Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2004 - 5 StR 23/04

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie seinen Pkw und sichergestelltes Heroin eingezogen. Den Mitangeklagten hat das Landgericht vom gleichen Anklagevorwurf aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Beschwerdeführers hat mit einer die Ablehnung eines Beweisantrags betreffenden Verfahrensrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Teilerfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; dies gilt insbesondere für die weiteren Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angegebenen Gründen.
1. Die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des Zeugen K gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO wegen tatsächlicher Bedeutungslo- sigkeit hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zutreffend macht die Revision geltend, daß die Strafkammer in dem ablehnenden Beschluß das Beweisthema nicht erschöpft hat. Freilich trifft die Auffassung der Strafkammer zu, daß für die Schuld- und Straffrage der bloße Umstand offensichtlich unerheblich wäre, daß der Mitangeklagte fünf Tage, bevor er zusammen mit dem Beschwerdeführer in dessen Pkw mit Rauschgift gestellt wurde, nachts allein in der Wohnstraße des Beschwerdeführers in dessen Pkw gesessen habe. Die Strafkammer hat indes die darüber hinausgehende Beweisbehauptung unbeschieden gelassen: Hiernach sollte der Zeuge auch bekunden , daß er den Beschwerdeführer kurze Zeit zuvor von einem auswärtigen Besuch nach Hause gefahren habe, weil dieser dort kein Fahrzeug zur Verfügung gehabt und dem Zeugen gesagt habe, er habe seinen Wagen verliehen. Es liegt nicht fern, daß eine Bestätigung dieser gesamten Beweisbehauptung als geeignet hätte angesehen werden können, die vom Mitangeklagten bestrittene Einlassung des Beschwerdeführers zu bestätigen, wonach er diesem für eine Fahrt zu einem – nach dem Zusammenhang offensichtlich Rauschgift liefernden – Araber in Ellwangen sein Fahrzeug geliehen habe (UA S. 6). Bei der explizit und eindeutig erklärten Zielsetzung des Beweisantrages , die Aussage des Beschwerdeführers zu bestätigen und die widersprechende Einlassung des Mitangeklagten zu widerlegen, war die Verteidigung auch nicht etwa gehalten, gegen die Bescheidung des unvertretbar verkürzt ausgelegten Beweisantrages nochmals ausdrücklich Gegenvorstellung zu erheben. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund einer streitigen Beweislage, bei welcher der Beschwerdeführer bestrebt war, die Zuverlässigkeit seiner Aufdeckung der maßgeblichen Mitwirkung des Mitangeklagten an dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelhandel im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG weiter zu beweisen, welche die Staatsanwaltschaft ihrer Anklage zugrunde gelegt hatte und von der sie selbst bis zum Schluß der Hauptverhandlung noch ausging.
2. Daß die Strafkammer bei gebotenem weitergehendem Verständnis der Beweisbehauptung den Beweisantrag mit anderer Begründung hätte ablehnen können, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Auch läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß das Gericht im Falle des Gelingens des angetretenen Beweises letztlich zu einer für die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG ausreichenden Bestätigung der Einlassung des Beschwerdeführers zur Verstrickung des Mitangeklagten gelangt wäre.
Die uneingeschränkte Geltung der Grundsätze des Beweisantragsrechts in dem vorliegend besonders gelagerten Fall (vgl. auch BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 9) läßt die Anerkennung des Grundsatzes unberührt, daß ein Angeklagter nicht mit neuen noch unbewiesenen Angaben erst in der Hauptverhandlung den noch nicht eingetretenen Aufklärungserfolg mit Hilfe des Beweisantragsrechts erreichen kann (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung
24).
3. Der Schuldspruch wird von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der Senat versteht das Urteil des Landgerichts dahin, daß es zugunsten des Beschwerdeführers aufgrund seiner Einlassung von der behaupteten maßgeblichen Verstrickung des Mitangeklagten ausgegangen ist, mithin eine Rauschgiftlieferfahrt sowie eine Rauschgifteinlagerung in der Wohnung des Beschwerdeführers auf Veranlassung des Mitangeklagten zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellt hat. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht gleichwohl mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ein erzwungenes Vorgehen des Beschwerdeführers und ein Handeln ohne Entlohnung für widerlegt erachtet. Es konnte den Beschwerdeführer danach als – jedenfalls (Mit-) – Täter des Handeltreibens verurteilen. Der Verfahrensfehler berührt lediglich die Frage der Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG und damit nur den Strafausspruch.
4. Zur Aufhebung von Feststellungen besteht kein Anlaß. Das neue Tatgericht wird lediglich noch zur Frage der Voraussetzung des § 31 Nr. 1 BtMG Feststellungen zu treffen haben. Sollte es die Einlassung des Beschwerdeführers zur Verstrickung des bisherigen Mitangeklagten nunmehr für glaubhaft erachten, wird es ungeachtet dessen rechtskräftiger Freisprechung zur entsprechenden Anwendung des § 31 BtMG zugunsten des Beschwerdeführers gehalten sein. In der gegebenen besonderen prozessualen Situation wäre das neue Tatgericht – insbesondere bei entsprechendem Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft – ausnahmsweise auch, anders als sonst (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 28), nicht gehindert, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG als wahr zu unterstellen.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.