiert (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO), auch hinsichtlich der Mitverurteilten (entsprechend § 357 StPO). Die Behebung derartiger offensichtlicher Versehen (Lücken) bei der Niederschrift der Urteilsformel, hinter denen sich zweifelsfrei keine sachliche Änderung verbirgt, ist nicht nur dem Ausgangsgericht (vgl. BGHSt 5, 5, 10; 25, 333, 336; BGH NStZ 1984, 279; BGH, Beschl. vom 22. November 1960 - 1 StR 426/60; RGSt 13, 267, 269), sondern ebenso dem mit der Sache befassten Rechtsmittelgericht möglich, auch wenn der Schuldspruch schon rechtskräftig ist (entsprechend BayObLGSt 1972, 1 bei unvollständiger Wiedergabe der Strafvorschrift).
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3. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen bandenmäßigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und deren unerlaubter Einfuhr wird auf BGH, Beschl. vom 8. November 2006 - 1 StR 506/06 Rdn. 2 verwiesen (vgl. auch Weber, BtMG 3. Aufl., § 30a Rdn. 36). Insoweit ist dem Senat eine Korrektur des rechtskräftigen Schuldspruchs jedoch verwehrt, da bei der Annahme von Tateinheit nicht nur ein Formulierungsversehen vorliegt , wie die Urteilsgründe ausweisen. Nack Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander