Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2001 - 4 StR 67/01
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme einer bandenmäßigen Begehung im Sinne des § 30 a Abs. 1 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den – knapp gehaltenen - Urteilsfeststellungen veranlaßte der Angeklagte in den ausgeurteilten fünf Fällen die Lieferung von Rauschgift aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland, wobei er die Betäubungsmittel in vier Fällen einem unbekannt gebliebenen Kurier übergab, der sie an Peter Z. in Deutschland auslieferte. Dort wurden die Drogen von nicht näher bezeichneten Zwischenhändlern übernommen; die Bezahlung erfolgte direkt an den Angeklagten. In dem weiteren Fall übergab er in den Niederlanden Z. das Rauschgift, der es auftragsgemäß nach Deutschland verbrachte, wo es weiter an Zwischenhändler verteilt werden sollte.
b) Diese Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte bei den Handlungen, die das Landgericht rechtlich zutreffend als unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge bewertet hat, als Mitglied einer Bande handelte. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 - setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere
selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Delikttyps zu begehen. Zwar ist diese Entscheidung zum Begriff der Bande beim (schweren) Bandendiebstahl (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244 a StGB) ergangen. Für den Bandenbegriff nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes kann jedoch nichts anderes gelten (vgl. auch BGH, Beschluß vom 18. April 2001 - 3 StR 69/01). Daß der Angeklagte sich mit mindestens zwei weiteren Personen in der beschriebenen Weise zur Begehung von Rauschgiftdelikten zusammengeschlossen hat, kann indes den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden. Soweit das Landgericht – was unklar bleibt – von der Bildung einer “Zweierbande” zwischen dem Angeklagten und Z. ausgegangen sein sollte, genügt dies nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen nicht mehr. Die Entscheidung BGHSt 38, 26 ist damit überholt.
2. Da weitere Feststellungen, die eine bandenmäßige Begehung tragen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch auf die Grundtatbestände der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge ab. Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt nach sich.
3. Die weiter gehende Revision erweist sich als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Die von der Verteidigung nach Erhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erklärte “Revisionsrücknahme” , verbunden mit dem Antrag, daß der Angeklagte – wie geschehen - in fünf Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig zu sprechen sei, ist unwirksam, da die
Revision nicht auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte des Schuldspruchs beschränkt werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 344 Rdnr. 7 i.V.m. § 318 Rdnr. 13).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
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a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß die Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
vier Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von acht Jahren und drei Monaten (Nikolla S.) bzw. von acht Jahren und neun Monaten (Jozef S.) verurteilt. Ihre auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen sind sie unbegründet. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehungsweise schon deshalb nicht, weil ein Zusammenschluß von nur zwei Personen hierfür nicht mehr ausreicht. Dies hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs aufgrund einer Vorlage des 4. Strafsenats vom 26. Oktober 2000 - 4 StR 284/99 (NStZ 2001, 35; vgl. auch den vorangegangenen Anfragebeschluß vom 14. März 2000 [NStZ 2000, 474]) mit Beschluß vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) entschieden. Danach setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus. Diese müssen sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Das Erfordernis der Beteiligung von mindestens drei Personen gilt deshalb nicht nur beim Bandendiebstahl (§ 244 StGB), der Gegenstand der Vorlegungsentscheidung war, sondern auch beim bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30 a Abs. 1 BtMG). Die Feststellungen belegen aber, daß die Angeklagten mittäterschaftlich in vier Fällen Betäubungsmittel in nicht geringer Menge eingeführt und mit ihnen Handel getrieben haben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache , daß die Angeklagten das Rauschgift jeweils durch den Nichtrevidenten L. nach Deutschland haben verbringen lassen. Auch bei einem nicht in eigenhändiger Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale bestehenden Tatbeitrag ist die Annahme von Mittäterschaft sowohl bei der unerlaubten Einfuhr
von Betäubungsmitteln als auch beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln möglich. Sie bedarf aber besonderer Rechtfertigung durch weitere Gesichtspunkte von Gewicht, etwa durch einen bestimmenden Einfluß bei der Tatvorbereitung, insbesondere der Tatplanung und durch ein erhöhtes Tatinteresse. Maßgebend für die Wertung, ob ein Beteiligter lediglich fremdes Tun fördert oder eine Tat gemeinschaftlich mit einem anderen als eine auch für ihn eigene begeht, muß in jedem Falle eine Gesamtbetrachtung sein, die den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, den Umfang der Tatbeteiligung und die Frage der Teilhabe an der Tatherrschaft oder doch des Willens dazu einbezieht (st. Rspr. vgl. u.a. BGHSt 28, 346, 348 f.; BGHR BtMG § 29 I 1 Einfuhr 4, 7, 10, 17, 19, 21, 31, 33 jeweils m.w.Nachw.). So liegt es hier: Der Angeklagte Nikolla S. hat das Rauschgift jeweils in den Niederlanden gekauft und dort dem Kurier übergeben, der es sodann weisungsgemäß zum Angeklagten Jozef S. nach Wuppertal zum Weiterverkauf bringen mußte. Dieser hat in zwei Fällen dem Kurier das Geld für den Ankauf neuer Betäubungsmittel durch den Angeklagten Nikolla S. auf die Fahrt in die Niederlande mitgegeben. Der Senat hat deshalb den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die in den entscheidenden Punkten geständigen
Angeklagten insoweit nicht hätten anders verteidigen können. Auf der Grundlage des geänderten Schuldumfanges wird der neue Tatrichter die Strafen erneut zuzumessen haben. Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen