Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2007 - 4 StR 611/06
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt : "Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Laut Hauptverhandlungsprotokoll hat der Angeklagte , nachdem er im Anschluss an die Urteilsverkündung belehrt worden war, auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet, ebenso wie sein Verteidiger. Diese Erklärung ist dem Angeklagten , wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt, vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Damit ist dieser Vorgang bewiesen (§ 274 StPO). An die Verzichtserklärung ist der Angeklagte gebunden. Sie kann grundsätzlich weder angefochten noch zurückgenommen oder widerrufen werden (BGH, Beschluss vom 19. September 2000 - 4 StR 337/00). Umstände , die Zweifel an der Wirksamkeit des Verzichts begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
mitgeteilt worden, ist nicht glaubhaft. Der Angeklagte war bei der Urteilsverkündung zugegen. Mit dem Urteil ist auch die Fortdauer seiner Unterbringung verkündet worden (SA Bd. II Bl. 275). Das Landgericht folgte damit den Schlussanträgen des Staatsanwalts und des Verteidigers, die die Unterbringung des Angeklagten beantragt hatten (SA Bd. II Bl. 273). Bereits in der Anklageschrift vom 2. März 2006 hatte die Staatsanwaltschaft auf die Notwendigkeit der Unterbringung hingewiesen (SA Bd. II Bl. 201). Außerdem war der Angeklagte während des gesamten Verfahrens vorläufig untergebracht (Unterbringungsbefehl vom 11. Juli 2005, SA Bd. I Bl. 31) und befand sich schon während der Hauptverhandlung in der Westfälischen Klinik Schloß Haldem (SA Bd. II Bl. 267), in der er ausweislich seines Schreibens noch immer untergebracht ist.
Dass der Angeklagte einige Tage nach der Urteilsverkündung anderen Sinnes geworden ist und nunmehr die Revision durchgeführt haben möchte, ist rechtlich - wie oben ausgeführt - ohne Bedeutung. Auf Grund des wirksam erfolgten Rechtsmittelverzichts ist das Urteil rechtskräftig. Es kann daher dahinstehen , dass der Angeklagte die Revision auch nicht fristgerecht begründet hat."
Dem tritt der Senat bei.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten ist unzulässig.
Der Beschuldigte hat im Anschluß an die Urteilsverkündung und nach einer Rechtsmittelbelehrung - ebenso wie sein Verteidiger und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft - auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil verzichtet. Die Erklärung ist ihm, wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt , vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Damit ist sie bewiesen (§ 274 StPO).
Der Verzicht auf Rechtsmittel kann nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 302 Rdn. 21 m.w.N.); er setzt allerdings Verhandlungsfähigkeit des Erklärenden voraus (BGH NStZ 1999, 526, 527). Ob er verhandlungsfähig
war, ist vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren zu klären (BGH NStZ 1999, 258). Die Verhandlungsfähigkeit ist hier indes zu bejahen:
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dem Beschuldigten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozeßhandlung und deren Tragweite gefehlt hätte. Zwar hat das Tatgericht bei dem Beschuldigten eine krankhafte seelische Störung in Form eines paranoiden Wahns festgestellt und die Voraussetzungen des § 20 StGB für die Tatzeit bejaht. Dadurch wird jedoch die nach anderen Grundsätzen zu beurteilende prozessuale Fähigkeit, sich sachgerecht zu verteidigen und Verfahrenshandlungen in ihrer Wirkung und Bedeutung zu erfassen, nicht infrage gestellt. Weder aus den Urteilsgründen noch aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich irgendein Hinweis darauf, daß Bedenken an der Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten bestanden haben. Er hat aktiv an der Verhandlung mitgewirkt und Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache gemacht. Wenn während der Verhandlung, die in Anwesenheit zweier psychiatrischer Sachverständiger stattgefunden hat, das Landgericht keine Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten hatte und auch solche von dem Verteidiger nicht geäußert wurden, kann die Verhandlungsfähigkeit grundsätzlich auch vom Revisionsgericht bejaht werden (BGH NStZ 1999, 526, 527).
Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist unzulässig und muß verworfen werden.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann