Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - 5 StR 259/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) dahingehend abgeändert, dass beide Angeklagte der Untreue (in einem Fall) schuldig sind;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich beider Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat die beiden Angeklagten jeweils wegen Untreue in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (Z. ) und zwei Jahren und vier Monaten (W. ) verurteilt. Als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es bei dem Angeklagten Z. fünf Monate und bei dem Angeklagten W. vier Monate auf die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen angerechnet. Ihre hiergegen gerichteten Revisionen haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel zu entnehmenden Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
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- Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
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- 1. Die Angeklagten waren Vorstände der W. „G. “ S. D. (im Folgenden: WGS). Die WGS musste einen Teil ihres Wohnungsbestandes verkaufen. Hierdurch kamen die Angeklagten in Kontakt mit F. , dem Käufer von Wohnungen, und – ebenfalls über F. – dem Schweizer Kaufmann H. . Diese beschäftigten sich mit sogenannten „Finanztradings“. Ausweislich der Feststellungen des Landgerichts sollten dabei neu emittierte Unternehmensanlagen zum Nominalwert gekauft und anschließend sofort an Interessenten eines zweiten Markts verkauft werden. Die damit verbundenen Gewinnchancen betrugen nach der Vorstellung der Beteiligten bis zu 300 %. Erforderlich hierfür war allerdings eine Beteiligung an einem Kapitalstock. Der Anteil musste bei 10 bis 15 Mio. € liegen. Das Geld sollte als „Spiegelgeld“ auf einem Konto gelagert werden. Die beiden Angeklagten, die wussten, dass die Gelder in Finanztradinggeschäfte investiert werden sollten, schlossen als Organe der WGS einen Darlehensvertrag mit der B. AG. Hinter der B. AG stand H. . In dem Vertrag wurde eine – damals überdurchschnittliche – Verzinsung von über 4 % jährlich vorgesehen, um gegenüber den Gremien der WGS diese Form der Kapitalanlage rechtfertigen zu können. Der in dieser Sache bereits abgeurteilte Notar L. beurkundete den Vertrag. L. wurde zudem in einem daneben geschlossenen Treuhandvertrag als Treuhänder eingesetzt, wobei er angewiesen war, über die auf sein Anderkonto geleiteten Gelder nur zu verfügen, wenn die Rückzahlung gesichert war.
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- L. überwies die 14 Mio. € auf das von der C. I. geführte Bereitstellungskonto. Dort verlor das Kapital infolge von Währungsschwankungen an Wert. Um die Verluste auszugleichen, begannen L. , F. und H. ohne Wissen der Angeklagten mit hochriskanten Währungsspekulationsgeschäften , die jedoch nicht erfolgreich waren. Zum Rückzahlungstermin waren nurmehr gut 2 Mio. € vorhanden. L. und H. gelang es gleichwohl, die Angeklagten zu einer Verlängerung der Anlage bis Ende 2004 zu überreden.
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- Nach den Feststellungen des Landgerichts stellten die Angeklagten zwar keine konkreten Nachfragen, gingen jedoch davon aus, dass das Kapital aktuell jedenfalls ernsthaft gefährdet sei. Sie hofften aber, dass bis zum Rückzahlungstermin die Schwierigkeiten behoben sein könnten. In der Folgezeit wurden jedoch weitere Gelder verloren, so dass der Schaden sich insgesamt auf 13,29 Mio. € belief. Die Angeklagten erhielten von F. Schmiergelder, deren konkrete Höhe nicht mehr feststellbar war.
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- 2. Das Landgericht hat diesen Sachverhalt als gemeinschaftliche Untreue in zwei Fällen gewürdigt. Bereits mit der Überweisung der 15 Mio. € sei eine Vermögensminderung eingetreten, weil der Rückzahlungsanspruch ungesichert gewesen sei. Dessen Wert lasse sich zwar nicht feststellen, weil es an marktmäßigen Erfahrungen für die Art des zu bewertenden Anspruches fehle. Dies sei jedoch für die Tatbestandserfüllung ebenso irrelevant wie die subjektive Hoffnung der Angeklagten, dass die Rückzahlung sich doch realisieren lasse. Eine weitere Untreue in der Missbrauchsvariante des § 266 Abs. 1 StGB hätten die Angeklagten begangen, als sie den verbliebenen Rest des Kapitals nicht zurückgefordert, sondern vielmehr die Kapitalüberlassung verlängert hätten. Diese Handlung habe auf einem neuen Tatentschluss beruht.
II.
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- Die Revisionen der Angeklagten sind teilweise begründet. Sie führen zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
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- 1. Die Angriffe des Angeklagten W. gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts sind allerdings erfolglos. Weder hat das Landgericht die gebotene Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte unterlassen noch liegt ein Erörterungsmangel vor. Das Landgericht hat sich mit der Frage, ob auch der Angeklagte W. in die Taten eingeweiht war, eingehend auseinandergesetzt. Es hat dies aus seinem vertrauensvollen Verhältnis zum Angeklagten Z. gefolgert, aus seiner Rolle als „Macher“ innerhalb des Vorstands wie auch aus seiner Teilnahme am Vertragsschluss selbst. Zudem hat es Äußerungen über ihn im Vorfeld der Vereinbarung und von ihm nach Abschluss der Vereinbarung ergänzend für seine Überzeugungsbildung herangezogen.
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- a) Entgegen der Auffassung der Revision musste die Strafkammer bei ihrer Beweiswürdigung nicht den Umstand näher bewerten, dass sich – wie sie auf einen entsprechenden Beweisantrag hin als wahr unterstellt hat – bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu seinem Vermögen keine Anhaltspunkte für Zuwendungen von F. oder H. ergeben hätten. Dieser Gesichtspunkt erschöpft sich in einem Fehlen weiterer belastender Indizien. Da die Aushändigung der Bestechungsgelder an den Angeklagten Z. – mit Ausnahme einer kleineren Überweisung an seine Lebensgefährtin – in bar erfolgte, ist das Fehlen solcher Spuren kaum aussagekräftig und bedurfte deshalb im Rahmen der Gesamtwürdigung keiner ausdrücklichen Erwähnung.
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- Es liegt auch kein Zirkelschluss in der Folgerung des Landgerichts, der Angeklagte W. hätte an dem Finanztrading nicht mitgewirkt, wenn er nicht auch Bestechungsgelder erhalten hätte. Vielmehr ist das Landgericht aufgrund von zwischen F. und H. ausgetauschten E-Mails ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass beide Angeklagte sogenanntes „Ostergeld“ in Höhe mindestens ihrer Jahresgehälter empfangen haben. Ersichtlich war die Argumentationskette deshalb, dass für den Erhalt von Bestechungsgeldern Indizien sprechen, die Bestechungsgelder wiederum die Pflichtwidrigkeit erklären können, die in der Überlassung der Gelder zum Zwecke des Finanztradings liegt.
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- b) Die Revision rügt weiter erfolglos, das Landgericht hätte die Möglichkeit erörtern müssen, dass der Angeklagte W. seinem Vorstandskollegen vertraut habe und letztlich von diesem hintergangen worden sei. Es hebt hierbei insbesondere auf eine in den Urteilsgründen geschilderte Episode ab, wonach der Angeklagte Z. den Notar L. vor dem Abschluss der Verlängerungsvereinbarung „angebrüllt“ und zur Ordnung gerufen haben soll, dies aber vorher angekündigt hatte. Gegenüber F. habe er erklärt, dass dieser „Wutanfall“ für W. inszeniert worden sei. Diesen möglichen Hintergrund sieht das Landgericht ersichtlich, zieht aber den nach dem Gesamtzusammenhang der Aussage des H. revisionsrechtlich letztlich nicht zu beanstandenden Schluss, Z. habe gegenüber dem nervös gewordenen Angeklagten W. so unter Beweis stellen wollen, dass er H. nunmehr im Griff habe.
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- 2. Der Schuldspruch wegen Untreue hält im Grundsatz rechtlicher Überprüfung stand. Bei einem Kapitaltransfer in dieser Größenordnung zur Durchführung von Spekulations- und Risikogeschäften ohne jegliche wirksame Absicherung ist ohne jeden Zweifel ein Nachteil im Sinne § 266 Abs. 1 StGB eingetreten. Die subjektiven Voraussetzungen des Tatbestands liegen gleichermaßen vor.
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- Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht bei beiden Angeklagten zwei selbständige Taten der Untreue ausgeurteilt. Der Senat korrigiert deshalb den Schuldspruch entsprechend.
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- Die vom Landgericht angenommene zweite selbständige Untreuehandlung durch den Abschluss der Verlängerungsvereinbarung und die unterbliebene Rückforderung des noch übrigen Kapitals ist mitbestrafte Nachtat. Das Landgericht geht nämlich selbst zutreffend davon aus, dass mit der Überweisung des Kapitals jedenfalls eine Vermögensminderung eingetreten ist, weil der Rückzahlungsanspruch nicht gesichert war. Damit war die Untreue – im Hinblick auf den Gesamtbetrag – bereits vollendet. Die späteren Maßnahmen, insbesondere der Abschluss der Verlängerungsvereinbarung waren deshalb keine neuen Taten, sondern lediglich Einzelhandlungen, die geeignet waren, den mit der Überweisung des Kapitalstocks ausgelösten Schaden zu vertiefen. Mit den nachfolgenden Handlungen wurde das bereits aus dem Vermögen der WGS herausgelöste Kapital zugunsten der Täter verwertet. Qualitativ wird hierdurch kein neuer Schaden begründet (BGH NStZ 2008, 396, 397; vgl. auch Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 151 f.). Ob hierfür ein neuer Entschluss gefasst wird, ist unerheblich. Diese Handlungen sind dann lediglich unter dem Gesichtspunkt „Art der Ausführung und verschuldete Auswirkungen der Tat“ nach § 46 Abs. 2 StGB strafzumessungsrechtlich relevant.
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- Eines Freispruchs bedurfte es insoweit nicht, weil die vom Landgericht angenommene zweite Untreue nach zutreffender rechtlicher Würdigung nicht Gegenstand eines selbständigen Schuld- und Strafausspruchs sein konnte. In diesen Fällen ist für einen Teilfreispruch kein Raum (BGH NStZ 2003, 546,
548).
III.
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- Die Änderung des Schuldspruchs zieht hier die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Die rechtliche Fehlbewertung des Landgerichts führt zwar dazu, dass der zusätzliche Unrechtsgehalt, der in der Verlängerung der Kapitalanlage zu sehen ist, nicht in die Strafzumessung für die ausgeurteilte erste Tat eingeflossen ist. Dort wäre die mitbestrafte Nachtat zu berücksichtigen gewesen. Letztlich kam indes hier eine Aufrechterhaltung der Gesamtstrafe als einheitliche Strafe nicht in Betracht, auch weil die bislang gebildeten Einzelstrafen in ihren Beziehungen zueinander nicht ohne weiteres stimmig erscheinen.
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- Das neue Tatgericht wird bei der Strafzumessung auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 (StV 2010, 564) eine wirtschaftliche Bewertung der Vermögensminderung vorzunehmen haben, die der den finanziellen Spekulationen ausgesetzte Kapitalstock erfahren hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts darf nämlich eine konkrete Ermittlung des Nachteils nicht deshalb unterbleiben , weil sie im Einzelfall mit praktischen Schwierigkeiten verbunden ist (BVerfG aaO, S. 573). Jedenfalls kann im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Risikos solcher Geschäfte der eingetretene Nachteil betragsmäßig quantifiziert werden. Hierzu bedarf es indes keiner Aufhebung von Feststellungen, weil die neu zu treffenden Feststellungen nicht mit den bereits getroffenen in Widerspruch treten können.
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- Aufzuheben war auch die ausgesprochene Kompensation für die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, weil das Landgericht schon wegen der unterschiedlichen Bemessung für die beiden Angeklagten von einem durchgreifend bedenklichen Maßstab ausgegangen ist. Zudem ist es zweifelhaft, die Kompensation am Gewicht der Tat und der verhängten Strafe zu orientieren (vgl. BGHSt 54, 135, 138).
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.