Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2012 - 4 StR 541/11

02.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 541/11
vom
2. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der Vorsitzende des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar
2012 beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten S. , ihm Rechtsanwalt F. als weiteren Pflichtverteidiger beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung zweier jugendgerichtlicher Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und Anordnungen gemäß §§ 69, 69a StGB getroffen.
2
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte S. durch den ihm ursprünglich als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalt Fi. rechtzeitig Revision eingelegt und diese gleichzeitig mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge und der im Einzelnen nicht begründeten Rüge der Verletzung formellen Rechts begründet. Nach Widerruf der anwaltlichen Zulassung von Rechtsanwalt Fi. , die am 14. Oktober 2011 bestandskräftig wurde, ist Rechtsanwältin R. durch Anordnung des Vorsitzenden der Strafkammer vom 14. November 2011 dem Angeklagten als neue Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 20. November 2011 hat Rechtsanwalt F. unter Vorlage einer Vollmacht des Angeklagten beantragt, gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO als Pflichtverteidiger des Angeklagten beigeordnet zu werden und für den Fall der Beiordnung die Niederlegung des Wahlmandates angekün- digt. Ferner hat er um Akteneinsicht nachgesucht. Rechtsanwältin R. hat daraufhin auf Anfrage mitgeteilt, der Angeklagte habe ihr gegenüber in einem Telefonat im Anschluss an ihren Besuch bei ihm in der Untersuchungshaft mit- geteilt, er wolle „im Weiteren“ von Rechtsanwalt F. vertreten werden.
3
Die Frist zur Begründung der Revision ist am 6. Oktober 2011 abgelaufen.

II.


4
1. Für die Entscheidung über den Antrag von Rechtsanwalt F. ist der Vorsitzende des für die Entscheidung über die Revision des Angeklagten zuständigen Strafsenats des Bundesgerichtshofs zuständig.
5
Zwar ist für den Antrag eines Angeklagten, ihm nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens anstelle des bisherigen einen anderen Pflichtverteidiger beizuordnen, der Vorsitzende des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten worden ist (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 141 Rn. 6), es sei denn, der Beiordnungsantrag beträfe die Terminwahrnehmung in der Revisionshauptverhandlung (vgl. Kuckein in KKStPO , 6. Aufl., § 350 Rn. 11). Im vorliegenden Fall hat Rechtsanwalt F. seinen Beiordnungsantrag nach Kenntnisnahme von der sich auch auf das Revisionsverfahren erstreckenden wirksamen Bestellung von Rechtsanwältin R. als Pflichtverteidigerin durch das Landgericht aufrechterhalten. Sein Gesuch ist daher als Antrag auf Beiordnung als weiterer Pflichtverteidiger aufzufassen.
6
2. Die Voraussetzungen für die Beiordnung von Rechtsanwalt F. als weiteren Pflichtverteidiger im Revisionsverfahren gegen den Angeklagten liegen nicht vor.
7
a) Das Rechtsmittel ist vom ursprünglichen Pflichtverteidiger des Angeklagten rechtzeitig mit der allgemeinen, nicht näher ausgeführten Sachrüge begründet und damit in vollem Umfang zur Überprüfung des Senats gestellt worden. Die Frist zur Begründung der Revision ist seit dem 6. Oktober 2011 abgelaufen ; für ein Nachschieben von etwaigen Verfahrensbeschwerden ist wegen Ablaufs der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO kein Raum. Es ist nicht erkennbar, dass bei der Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten ungewöhnlich schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen aufgeworfen werden. Besonderheiten im Ablauf des Revisionsverfahrens, die die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers notwendig machen könnten, sind ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich.
8
b) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der ohne nähere Begründung geäußerte Wunsch des Angeklagten, nunmehr von einem anderen Rechtsanwalt im Revisionsverfahren vertreten zu werden, eine Rücknahme der vom Vorsitzenden der Strafkammer angeordneten Bestellung von Rechtsanwältin R. nicht rechtfertigt. Im Hinblick auf den in Haftsachen besonders zu beachtenden Grundsatz der Beschleunigung ist dem Verfahren nunmehr durch baldige Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten Fortgang zu geben.
Ernemann

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2012 - 4 StR 541/11 zitiert 5 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

Strafprozeßordnung - StPO | § 140 Notwendige Verteidigung


(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g

Referenzen

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.