Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - 5 StR 375/09

bei uns veröffentlicht am22.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 375/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 28. Mai 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte einen Taxifahrer am Tatabend unter Vorhalt eines mit einer Messerklinge versehenen Mehrzweckwerkzeugs sein Fahrzeug zu verlassen. In der Absicht, in dem Fahrzeug Selbstmord zu begehen, lenkte er es zunächst an eine einsame Stelle in einem Feldweg am Ortsrand von Hannover, leitete über einen mitgeführten Gartenschlauch die Abgase in das Auto und setzte sich bei laufendem Motor mehrere Stunden den Auspuffabgasen aus. Nach einigen Stunden, als es allmählich hell wurde, entschloss sich der Angeklagte , seinen Standort zu wechseln und stellte das Fahrzeug an einem Waldrand , verdeckt von Büschen und Bäumen ab. Das Auto war dort von der Hauptstraße aus nicht zu sehen. Der Angeklagte setzte sich erneut den ins Fahrzeuginnere geleiteten Abgasen aus und verlor in der Folgezeit mehrfach das Bewusstsein, bevor er am Nachmittag entdeckt wurde.
3
Der Angeklagte leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung, die durch chronische Suizidalität gekennzeichnet ist. Das sachverständig beratene Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass diese Suizidalität im Zeitpunkt der Tatbegehung das Denken und Handeln des Angeklagten derart einengte, dass eine erheblich herabgesetzte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorlag.
4
2. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden Bedenken.
5
a) Das Landgericht hat den Strafrahmen des minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat es zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er „in der Vergangenheit mehrfach erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde, die er teilweise auch verbüßte, ohne dass ihn dies von der hiesigen Straftat abgehalten hätte“. Auch seien an dem geraubten Taxi Schäden entstanden. Mildernd hat es gewertet, dass der Angeklagte bislang nicht durch Gewaltdelikte in Erscheinung getreten sei, bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben zum Sachverhalt gemacht habe, schuldeinsichtig und reuig sei und das zufällig ausgewählte Opfer keine erheblichen Schäden davongetragen habe; außerdem habe der Angeklagte nicht aus finanziellen Interessen gehandelt. Ohne Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB hätte indes ein minder schwerer Fall nach Überzeugung der Strafkammer nicht bejaht werden können. Denn andererseits falle zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht, „dass er zum Tatzeitpunkt bereits eine Ladung zum Strafantritt wegen einer Frei- heitsstrafe, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war, erhalten hatte, was ihn dennoch nicht von der Tatbegehung abhielt“. So begründet hat die Strafkammer eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt.
6
b) Diese Erwägungen lassen besorgen, dass das Landgericht wesentliche strafmildernde Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung, die es der Annahme eines minder schweren Falles zugrunde legt, nicht berücksichtigt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass es andernfalls bereits ohne Heranziehung des Strafmilderungsgrundes gemäß § 21 StGB zu einer Bejahung des minder schweren Falles gelangt wäre, so dass eine weitere Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB möglich gewesen wäre. Dies betrifft insbesondere die unterbliebene Wertung des Tatgeschehens als Verzweiflungstat, was die strafschärfende Anlastung von Vorverurteilungen relativiert. Zudem bezieht das Landgericht nicht ausreichend in seine Erwägungen ein, dass die verwirklichte Eigentumsverletzung im Grenzbereich zum unbefugten Fahrzeuggebrauch liegt.
7
c) Da der Strafausspruch wegen Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die hierzu gehörenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.