Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2005 - 4 StR 366/05

bei uns veröffentlicht am13.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/05
vom
13. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Dezember 2005
gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 a Satz 1 und 2, § 354 Abs. 1 b Satz 2
und 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 5. April 2005 in den Strafaussprüchen dahin geändert, dass die Einzelstrafen jeweils um einen Monat ermäßigt werden und der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren um ein Drittel ermäßigt; die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zu einem Drittel der Staatskasse auferlegt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision erstrebt der Angeklagte eine Ermäßigung der verhängten Einzelstrafen und der Ge- samtstrafe. Das wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat bei der Bemessung der wegen der fünf Taten verhängten Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sowohl den zwischen der Tatbegehung und der Aburteilung der Taten liegenden Zeitraum von dreieinhalb bis zu gut fünf Jahren als auch die Dauer des Verfahrens seit der Bekanntgabe der Tatvorwürfe am 19. Mai 2002 berücksichtigt. Eine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat das Landgericht dagegen verneint, weil hierfür keine Anhaltspunkte vorlägen. Hiergegen wendet sich die Revision mit der Verfahrensrüge. Die zulässig erhobene Rüge ist begründet.
3
Nach dem Eingang des schriftlichen Glaubwürdigkeitsgutachten der psychiatrischen Sachverständigen und dem Ablauf der dem Verteidiger des Angeklagten bis Ende Juli 2003 eingeräumten Frist zur Stellungnahme hätte Anklage erhoben werden können. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Verfahren in der Folgezeit bis zur Anklageerhebung am 28. Juni 2004 und danach bis zur Terminierung der Hauptverhandlung, die sich verzögerte, weil die Geschäftsverteilung für 2005 noch nicht beschlossen und die Schöffen noch nicht zugelost waren, insgesamt fast vierzehn Monate nicht angemessen gefördert wurde. Diese Verfahrensverzögerung verstößt unter den hier gegebenen Umständen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Deshalb hätte das Landgericht, auch wenn der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, wie die Revision einräumt, nicht besonders schwer wiegt, die festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe, deren Überprüfung auf die Sachrüge im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben haben, herabsetzen müssen (vgl. BGH wistra 2004, 184; NJW 2005, 1813, jeweils m.w.N.).
4
Da ein entsprechender Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1 a und 1 b StPO vorliegt, kann der Senat die Herabsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe selbst vornehmen, zumal auch der Verteidiger eine Sachentscheidung des Senats für sachgerecht erachtet. Der Senat hat, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, die im Urteil festgesetzten Einzelstrafen jeweils um einen Monat herabgesetzt und den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Eine weiter gehende Herabsetzung der Strafen war hier insbesondere auch deshalb nicht geboten, weil sich der Angeklagte während der gesamten Dauer des Verfahrens nicht in Untersuchungshaft befunden hat.
5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 StPO.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2006 - 5 StR 547/05

bei uns veröffentlicht am 07.03.2006

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StPO § 354 Abs. 1a Eine Entscheidung eines Revisionsgerichts nach § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO kann auch durch Beschluss erfolgen. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 LG Potsdam -5StR547/05-

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.