Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2002 - 4 StR 318/02

Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Soweit sich der Angeklagte gegen den Schuldspruch wendet, ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Strafausspruch hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte am Abend vor der Tat auf einer Geburtstagsfeier "erhebliche Mengen Alkohol konsumiert" und bei dem
"Resteverzehr" am nächsten Tage, dem Tattage, "relativ wenig Bier" getrunken. Nach Auffassung des Landgerichts liegen die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vor. Soweit es den Alkoholkonsum des Angeklagten betrifft, hat das Landgericht zur Begründung lediglich ausgeführt, der Sachverständige habe "in seinem mündlich vorgetragenen Gutachten nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei ausgeführt, daß bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vorliege, dieser sich zum Tatzeitpunkt aber nicht so ausgewirkt habe, daß die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erheblich beeinträchtigt gewesen sei" (UA 11).
Das genügt schon deshalb nicht, die Voraussetzungen des § 21 StGB rechtsfehlerfrei auszuschließen, weil sich das Urteil zu der im Hinblick auf den Alkoholkonsum des Angeklagten maßgeblichen Frage, ob dieser zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt haben könnte, nicht verhält. Zudem hätten die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben werden müssen, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ-RR 1996, 258; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32 m.w.N.). Nur dann kann vom Revisionsgericht geprüft werden, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlußfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 1997 - 4 StR 629/96 und 12. Dezember 2001 - 4 StR 498/01).
Der Strafausspruch hat daher keinen Bestand. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafen im übrigen zu bedenken haben, daß die sexu-
ellen Handlungen zwar im Hinblick auf das nach § 176 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184 c Nr. 1 StGB sind, ihr Schuldgehalt aber im unteren Bereich liegt.
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben.
Ernemann Sost-Scheible

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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.