Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - 4 StR 666/07

published on 21/02/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - 4 StR 666/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 666/07
vom
21. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Februar 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. August 2007 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "unter Beisichführung eines Schlagringes" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat ferner in der Urteilsformel ausgesprochen, von einer "Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 9.11.2005" abzusehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Revisionsrechtfertigung zeigt auch zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsmangel auf.
3
1. Zwar hat das Landgericht der Verurteilung durch das Amtsgericht Bielefeld vom 9. November 2005 zu der noch nicht vollständig erledigten Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 8 Euro rechtsfehlerhaft keine Zäsurwirkung beigemessen. Die Möglichkeit, nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert auf eine Geldstrafe zu erkennen, wovon das Landgericht Gebrauch gemacht hat, führt nicht dazu, dass die Zäsurwirkung der auf Geldstrafe lautenden Vorverurteilung entfällt (vgl. BGHSt 32, 190, 194; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9). Dies hat das Landgericht verkannt.
4
Der Senat schließt jedoch aus, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Bei Berücksichtigung der Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld wären zwei Gesamtfreiheitsstrafen zu bilden gewesen, nämlich eine solche aus den Einzelstrafen für die zwölf Taten des Tatkomplexes II 1 (je ein Jahr Freiheitsstrafe) und für die zwei Taten des Tatkomplexes II 2 (je ein Jahr sechs Monate Freiheitsstrafe) sowie eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe aus den für die Taten II 3 und 4 verhängten Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und einem Jahr neun Monaten. Die Ausführungen des Urteils (UA 17) belegen, dass das Landgericht diese Gesamtfreiheitsstrafen in ihrer Gesamtheit keinesfalls niedriger bemessen hätte, als die im angefochtenen Urteil festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.
5
Nicht gänzlich auszuschließen ist zwar, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Gesamtstrafenbildung und unter Berücksichtigung eines insgesamt angemessenen Gesamtstrafenübels auf zwei Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte, die jeweils zwei Jahre Freiheitsstrafe nicht überschritten hätten. In Anbetracht der Darlegungen des Landgerichts auf UA 17 und angesichts des Gewichts der Taten kann der Senat jedoch ausschließen, dass das Landgericht in diesem Falle von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, die Vollstreckung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen jeweils zur Bewährung auszusetzen.
6
2. Der Angeklagte ist auch nicht dadurch beschwert, dass das Verfahren zwischen Eröffnung des Hauptverfahrens am 14. September 2006 und der eintägigen Hauptverhandlung am 10. August 2007 aus Gründen, die allein im Verantwortungsbereich der Justiz liegen, nicht angemessen gefördert und dieser Umstand im Urteil nicht ausdrücklich erörtert worden ist.
7
Die beanstandete Verfahrensverzögerung begründet unter den hier gegebenen Umständen zwar einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Der Angeklagte, der bezüglich der abgeurteilten Taten bereits im Ermittlungsverfahren geständig war, war - nach Vollzug einer dreimonatigen Untersuchungshaft - wegen des seit dem 14. Februar 2006 bis zur Hauptverhandlung unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzten Haftbefehls durch die lange Verfahrensdauer besonderen Belastungen ausgesetzt. Das Verfahren musste deshalb mit besonderer Beschleunigung betrieben werden (vgl. BVerfG StV 2003, 30 und 2006, 87, 88). Dies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen. Soweit sich die Strafkammer wegen der Bearbeitung von aus ihrer Sicht vordringlicheren Strafsachen an einer früheren Terminierung gehindert sah, vermag dieser ersichtlich nicht nur vorübergehend bestehende Engpass in der Verhandlungskapazität die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2006 - 4 StR 456/05 = wistra 2006, 226).
8
Die durch die späte Terminsanberaumung eingetretene Verfahrensverzögerung ist jedoch denkbar gering. Wäre die Hauptverhandlung nur wenige Monate früher als geschehen durchgeführt worden, hätte dies dem sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ergebenden Gebot der Verfahrensbeschleunigung genügt. Der Senat kann unter diesen Umständen und insbesondere mit Blick auf die insgesamt milde Gesamtstrafe deshalb ausschließen, dass die Strafkammer dem Angeklagten zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung über die bloße Feststellung des Rechtsverstoßes hinaus eine weitergehende Entschädigung zugebilligt hätte, indem sie - der Rechtslage bei Urteilserlass entsprechend - von den an sich verwirkten Strafen einen bezifferten Abschlag vorgenommen hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Rdn. 56; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07 - Rdn. 23). Die hier zur Kompensation ausreichende Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kann der Senat nachholen. Dass durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 ein Systemwechsel bei der Vornahme der Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung herbeigeführt worden ist, vermag an dem vorstehenden Ergebnis nichts zu ändern.
Maatz Athing Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.