Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 5 StR 382/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) aufgehoben und das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall 8 b der Urteilsgründe verurteilt worden sind; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;
b) in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass der Angeklagte A. des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig ist, der Angeklagte Ö. des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ;
c) in den Gesamtstrafaussprüchen aufgehoben sowie mit den zugehörigen Feststellungen, soweit hinsichtlich des Angeklagten A. eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Ö. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Hinsichtlich der Tat 8 b der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen , weil diese Tat nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage war und eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO nicht erhoben worden ist (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 55. Aufl., Einl. Rn. 143a).
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- a) Nach den zu Fall 8 b der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte A. am 27. April 2011 in Ham- burg von seinem niederländischen Lieferanten sieben Kilogramm Marihuana, welches am 28. April 2011 um 21.18 Uhr in die Wohnung des Angeklagten Ö. gebracht wurde. Von dort aus wurde es weiter verkauft oder zum Weiterverkauf an Dritte übergeben.
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- b) Dieses Tatgeschehen ist – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – nicht von der zugelassenen Anklage umfasst. Im Anklagesatz wird lediglich der unter Fall 8 a der Urteilsgründe festgestellte Sachverhalt (Erwerb , Anlieferung und Verkauf bzw. Lagerung von zehn Kilogramm Marihuana am 18. und 19. April 2011) geschildert. Allein der Umstand, dass bereits ein Teil des Handlungsablaufs vom 28. April 2011, allerdings bezogen auf die Lieferung vom 18. April 2011, im Anklagesatz erwähnt ist, lässt noch nicht den Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer mit dieser Handlung verbundenen weiteren prozessualen Tat erkennen. Denn ein eigenständiger Erwerb von Betäubungsmitteln, der für das weitere Betäubungsmittelgeschäft die Grundlage bilden würde, lässt sich weder dem Anklagesatz noch dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen.
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- 2. Das Urteil begegnet ferner durchgreifenden Bedenken, soweit eine Erörterung der Unterbringung des Angeklagten A. in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen getroffenen Erwägungen, dass bei dem Angeklagten A. „keine klassische Drogenabhängigkeit vorlag und eine stationäre Drogenentzugsbehandlung – geschweige denn eine Unterbringung nach § 64 StGB“ (UA S. 59) nicht notwendig sei, lassen befürchten, dass das Landgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Verhängung dieser Maßregel in Betracht kommt, einen zu engen Begriff des Hangs zu übermäßigem Rauschmittelkonsum zugrunde gelegt hat. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB setzt eine chronische , auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung voraus, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei auch das Fehlen ausgeprägter Ent- zugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz dem nicht entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12 mwN). Solches ist bei dem einschlägig vorbestraften Angeklagten A. angesichts des festgestellten Konsums von Marihuana und Kokain sowie sonstiger Auffälligkeiten (UA S. 8, 58) nicht völlig fernliegend. Die Sache bedarf insoweit unter Hinzuziehung eines Sachverständigen neuer tatrichterlicher Prüfung. Das Verbot der Schlechterstellung steht einer möglichen Maßregelanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
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- 3. Die Einstellung wegen der nicht angeklagten Tat zieht die Änderung der Schuldsprüche nach sich. Der Wegfall der im Fall 8 b der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen führt – hinsichtlich des Angeklagten A. neben der Beanstandung der unterbliebenen Maßregel – zur Aufhebung der Gesamtstrafen. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass diese bei Wegfall je einer Verbrechensverurteilung ungeachtet der weiteren Einzelstrafen etwas niedriger bemessen werden könnten.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.
(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.
(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.