Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 359/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt wurde und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und die Anwendung des materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, soweit der Angeklagte wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt wurde; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Angeklagte rügt hinsichtlich seiner Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung mit Recht die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppung.
3
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erzwang der Angeklagte am 13. April 2008 durch Schläge und Drohung mit einer Schusswaffe den Analverkehr mit dem Nebenkläger Tim K. . "Hysterisch und verstört" (UA 16) verließ Tim K. anschließend seine Wohnung und ließ sich von einer Zeugin in die Nähe seines Elternhauses fahren. Am Abend traf Tim K. seinen Lebensgefährten, erzählte diesem aber von der Tat zunächst nichts (UA 16); wann (genau) und wo dieses Treffen stattfand, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen (UA 63).
4
Am letzten Tag der Hauptverhandlung stellte der Verteidiger des die Begehung dieser Tat bestreitenden Angeklagten den Antrag, dessen Lebensgefährtin ("Ehefrau") als Zeugin dazu zu vernehmen, dass Tim K. und sein Lebensgefährte am Abend des 13. April 2008 in die Wohnung des Angeklagten gekommen seien, die Zeugin für diese und den Angeklagten Essen und Trinken zubereitet habe und man einige Stunden zusammengesessen sei, "wobei hier in keiner Form über eine etwaige sexuelle Nötigung gesprochen wurde".
5
Diesen Antrag lehnte die Strafkammer am selben Hauptverhandlungstag ab, da er zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt worden sei. Zur Begründung führte sie aus: Die Vernehmung der Zeugin T. würde ggfs. die nochmalige Vernehmung der Zeugen K. und W. erfordern. In der bisherigen Beweisaufnahme hat sich für eine Zusammenkunft am Tatabend nichts ergeben. Es kann auch nicht anders als durch eine auf Entlastung des Angekl. ausgerichtete konstruierte Behauptung erklärt werden, dass die Beweisbehauptung erst jetzt in die Hautverhandlung eingeführt wurde. Denn für den Fall, dass die Behauptung wahr wäre, ist es nicht nachvollziehbar, dass diese Tatsache in der mehrtägigen Beweisaufnahme nicht schon früher, insbes. im Zusammenhang mit der Befragung der Zeugen K. und W. eingeführt worden ist, zumal der Angeklagte sich gerade zu dem Vorwurf der Vergewaltigung auch schon spontan eingelassen hat.
6
b) Diese Erwägungen tragen die Ablehnung des Beweisantrags nicht.
7
aa) Die Strafkammer geht zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Antrag um einen Beweisantrag handelt.
8
Der erste Teil der Beweisbehauptung ist unmittelbar auf eine (positive) Wahrnehmung der Zeugin gerichtet (Erscheinen von Tim K. und seines Lebensgefährten in der Wohnung des Angeklagten am Abend des 13. April 2008, Zubereitung von Essen und Getränken). Der zweite Teil der Beweisbehauptung betrifft zwar eine sogenannte Negativtatsache, aber nicht nur ein Beweisziel , sondern den - nach dem Vorbringen des Antragstellers - von der Zeugin selbst wahrgenommenen Inhalt eines Gesprächs. Es liegt also keiner der Fälle vor, in denen aus der unmittelbaren Wahrnehmung der Beweisperson erst darauf geschlossen werden soll, dass ein weiteres Geschehen nicht stattgefunden habe. Die Beweisbehauptung konnte deshalb Gegenstand des Zeugenbeweises sein (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; Beschluss vom 15. April 2003 - 1 StR 64/03, NJW 2003, 2761 f.).
9
bb) Die Ablehnung des Beweisantrags durch die Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Die Strafprozessordnung gestaltet das Strafverfahren als einen vom Prinzip der materiellen Wahrheitserforschung beherrschten Amtsprozess aus, in dem das Gericht von Amts wegen zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet ist. Dem Gebot der Sachaufklärung kommt dabei auch gegenüber dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung und der Verhinderung bzw. Abwehr eines missbräuchlichen Verhaltens, wie der Stellung eines Beweisantrags zum Zwecke der Prozessverschleppung, grundsätzlich der Vorrang zu. Gebietet daher die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit, einem Beweisantrag in der Sache nachzugehen, darf er nicht wegen Prozessverschleppung abgelehnt werden (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NJW 2010, 592, 593 [Rn. 18], 594 [Rn. 26]; BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 162/09, NStZ 2010, 161 f.).
11
Die Frage, ob eine Beweiserhebung der Sachaufklärung dient, muss der Tatrichter in dem Beschluss, mit dem er den Beweisantrag wegen Verschleppungsabsicht ablehnt, beantworten. Nur dann kann das Revisionsgericht überprüfen , ob die Ablehnung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Dagegen obliegt es dem Revisionsgericht als bloßer Rechtsinstanz - ähnlich der Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung - jedenfalls grundsätzlich nicht, die Sachdienlichkeit der Beweiserhebung selbst zu prüfen und gegebenenfalls zu verneinen. Da es in dem beanstandeten Beschluss aber an jeglicher Darlegung dazu fehlt, weshalb der Beweis nichts Entlastendes für den Beschwerdeführer erbringen können soll, ist es dem Senat verwehrt, die - nach den Umständen nicht auf der Hand liegende - Beurteilung vorzunehmen, ob die Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten der Erforschung der Wahrheit dienlich gewesen wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. September 2008 - 4 StR 353/08, NStZ-RR 2009, 21).
12
2. Die deshalb gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung, die es dem neu zur Entscheidung berufenen Landgericht gegebenenfalls auch ermöglicht, nähere Feststellungen zu der vom Angeklagten verwendeten Schusswaffe zu treffen, hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge. Dagegen schließt der Senat aus, dass die Schuldsprüche wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und die deshalb verhängten Einzelstrafen von dem Rechtsfehler berührt werden. Sie können daher bestehen bleiben.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BGHR: ja
BGHSt: ja zu II.3.
Veröffentlichung: ja
______________________
Die vernehmungsersetzende Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer früheren
richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung nach § 255a Abs. 2
Satz 1 StPO erfordert nicht, daß der Verteidiger vor seiner Mitwirkung an jener
früheren Vernehmung teilweise oder vollständige Akteneinsicht nehmen konnte.
Die Notwendigkeit zu einer ergänzenden Vernehmung in der Hauptverhandlung
kann sich nach Maßgabe der richterlichen Aufklärungspflicht ergeben (§
255a Abs. 2 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO). Die Beurteilung insoweit ist stets eine
Frage des Einzelfalles.
Ein Antrag auf ergänzende Vernehmung in der Hauptverhandlung ist nach den
Grundsätzen des Beweisantragsrechts zu behandeln, wenn der Zeuge zum
Beweis einer neuen Behauptung benannt ist, zu der er bei der aufgezeichneten
und vorgeführten Vernehmung noch nicht gehört werden konnte.
BGH, Beschluß vom 15. April 2003 - 1 StR 64/03 - LG München I

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 64/03
vom
15. April 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2003 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. August 2002 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und zweier versuchter Vergewaltigungen, begangen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei weiteren Fällen unter Einbeziehung anderweitig verhängter Einzelstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erhebt Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen mißbrauchte der Angeklagte die am 18. März 1987 geborene Ni. J. in der Zeit vom Winter 1994 bis zum Jahr 1996 in fünf Fällen. Die Geschädigte ist die Tochter eines Arbeitskollegen des Angeklagten, der diesem vorübergehend Unterkunft gewährt hatte. In dreien der Fälle versuchte der Angeklagte, mit seinem Glied
in die Scheide des sich wehrenden Kindes einzudringen, was ihm indes nur in einem Falle teilweise gelang. II. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. 1. Die Revision macht als absoluten Revisionsgrund eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes geltend (§ 338 Nr. 6 StPO, § 169 GVG). Sie beanstandet , daß während des Ausschlusses der Öffentlichkeit (gemäß § 171b GVG) nicht nur der Polizeibeamte S. als Zeuge vernommen und eine Bild-Ton-Aufzeichnung der polizeilichen Vernehmung der Geschädigten vom 11. Oktober 2001 mit dem Zeugen in Augenschein genommen wurde, sondern auch über die Vereidigung und Entlassung des Zeugen S. befunden, die Hauptverhandlung sodann unterbrochen und Termin zu ihrer Fortsetzung bestimmt worden ist. Die Rüge ist unbegründet. Beschränkt sich der Ausschluß der Öffentlichkeit auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt, wie hier die Dauer der (weiteren) Vernehmung eines Zeugen unter Einschluß einer Augenscheinseinnahme , so umfaßt er alle Verfahrensvorgänge, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln und die daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören. Dazu zählt nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Entscheidung über die Vereidigung des Zeugen, die noch während des Ausschlusses der Öffentlichkeit vorgenommen werden kann (vgl. nur BGH NJW 1996, 2663). Nichts anderes kann aber für die Entlassung des Zeugen gelten. Soweit die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung im Anschluß an die Zeugenvernehmung in Rede steht und die Öffentlichkeit währenddessen nicht wiederhergestellt war, ist denkgesetzlich auszuschließen,
daß das Urteil hierauf beruhen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 338 Rdn. 50b; siehe auch BGH NJW 1996, 138). Die Bestimmung des Termins zur Fortsetzung der Hauptverhandlung erfolgt zwar grundsätzlich in öffentlicher Hauptverhandlung. Sie unterfällt indessen nicht dem Schutz des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Das ergibt sich schon daraus, daß der Fortsetzungstermin auch außerhalb der Hauptverhandlung verlegt werden kann und auch in jenem Falle der Schutz des Vertrauens in die Terminsankündigung am letzten voraufgegangenen Hauptverhandlungstag vom Öffentlichkeitsgrundsatz nicht erfaßt wird (BGH NStZ 1984, 134, 135). Handlungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden dürfen oder jedenfalls außerhalb der Hauptverhandlung in Abänderung von Anordnungen in der Hauptverhandlung ergehen dürfen, können auch im Rahmen der Hauptverhandlung während des Ausschlusses der Öffentlichkeit erledigt werden, ohne daß darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit liegt (vgl. BGH NStZ 2002, 106, 107). 2. Die Ablehnung des Beweisantrages, der auf die Vernehmung der Sa. J. als Zeugin gerichtet war, gefährdet den Bestand des Urteils nicht. Die Verteidigung erstrebte die Vernehmung dieser Zeugin, einer Cousine der Geschädigten, zum Nachweis dessen, daß ein von der Geschädigten behauptetes Gespräch über sexuelle Vorfälle mit ihr nicht stattgefunden habe, und daß die Geschädigte zu keinem Zeitpunkt - wie von ihr behauptet - während des Vollzugs des Geschlechtsverkehrs zwischen der benannten Zeugin und dem Angeklagten in das entsprechende Zimmer gekommen sei. Ziel dieses Antrages war es ersichtlich, generell die Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten zu erschüttern.
Der Revision ist einzuräumen, daß die Ablehnung des Antrages durch die Strafkammer mit der Begründung, es handele sich um Negativtatsachen, die nicht hinreichend bestimmt seien, hier nicht ohne weiteres tragfähig ist.
a) Der erste Teil der Beweisbehauptung - Nichtstattfinden eines Gesprächs der benannten Zeugin mit der Geschädigten - betraf freilich eine negative Beweistatsache, nicht jedoch nur ein Beweisziel, wie die Strafkammer zu meinen scheint (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.). Da die Geschädigte eine Interaktion (hier ein Gespräch) mit Sa. J. geschildert hatte, hätte die benannte Zeugin aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden können, ob ein solches Gespräch stattgefunden hat (vgl. BGH NStZ 2000, 267). Es lag also gerade keiner der Fälle vor, in denen aus der unmittelbaren Wahrnehmung der Beweisperson erst darauf geschlossen werden soll, daß ein weiteres Geschehen nicht stattgefunden habe. Die Beweisbehauptung konnte deshalb insoweit tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises sein (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.). Die Strafkammer hat jedoch die Ablehnung ersichtlich auch auf die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache gestützt. Sie hat ausgeführt, daß - sinngerecht verstanden - die Beweisbehauptung insoweit nicht geeignet sei, die Glaubwürdigkeit der Geschädigten in Zweifel zu ziehen und dies kurz begründet. Der Ablehnungsbeschluß ist grundsätzlich auslegungsfähig (vgl. BGHSt 1, 29, 32; Meyer-Goßner aaO § 24 Rdn. 4). Die Formulierung dieses Ablehnungsgrundes läßt noch hinreichend erkennen, daß die Strafkammer damit verdeutlichen wollte, sie werde den vom Beweisantragsteller gewünschten Schluß nicht ziehen. Damit hat sie den Antrag der Sache nach wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt. Das war auch für den Antragsteller erkennbar, der sich mithin darauf einstellen konnte.

b) Hinsichtlich des zweiten Behauptungsteils (die Geschädigte sei entgegen ihrer Aussage zu keinem Zeitpunkt ins Zimmer gekommen, während die benannte Zeugin mit dem Angeklagten den Geschlechtsverkehr ausgeübt habe ) ist die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Form erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision teilt die polizeiliche Vernehmungsniederschrift zu den angeblich unzutreffenden Angaben der Geschädigten in dem hier entscheidenden Teil nicht vollständig mit. Die Geschädigte hatte in der in Bezug genommenen polizeilichen Vernehmung - was die Revision nicht vorträgt - auch ausgesagt , sie habe "nur ganz schnell reingeschaut" und dann "die Tür zugemacht" ; es habe "gewackelt", der Angeklagte habe "gestöhnt" (vgl. Bd. I Bl. 85 d.A.). Damit hat sie gerade nicht bekundet, was der unvollständige Revisionsvortrag nahelegen könnte, daß die benannte Zeugin ihre kurze Anwesenheit bemerkt hätte. Ob mit dem zweiten Teil der Beweisbehauptung eine dem unmittelbaren Zeugenbeweis zugängliche Tatsache unter Beweis gestellt oder nur ein Beweisziel bezeichnet wurde, hängt nach allem davon ab, ob die benannte Zeugin insoweit lückenlose eigene Wahrnehmungen gemacht haben konnte, was sich hier nicht von selbst verstand. Dies ist von den näheren Umständen, namentlich den Wahrnehmungsmöglichkeiten abhängig, wie sie sich aus der polizeilichen Aussage der Geschädigten in dem hier maßgeblichen Teil - die der Beweisantragsteller widerlegen wollte - erhellen. Die Strafkammer hat ihre Ablehnung auf die Erwägung gestützt, es seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargetan, daß die Zeugin die kurze Anwesenheit der Geschädigten "in jedem Fall bemerkt hätte". Gerade deshalb war aber für einen vollständigen Vortrag der "den Mangel enthaltenden Tatsachen" die Mitteilung der Angaben der Geschädigten und auch der benannten Zeugin vor der Polizei erforderlich. Wäre das geschehen, hätte sich zudem ergeben, daß die Ablehnungsbegrün-
dung insoweit rechtlich sogar zutreffend war, insbesondere die Anforderungen des Landgerichts an die Beweisbehauptung der gegebenen Erkenntnislage entsprochen haben. Denn die von der Revision nicht mitgeteilten Bekundungen der Geschädigten bei der Polizei enthalten konkrete Hinweise darauf, daß die benannte Zeugin ein kurzes Hineinsehen der Geschädigten in das Zimmer gerade nicht wahrgenommen hatte. Es lag auch nicht nahe, daß demgegenüber die benannte Zeugin, dazu in der Hauptverhandlung befragt, plausibel hätte bekunden können, daß ihr ein solcher Vorgang nicht entgangen wäre. Die Kammer hat mit ihrer Ablehnungsbegründung zum Ausdruck gebracht , daß sie die aufgestellte negative Behauptung nach dem Wortlaut des Antrages und auf der Grundlage ihrer bisherigen Erkenntnis - nach den Grundsätzen von BGHSt 39, 251, 253 ff. - als Formulierung lediglich eines Beweiszieles gewertet hat. Die Angaben der Geschädigten und der benannten Zeugin vor der Polizei waren gerade im Blick darauf unerläßliche Voraussetzung für die revisionsgerichtliche Überprüfung des Ablehnungsbeschlusses. Soweit in der Begründung des Beweisantrages zu dessen zweitem Teil erwähnt wird, die Geschädigte habe sich zu den entsprechenden Zeitpunkten (zu denen Sa. J. mit dem Angeklagten Geschlechtsverkehr hatte) nicht in der Wohnung aufgehalten, war auch dies - ohne weitere Behauptung unmittelbarer Wahrnehmungen der benannten Zeugin hierzu - beweisantragsrechtlich kein tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises, sondern nur die Angabe eines Beweiszieles (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.). 3. Die Ablehnung des Antrages auf ergänzende Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde: Die Strafkammer hat die Bild-Ton-Aufzeichnung der Vernehmung der Geschädigten durch die Ermittlungsrichterin in der Hauptverhandlung vorgeführt und dadurch die Vernehmung der Zeugin "ersetzt" (gemäß § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. UA S. 12). Nach der Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung hat der Verteidiger des Angeklagten die ergänzende Vernehmung der Geschädigten beantragt: Er habe zwar mit dem Angeklagten an der Vernehmung der Geschädigten (audiovisuell ) teilgenommen. Ihm hätten jedoch die Ermittlungsakten zuvor nicht zur Einsicht vorgelegen, so daß er keine genaue Kenntnis von der vorangegangenen kriminalpolizeilichen Vernehmung der Geschädigten gehabt habe. Er habe deshalb keine Gelegenheit zur Konfrontation der Geschädigten "mit dem restlichen Akteninhalt" und mit einem Widerspruch zu deren polizeilicher Vernehmung vom 11. Oktober 2001 gehabt. Deshalb wolle die Verteidigung der Geschädigten nun vorhalten, daß sie vor der Polizei den Analverkehr verneint habe , während sie vor der Ermittlungsrichterin "von einem versuchten Eindringen" in den Po berichtet habe. Der Geschädigten solle die ergänzende Frage gestellt werden, ob "der F. (der Angeklagte) nur bei ihr unten rein wollte, oder auch in den Po", und was sie zu dem Widerspruch zwischen den Aussagen sage. Darüber hinaus müsse der Geschädigten vorgehalten werden, daß die Großmutter ausgesagt habe, die Schlafzimmertür habe immer offen gestanden und sie habe den von der Geschädigten geschilderten "dritten Vorfall" bemerken müssen. Der Geschädigten, die in ihrer richterlichen Vernehmung angegeben habe, die Schlafzimmertür sei (während eines der Vorfälle) geschlossen gewesen, solle deshalb die Frage gestellt werden, was sie zur Aussage der Großmutter sage.
Das Landgericht hat den Antrag auf ergänzende Vernehmung abgelehnt. Hinsichtlich der Frage eines versuchten Analverkehrs bestehe der behauptete Widerspruch nicht. Die Geschädigte sei in der polizeilichen Vernehmung nicht ausdrücklich danach gefragt worden; eine detaillierte Befragung dazu sei erst in der richterlichen Vernehmung erfolgt. Aus der Aussage der Großmutter ergebe sich ebenfalls kein aufzuklärender Widerspruch zu der Aussage der Geschädigten. Die Großmutter habe bekundet, "sie lasse grundsätzlich ihre Schlafzimmertüre offen"; sie habe keine Angaben dazu machen können, ob die Tür, wie von der Geschädigten behauptet, in der Tatnacht offen gestanden habe.
b) Die Revision meint, die Ablehnung sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil Verteidiger und Angeklagter mangels vorheriger Akteneinsicht bei ihrer Teilnahme an der aufgezeichneten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren der Geschädigten keine Vorhalte aus ihrer polizeilichen Vernehmung hätten machen können; zu einer sachgerechten Mitwirkung seien sie deshalb bei jener Vernehmung nicht in der Lage gewesen. Mit diesem grundsätzlichen Einwand dringt die Revision nicht durch. Bei der rechtlichen Beurteilung ist zwischen der Zulässigkeit der vernehmungsersetzenden Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung nach § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO und der Pflicht zur ergänzenden Vernehmung des Zeugen aus § 244 Abs. 2 und 3 StPO (i.V.m. § 255a Abs. 2 Satz 2 StPO) zu unterscheiden. aa) Nach § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO kann die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch die Vorführung einer Bild-TonAufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an ihr mitzuwirken. Die Zulässigkeit der Vorführung ist nach dem Gesetz nicht von einer vorheri-
gen - ganz oder teilweise gewährten - Akteneinsicht abhängig. Diese ist anderweit näher geregelt und unterliegt besonderen Voraussetzungen und gegebenenfalls auch Einschränkungen (vgl. § 147 StPO). Allerdings wird es sich aus verfahrenspraktischen Erwägungen zumeist als sinnvoll erweisen, dem Verteidiger vor seiner Mitwirkung an der aufzuzeichnenden Vernehmung möglichst weitgehend Akteneinsicht zu gewähren. Mit der in Rede stehenden Regelung werden Zwecke des Zeugen- und Opferschutzes verfolgt (Vermeidung einer sog. sekundären Viktimisierung; siehe auch § 58a StPO). Zugleich soll der Garantie des Fragerechts des Beschuldigten gegenüber dem Belastungszeugen Rechnung getragen werden (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK; vgl. BGHSt 46, 93 m.w.N. aus der Rspr. des EGMR). Das Gesetz (§ 255a Abs. 2 Satz 1 StPO) verlangt für die vernehmungsersetzende Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung indessen nicht, daß der Verteidiger vor seiner Mitwirkung an der aufgezeichneten Vernehmung Akteneinsicht nehmen oder die Niederschrift einer vorangegangenen polizeilichen Vernehmung des Zeugen einsehen konnte (vgl. Weigend, Gutachten C DJT 1998, S. 63, 64; siehe auch Bittmann DRiZ 2001, 112, 120; kritisch: Beulke ZStW Bd. 113 <2001> S. 709, 713 f.; Schünemann StV 1998, 391, 400; Schlothauer StV 1999, 47, 49). Für die „Vernehmungsersetzung“ ist die "Gelegenheit zur Mitwirkung" ausreichend. Dazu wird der Verteidiger allerdings regelmäßig - falls möglich - auch die Gelegenheit haben müssen, sich vor der Vernehmung mit dem Beschuldigten zu besprechen (vgl. BGHSt 46, 93). Das Fragerecht (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK) selbst ist durch das etwaige Unterbleiben einer vorherigen Akteneinsicht nicht verletzt; es wird durch die Gelegenheit zur Teilnahme an der aufgezeichneten Vernehmung und zur Befragung der Beweisperson gewahrt. In seinen Gewährleistungsbereich fällt nicht, daß es auf der Grundlage der Kenntnis des aktuellen Standes der Ermittlungen ausgeübt wird. Ein
dahingehendes Verständnis würde die Regelung des Akteneinsichtsrechts mit ihrer den Untersuchungszweck sichernden Versagungsmöglichkeit und das Beweissicherungsinteresse, mithin das allgemeine Aufklärungs- und Wahrheitsfindungsinteresse nicht hinreichend berücksichtigen. Es fände auch in der Gesetzgebungsgeschichte zu § 255a StPO keine Stütze. Daß es bei der Vernehmungsersetzung nach § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO deshalb zu einer Einschränkung der "Konfrontationsmöglichkeiten" der Verteidigung kommen kann, ist wegen des zeugen- und opferschützenden Anliegens der Regelung hinzunehmen (vgl. BGHSt 46, 93, 96). Das alles ändert freilich nichts daran, daß es je nach Lage des Einzelfalles sowohl unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Fürsorge als auch dem der sachgerechten Förderung des Verfahrens mit Blick auf eine etwaige spätere Hauptverhandlung meist sinnvoll sein wird, dem Verteidiger zuvor die Niederschrift einer vorangegangenen Vernehmung derselben Aussageperson und auch die sonst bis dahin angefallenen Ermittlungsergebnisse offenzulegen , um so seine Möglichkeiten zu verbessern, verteidigungsgerechte Fragen zu stellen und Vorhalte anzubringen. Ist die Gewährung von Akteneinsicht im Blick auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht angezeigt (vgl. § 147 Abs. 2 StPO) oder sonst aus praktischen Gründen etwa allenfalls begrenzt möglich, beispielsweise weil der schnellen Beweissicherung Vorrang eingeräumt wird, so steht auch dies der Ersetzung der Vernehmung in der Hauptverhandlung durch das Vorführen der Aufzeichnung grundsätzlich nicht entgegen. bb) Der Aufklärungspflicht des erkennenden Richters in der Hauptverhandlung kommt bei einer Vernehmungsersetzung allerdings erhöhte Bedeutung zu. Eine ergänzende Vernehmung in der Hauptverhandlung wird sich oft aufdrängen, wenn nach der aufgezeichneten Vernehmung weitere Beweiser-
gebnisse angefallen sind, die mit den Angaben des Zeugen in wesentlichen Punkten nicht im Einklang stehen oder sonst klärungsbedürftige weitere Fragen aufwerfen (§ 255a Abs. 2 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO; vgl. Diemer NJW 1999, 1667, 1675; Schlüchter/Greff, Kriminalistik 1998, 530, 534). In praktischer Hinsicht wird - unter dem Zeugenschutzaspekt der Regelung - die Wahrscheinlichkeit des Erfordernisses einer ergänzenden Vernehmung steigen, wenn der Verteidiger vor der aufgezeichneten Vernehmung keine Akteneinsicht hatte. Denn er kann dazu beitragen, schon zu einem frühen Zeitpunkt auch den aus seiner Sicht klärungsbedürftigen Fragen nachzugehen, die sich in ihrer Bedeutung sonst möglicherweise erst in der Hauptverhandlung erhellen. Unterbleiben bei der aufgezeichneten Vernehmung Vorhalte und Fragen, die sich später für den Tatrichter als aufklärungspflichtig erweisen, wird die ergänzende Vernehmung oft zwingend sein. Sie kann dann möglicherweise auch in der Hauptverhandlung als audio-visuelle Vernehmung geführt werden (§ 247a StPO). cc) Für die Bescheidung eines Antrags auf ergänzende Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung ist in der Regel jedenfalls dann, wenn Angeklagter und Verteidiger bei der gemäß § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO durchgeführten ermittlungsrichterlichen Zeugenvernehmung mitgewirkt haben - nur diese Fallgestaltung ist hier zu entscheiden - nicht § 244 Abs. 3 StPO, sondern § 244 Abs. 2 StPO heranzuziehen. Da die Vorführung der aufgezeichneten Vernehmung (§ 255a Abs. 2 Satz 1 StPO) in der Hauptverhandlung die Vernehmung des Zeugen "ersetzt", ist diese Vernehmung grundsätzlich so zu behandeln , als sei der Zeuge in der Hauptverhandlung selbst gehört worden. Für die Stellung eines Beweisantrages auf ergänzende (nochmalige) Vernehmung gelten deshalb dieselben Maßstäbe wie bei einem Antrag auf wiederholte Vernehmung eines in der Hauptverhandlung bereits vernommenen Zeugen (BGH
StV 1995, 566; zustimmend Rieß StraFo 1999, 1, 5; Schlothauer StV 1999, 47, 49; Boetticher in Sonderheft für Gerhard Schäfer 2002, 8, 15 f.). dd) Dies hat zur Folge, daß grundsätzlich mit der Revision nicht beanstandet werden kann, dem Zeugen seien bestimmte Fragen nicht gestellt worden. Denn das liefe auf die Behauptung hinaus, ein Beweismittel sei nicht ausgeschöpft worden. Dem geht das Revisionsgericht grundsätzlich nicht nach, weil das einer teilweisen inhaltlichen Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme gleichkäme, die dem System des Revisionsverfahrens nicht entspräche. Das gilt auch für die aufgezeichnete Vernehmung: Es widerstritte der Aufgabenverteilung zwischen Tatgericht und Revisionsgericht, wäre das Revisionsgericht in solchen Fällen gehalten, sich die Aufzeichnung selbst anzusehen und etwa daraufhin zu bewerten, ob die Beweisperson dies oder jenes so oder anders gesagt, ausgedrückt oder gemeint hat, und ob die vorangegangene Frage in diese oder jene Richtung ging. Es liegt auf der Hand, daß damit oft auch tatsächliche Wertungen zur Beweiswürdigung verlangt wären, die vorzunehmen nicht Aufgabe des Revisionsrichters ist. ee) Danach ist es zunächst stets eine Frage der Aufklärungspflicht, ob ein bereits vernommener Zeuge - wenn auch im Wege der "Ersetzung" nach § 255a Abs. 2 Satz 1 StPO - nochmals ergänzend zu vernehmen ist. Die Aufklärungspflicht wird indessen nicht unmittelbar und von Rechts wegen, sondern allenfalls mittelbar in verfahrenspraktischer Hinsicht von dem Gesichtspunkt mitbestimmt, ob und inwieweit die Teilnahme- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Verteidigung bei der ersetzenden Vernehmung eingeschränkt waren. Entscheidend ist insoweit allein, ob aus Sicht des erkennenden Richters in der Hauptverhandlung - auf diesen Zeitpunkt kommt es an - bei der aufgezeichneten und vorgespielten Vernehmung Vorhalte und Fragen zu wesentlichen, auf-
klärungsbedürftigen Punkten unterblieben sind und sich deshalb auch im Blick auf die Beweislage im übrigen die ergänzende Vernehmung aufdrängt. Stets ist die Beurteilung eine Frage des Einzelfalles. Wird der Zeuge zum Beweis einer neuen Behauptung benannt, zu der er bei der aufgezeichneten und vorgeführten Vernehmung noch nicht gehört werden konnte, so kann eine ergänzende Vernehmung unabweisbar geboten sein. Insofern gilt nichts anderes als für den in der Hauptverhandlung bereits vernommenen und entlassenen Zeugen (vgl. dazu BGH StV 1995, 566); denn in solchen Fällen wird nicht nur die Wiederholung einer Beweiserhebung erstrebt. Bei dieser Fallgestaltung ist ein dahingehender Antrag deshalb nach den Grundsätzen des Beweisantragsrechts zu behandeln.
c) Der Ablehnungsbeschluß des Landgerichts begegnet nach allem keinen rechtlichen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen zielte der abgelehnte Antrag lediglich auf eine teilweise Wiederholung der Vernehmung ab. Er ist deshalb am Maßstab der richterlichen Aufklärungspflicht zu messen, die nicht verletzt ist. Die von der Revision und zuvor von der Verteidigung in ihrem Antrag aufgegriffenen Sachverhaltspunkte waren bereits Gegenstand der vorgeführten ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten sowie der ebenfalls eingeführten polizeilichen Vernehmung gewesen. Es ging um einen Vorhalt und eine Frage, die nichts grundlegend Neues beinhalteten. Eine neu zu Tage getretene Erkenntnis, die bei der vorgeführten Vernehmung noch nicht bekannt gewesen, nun aber zu ergänzender Vernehmung gedrängt hätte, stand nicht in Rede. Die Zeugin war vielmehr ausführlich zu dem Geschehen vernommen worden (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der von der Verteidigung beabsichtigte Vorhalt aus der Vernehmung der Großmutter der Geschädigten in der Hauptverhandlung war, wie die Revision selbst vorträgt, der Geschädig-
ten im wesentlichen inhaltsgleich schon beim Ermittlungsrichter durch den An- geklagten selbst gemacht worden, und sie hatte darauf geantwortet. Schließlich betrafen die Punkte ersichtlich eher Randfragen. Es gab zudem weitere Beweismittel und Beweisanzeichen, welche die Aussage der Geschädigten zum Tatgeschehen bestätigten. Die Strafkammer war nach allem nicht zur ergänzenden Vernehmung der Geschädigten gezwungen. Auch ein Verstoß gegen die prozessuale Fürsorgepflicht, der sich in der Entscheidung des erkennenden Richters fortgesetzt hätte, liegt nach allem nicht vor. 4. Die weitere Verfahrensrüge, mit der die Revision die Bescheidung eines Beweisantrages auf Vernehmung der P. V. als Zeugin rügt, ist aus den Erwägungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. III. Auch die sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO). Richter am BGH Dr. Boetticher ist in Urlaub und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Nack Schluckebier Richter am BGH Hebenstreit ist in Urlaub und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 162/09
vom
10. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 20. Juni 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 29 Fällen, davon in 19 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung hat es hiervon drei Monate als vollstreckt erklärt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Es ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 13. August 2009 bemerkt der Senat:
3
1. Soweit die erhobenen Verfahrensrügen nicht bereits unzulässig sind, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen, sind sie jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
4
a) Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht, dass die Strafkammer Hilfsbeweisanträge mit der Begründung nicht mehr beschieden hat, durch einen am 14. Mai 2008 in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss sei dem Beschwerdeführer eine abschließende Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge bis zum 28. Mai 2008 gesetzt worden. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Zwar kann der Vorsitzende nach Abschluss der vom Gericht nach Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für geboten gehaltenen Beweiserhebungen die übrigen Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung auffordern , etwaige Beweisanträge zu stellen (vgl. BGHSt 51, 333, 344; BVerfG - Kammer - Beschl. vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08). Das Verstreichen dieser Frist führt aber nicht dazu, dass hiernach gestellte Beweisanträge vom Gericht als verspätet abgelehnt werden könnten oder überhaupt nicht mehr zu bescheiden wären. Denn diese Frist stellt keine Ausschlussfrist dar; sie lässt die Pflicht des Gerichts zur Ermittlung des wahren Sachverhalts unberührt. Es ist deshalb ausgeschlossen, einen Beweisantrag allein aufgrund eines zeitlich verzögerten Vorbringens abzulehnen (BVerfG aaO).
6
Die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen trägt im Einzelfall dem Gebot effektiver und beschleunigter Durchführung von Strafverfahren Rechnung und beugt der Gefahr vor, dass durch sukzessive Beweisantragstellung der Abschluss des Verfahrens hinausgezögert wird (BVerfG aaO). Mit der Fristsetzung betont das Gericht, aus welchen äußeren Beweisanzeichen es im Ein- http://www.juris.de/jportal/portal/t/vo2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE035702305&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vo2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE035702305&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - zelfall auf das Vorliegen der Verschleppungsabsicht schließen will. Bei der Fristversäumung handelt es sich aber lediglich um einen von mehreren Umständen , die für das Vorliegen der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes des § 244 Abs. 3 Satz 2, 6. Alt. StPO von Bedeutung sind. Wird die gesetzte Frist nicht gewahrt, kann das Gericht „signifikante Indizien“ für das Vorliegen einer der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Prozessverschleppungsabsicht annehmen. Hierdurch wird das subjektive und damit regelmäßig schwer beweisbare Moment der Verschleppungsabsicht anhand objektiver Kriterien erschlossen (vgl. BVerfG aaO). Die Nichtwahrung der Frist ist somit ein Indiz für das Vorliegen einer Prozessverschleppungsabsicht. Um dieses Indiz zu entkräften, ist der Antragsteller bei Beweisanträgen nach Ablauf der Frist gehalten, die Gründe für die späte Antragstellung substantiiert darzulegen. Besteht nach der Überzeugung des Gerichts aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Substantiierung kein nachvollziehbarer Anlass für die Überschreitung der gesetzten Frist, so darf es - falls nicht die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zur Beweiserhebung drängt - grundsätzlich davon ausgehen, dass mit dem Antrag nur die Verzögerung des Verfahrens bezweckt wird (BGHSt 51, 333, 344). Das Gericht hat hier jedoch die Hilfsbeweisanträge nicht im Urteil wegen Prozessverschleppungsabsicht zurückgewiesen. Es fehlt vielmehr an einer ausdrücklichen Bescheidung der Anträge.
7
Der Senat schließt aber aus, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Selbst eine rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages im Urteil führt dann nicht zur Urteilsaufhebung, wenn der Antrag vom Tatgericht mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt werden konnte und die zutreffenden Ablehnungsgründe vom Revisionsgericht - aufgrund des Urteilsinhalts - nachgebracht oder ergänzt werden können (BGH NStZ 1998, 98; 2008, 116). Für den Fall der Nichtbescheidung eines Hilfsbeweisantrags kann nichts anderes gelten, wenn die Gründe für die Ablehnung vom Revisionsgericht ergänzt werden können. So liegt der Fall auch hier.
8
Den im Abschnitt I Ziffer 11, 12, 13 und 14 der Revisionsbegründungsschrift geschilderten Hilfsbeweisanträgen musste das Landgericht schon deshalb nicht nachgehen, weil die darin unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung waren (§ 244 Abs. 3 StPO). Die Beweistatsachen lassen lediglich einen möglichen, aber keinen zwingenden Schluss auf eine fehlende Glaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten A. zu, auf die sich der Beschwerdeführer beruft. Den vom Beschwerdeführer mit den Hilfsbeweisanträgen erstrebten Schluss, die Angaben des geständigen Mitangeklagten A. seien in ihrer Gesamtheit nicht glaubhaft, hätte das Landgericht auch dann nicht gezogen, wenn die Beweistatsachen erwiesen worden wären. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Ausführungen der Strafkammer zum Beweisergebnis im Übrigen, insbesondere aus der Vielzahl der gegen den Angeklagten sprechenden objektiven Umstände, aufgrund derer das Landgericht den Angeklagten als überführt ansieht (vgl. UA S. 58 ff.).
9
Die in der Revisionsbegründungsschrift mit der Ordnungsnummer I.14 bezeichnete Rüge ist zudem schon unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sich der Hilfsbeweisantrag auf eine polizeiliche Vernehmung des Mitangeklagten A. bezieht, ohne dass deren Inhalt von der Revision mitgeteilt wird (vgl. BGHSt 40, 3, 5).
10
b) Die mit der Ordnungsnummer I.20 bezeichnete Verfahrensrüge, mit der die Ablehnung eines Beweisantrags beanstandet wird, entspricht ebenfalls nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn in dem der Rüge zugrunde liegenden, vom Landgericht abgelehnten Antrag auf Einholung eines graphologischen Gutachtens wird auf „Blatt 5 der Fallakte“ Bezug genommen , ohne dass diese Stelle ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Revisionsbegründungsschrift wiedergegeben wird. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht abgelehnt hat.
11
2. Mit der Sachrüge deckt der Beschwerdeführer ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings gibt die Abfassung der Urteilsgründe, namentlich die zum Teil unterschiedliche Kennzeichnung der Einzelfälle nach Ordnungsziffern in Sachverhalt, Beweiswürdigung , rechtlicher Würdigung und Strafzumessung, dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:
12
Wird eine Tatserie abgeurteilt, ist es ratsam, in den Urteilsgründen für die einzelnen Taten im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung einheitliche Ordnungsziffern zu vergeben und diese durchgängig bei Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung sowie Strafzumessung weiterzuverwenden. Es kann den Bestand eines Urteils insgesamt gefährden, wenn - wie hier - die Urteilsgründe wegen einer inkonsistenten Nummerierung aus sich heraus nicht mehr ohne weiteres verständlich sind und die Ermittlung der für die Einzeltaten verhängten Strafen kaum ohne eine vollständige Rekonstruktion und tabellarische Exzerpierung des Urteilsinhalts möglich ist (vgl. BGH wistra 2006, 467, 468; BGH, Beschl. vom 11. Februar 2003 - 3 StR 391/02 m.w.N.).
13
Im vorliegenden Fall ist die revisionsgerichtliche Überprüfung zwar durch die mangelnde Sorgfalt bei der Abfassung der Urteilsgründe seitens des Tatgerichts erheblich erschwert worden. Da sich bei der Nachprüfung des Urteils aber keine unauflösbaren Widersprüche ergeben haben, hat der Senat die Darstellungsmängel letztlich als noch nicht durchgreifend erachtet.

14
3. Soweit das Landgericht die Fälle, in denen der Angeklagte jeweils tateinheitlich mit Betrug eine Urkundenfälschung begangen hat, in der Urteilsformel zu niedrig angegeben hat, sieht der Senat von einer Abänderung des Schuldspruchs ab. Der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 353/08
vom
18. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. September 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. März 2008, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen, soweit danach dieser Angeklagte der Mittäter des Mitangeklagten Mindaugas R. war, aufgehoben; im Übrigen bleiben die Feststellungen bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Darius R. und seinen jüngeren Bruder, den Mitangeklagten Mindaugas R. , jeweils des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der gemeinschaftlich begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und den Mitangeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während der Senat die Revision des Mitangeklagten durch Beschluss vom heutigen Tage als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, hat die Revision des Angeklagten Darius R. mit einer Verfahrensrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Prozessverschleppung. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Zu Beginn der Hauptverhandlung kam es auf Betreiben des Verteidigers des Mitangeklagten Mindaugas R. zu einem Verständigungsgespräch, in dessen Folge dieser Angeklagte über seinen Verteidiger ein Geständnis ablegte. Demgegenüber gab der Beschwerdeführer bis zum Schluss der Hauptverhandlung keine Erklärung ab und äußerte sich auch nicht zur Sache. Mit mehreren Beweisanträgen, die im Wesentlichen auf die Vernehmung von sogenannten Auslandszeugen gerichtet waren, versuchte die Verteidigung den Nachweis zu führen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit in Litauen aufgehalten habe. Nachdem sämtliche Beweisanträge von der Strafkammer zurückgewiesen worden waren, stellte der Verteidiger am letzten Hauptverhandlungstag den weiteren Beweisantrag, Lena F. , wohnhaft in G. , eine frühere Bekannte des Angeklagten, als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen , dass der Angeklagte am 21. März 2007 [Tatzeit hier war der Nachmittag des 20. März 2007] gemeinsam mit ihr mit einem Bus von Litauen nach Deutschland zurückgefahren sei. Diesen Antrag lehnte die Strafkammer mit folgender Begründung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO wegen Prozessverschleppungsabsicht ab: "Nachdem der Angeklagte seit Mai 2007 in U-Haft sitzt, hat er am fünften Verhandlungstag durch Benennung eines Zeugen aus Litauen versucht, seine Anwesenheit in Litauen zum Tatzeitpunkt zu belegen. Heute hat er dazu zunächst einen weite- ren Zeugen aus Litauen benannt. Es ist nicht ersichtlich, warum erst am letzten Verhandlungstag um 17.10 Uhr nunmehr zu diesem Beweisthema eine Zeugin aus G. benannt wird und dies nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist, zumal es sich bei Frau F. um die Mittäterin des Angeklagten Darius R. aus seiner Vorstrafe wegen räuberischen Diebstahls handelt. Die Vernehmung der Frau F. würde zu einer nicht unerheblichen Verfahrensverzögerung führen, weil zumindest ein zusätzlicher Verhandlungstag anberaumt werden müsste".
4
Diese Begründung trägt die Ablehnung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO in objektiver Hinsicht zwei Voraussetzungen: Die verlangte Beweiserhebung kann nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen; darüber hinaus muss sie geeignet sein, den Abschluss des Verfahrens wesentlich hinauszuzögern; in subjektiver Hinsicht muss sich der Antragsteller der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst sein und mit dem Antrag ausschließlich die Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezwecken (vgl. BGHSt 51, 333, 336). Insoweit fehlt es in dem beanstandeten Beschluss aber bereits an jeglicher Darlegung, weshalb der Beweis nichts Entlastendes für den Beschwerdeführer erbringen könnte. Ebenso wenig ist dargetan, dass der Antragsteller - hier also der Verteidiger - sich der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst war. Der späte Zeitpunkt der Antragstellung ist für sich allein kein ausreichendes Anzeichen für ein solches Bewusstsein (BGHSt aaO). Dies gilt schon deshalb, weil der Gesetzgeber ungeachtet der grundlegenden Bedeutung desBeschleunigungsgebots die Vorschrift des § 246 Abs. 1 StPO, nach der eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden darf, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei, nicht geändert hat. Das Bewusstsein der Nutzlosigkeit der beantragten Beweiserhebung folgt auch nicht ohne Weiteres aus dem "eher pauschalen" Geständnis des Anklagesachverhalts durch den Mitangeklagten Mindaugas R. und der Tatsache, dass in dem Pkw des Geschädigten S. eine Wollmütze gefunden wurde, die ausschließlich DNA des Beschwerdeführers aufwies. Denn der Beweisantrag diente gerade dazu, diese Beweisgrundlagen zu erschüttern.
5
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht die Verurteilung des Beschwerdeführers. Denn trotz der gewichtigen für seine Tatbeteiligung sprechenden Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer insoweit Zweifel gehabt hätte, wenn die benannte Zeugin die Beweisbehauptung bestätigt hätte.
6
2. Der Senat hebt deshalb das Urteil mit den Feststellungen auf, soweit es festgestellt hat, dass es sich bei dem Mittäter des Mitangeklagten Mindaugas R. um den Beschwerdeführer gehandelt hat. Nur insoweit sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils durch die fehlerhafte Zurückweisung des Beweisantrags betroffen (§ 353 Abs. 2 2. Halbs. StPO). Die übrigen Feststellungen zum Tatgeschehen einschließlich der Rollenverteilung der beiden Täter bei den Taten beruhen dagegen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und können deshalb bestehen bleiben.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Solin-Stojanović