Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2016 - 4 StR 304/16

bei uns veröffentlicht am13.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 304/16
vom
13. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:130916B4STR304.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1.a) mit dessen Zustimmung – und der Beschwerdeführerin am 13. September 2016 gemäß § 154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. Januar 2016 wird
a) die Verfolgung in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe auf den Vorwurf eines unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 1. und in den Fällen II. 9. und 10. der Urteilsgründe auf den Vorwurf des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 10. der Urteilsgründe beschränkt ;
b) das Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig ist und
c) in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben ; ferner werden die Feststellungen aufgehoben, soweit sie Handelsmengen betreffen, die über der Grenze zur nicht geringen Menge liegen. 2. Die weiter gehende Revision der Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun weiteren Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie Einziehungs- und Verfallsanordnungen getroffen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO, zu einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung aller Strafaussprüche. Im Übrigen hat es keinen Erfolg.
2
1. Der Senat beschränkt die Verfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe auf den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 1. und – ebenfalls mit Zustimmung des Generalbundesanwalts – in den Fällen II. 9. und 10. auf den Vorwurf des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 10. der Urteilsgründe. Denn nach bisheriger Rechtsprechung des Senats werden diese Fälle durch die Zahlung von Teilbeträgen für die von der Angeklagten und ihrer Mittäterin in den Fällen II. 1. und 9. erworbenen Betäubungsmittel mit den Kaufpreisen des in den Fällen II. 2. und 10.
übergebenen Heroins zu jeweils einer Tat verbunden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 4 StR 322/15, NStZ 2016, 420).
3
2. Die Verfolgungsbeschränkung hat die entsprechende Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Dieser weist im Übrigen keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler auf.
4
Zwar dienten die Taten – neben der Erzielung von Gewinn – nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen auch der Versorgung ihrer Mittäterin (ihrer Tochter), eines ihrer Söhne sowie ihres Lebensgefährten mit Heroin (vgl. UA S. 12, ferner S. 17, 38/39), wobei sich den Feststellungen nicht entnehmen lässt, ob die Angeklagte auch insofern eigennützig handelte. Durch das Unterlassen eines Schuldspruchs wegen tateinheitlich gegebenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (sofern die Grenze zur nicht geringen Menge nicht überschritten wurde; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 StR 259/13, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 82) ist die Angeklagte aber nicht beschwert.
5
Der Senat kann in allen Fällen ausschließen, dass die (tatsächlichen) Handelsmengen unter Berücksichtigung der Eigenbedarfsmengen ihrer Familienangehörigen und ihres Lebensgefährten unterhalb der Grenze zur nicht geringen Menge lagen. Hieran bestehen angesichts der Erwerbsmengen (zwischen 300 und 1.000 g Heroin), den hierfür bezahlten Kaufpreisen (25 € je Gramm Heroin) und der Abstände zwischen den einzelnen Taten von in der Regel höchstens drei Wochen keine Zweifel, zumal die seit 1995 von Sozialleistungen lebende Angeklagte (UA S. 5) auch den Kauf und die Instandsetzung bzw. die Instandhaltung des von einem ihrer Söhne und ihrem Lebensgefährten für 240.000 € erworbenen, von ihr ebenfalls bewohnten Anwesens mitfinanzier- te (UA S. 6, 39/40). Der Senat hat daher den Schuldspruch wegen – teils bewaffneten – Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entsprechend der Verfolgungsbeschränkung abgeändert.
6
Die Einzelstrafaussprüche sowie der Gesamtstrafenausspruch haben dagegen keinen Bestand.
7
Denn die Strafkammer hat die diesen Strafaussprüchen zugrunde gelegten Handelsmengen entsprechend den jeweiligen Erwerbsmengen bestimmt (UA S. 52/53), ohne zu berücksichtigen, dass diese einander wegen des Eigenbedarfs ihrer Familienangehörigen und ihres Lebensgefährten – zumindest möglicherweise – nicht ohne weiteres entsprachen. Denn sie hat weder festgestellt , dass die erworbenen Mengen zunächst jeweils insgesamt zum Handel bestimmt waren, noch hat sie festgestellt, dass die Angeklagte hinsichtlich der Eigenbedarfsmengen einen ihre Eigennützigkeit begründenden mittelbaren oder unmittelbaren Vorteil erlangt hat (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2013 – 2 StR 608/12, juris Rn. 10; vom 12. August 2015 – 4 StR 312/15, juris Rn. 4; vom 16. März 2016 – 4 StR 42/16, NStZ-RR 2016, 212, 213). Soweit die Strafkammer ihre Vorgehensweise damit begründete, dass ihr eine entsprechende Schätzung mangels Tatsachengrundlage nicht möglich gewesen sei, weil diese Zeugen keine Angaben gemacht hätten, und zudem die Ermittlungsbehörden „nicht alle Fälle in Erfahrung bringen konnten“ (UA S. 39), übersieht die Strafkammer bei ihrer letzten Erwägung, dass sie selbst festgestellt hat, dass die Angeklagte bzw. ihre Mittäterin neue Bestellungen erst aufgegeben haben, wenn sich das Rauschgift aus der vorangegangenen Lieferung „dem Ende zuneigte“ (UA S. 12, 38). Dass die Tochter der Angeklagten, ihr Sohn sowie ihr Lebensgefährte keine Angaben gemacht haben, schließt eine auf der Grundlage des in-dubio-Satzes vorgenommene Schätzung des zum Eigenkonsum abgegebenen Anteils an den Erwerbsmengen nicht aus.
8
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 4. Juli 2016 dargelegten Gründen keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO; vgl. zur Berücksichtigung des Alters der Angeklagten bei der Strafzumessung: BGH, Urteil vom 27. April 2006 – 4 StR 572/05, NStZ 2006, 500, 501). Dies gilt auch für die Einziehungs- und Verfallsanordnungen.
9
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die Aufhebung der Feststellungen lediglich diejenigen betrifft, die allein für die Strafaussprüche Bedeutung haben. Insbesondere werden die Feststellungen zu den jeweiligen Erwerbsmengen – anders als die Handelsmengen, soweit diese über der Grenze zur nicht geringen Menge liegen – von der Aufhebung nicht erfasst.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 322/15
vom
13. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2016:130116B4STR322.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Januar 2016 gemäß § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. April 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 29 Fällen zu der Ge- samtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge.
2
Das nach Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zulässige Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Annahme von 38 selbständigen, real konkurrierenden Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, teils in nicht geringer Menge, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
4
Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte im Zeitraum von 2009 bis 26. April 2013 in 38 Fällen Marihuana mit Wirkstoffgehalten von mindestens 12,6 % und 16,2 % in Mengen von 50 Gramm bis zu einem Kilogramm zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Sämtliche Geschäfte wurden dergestalt „auf Kommission“ abgewickelt, dass der Angeklagte mit dem Erlös aus dem vorangegangenen Abverkauf der von ihm erworbenen Betäubungsmittel jeweils den nächsten Ankauf bei seinem Lieferanten beglich. Die Überschneidung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen, die sich daraus ergibt, dass das Aufsuchen des Lieferanten jeweils zugleich der Übermittlung des Entgelts für die vorangegangene und der Abholung der vereinbarten neuerlichen Betäubungsmittellieferung diente, führt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14; Beschlüsse vom 2. Juli 2014 – 4 StR 188/14; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13; vom 7. September 2015 – 2 StR 47/15; vom 9. Dezember 2014 – 2 StR 381/14; vom 22. Januar 2010 – 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; vom 15. Juli 2014 – 5 StR 169/14, insoweit in NStZ-RR 2014, 315 nicht abgedruckt; vgl. dagegen BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 3 StR 236/15) dazu, dass hinsichtlich der unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte die auf die jeweiligen Handelsmengen bezogenen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz tateinheitlich verknüpft sind. Das Tun des Angeklagten stellt sich daher als eine einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG dar.
5
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der in vollem Umfang geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafen. Die von der Strafkammer festgesetzte Gesamtstrafe kann dagegen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Strafe für die einheitliche Tat bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender Bewertung des Konkurrenzverhältnisses, die den Unrechts- und Schuldgehalt des vom Angeklagten verwirklichten strafbaren Verhaltens unberührt lässt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 4. November 2010 – 4 StR 374/10, NStZ-RR 2011, 79, 80; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641), auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
6
Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 259/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringe Menge in sieben Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. Januar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte in der Zeit vom 12. November 2010 bis zum 29. Dezember 2010 in sechs Fällen jeweils zwischen 150 und 330 Gramm Amphetamin, in zwei Fällen zusätzlich 650 bzw. 500 Ecstasy-Tabletten (Fälle II. 4. und 5.) sowie in zwei weiteren Fällen am 14. November 2010 und am 24. April 2011 112 bzw. 1.000 Ecstasy-Tabletten (Fälle II. 2. und 8.). Etwa die Hälfte des jeweils erworbenen Amphetamins streckte der Angeklagte im Verhältnis 1:2 und veräußerte es zur Finanzierung seines eigenen Konsums gewinnbringend weiter.
3
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen haben die Schuldsprüche keinen Bestand.
4
a) Ein Handeltreiben im Sinne der § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist für die von dem Angeklagten erworbenen Gesamtmengen nicht belegt. Täterschaftliches Handeltreiben erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Angeklagten zumindest auch vom Streben nach Gewinn geleitet war oder er sich einen anderen persönlichen Vorteil versprach, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2001 - 3 StR 371/01, StV 2002, 254).
5
Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe im Hinblick auf den durch den Angeklagten erfolgten Erwerb von Ecstasy-Tabletten nicht. In den Fällen II. 2. und 8. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte ausschließlich EcstasyTabletten erwarb, tragen daher die Feststellungen nicht die Verurteilung wegen Handeltreibens. In den übrigen Fällen, in denen der Angeklagte zusätzlich oder ausschließlich Amphetamin erwarb, hat die Strafkammer zwar in Bezug auf die Hälfte der jeweils erworbenen Amphetaminmenge festgestellt, dass eine gewinnbringende Weiterveräußerung durch den Angeklagten erfolgte. Für die andere Hälfte fehlen indes ebenso wie für die zusätzlich erworbenen EcstasyTabletten entsprechende Feststellungen. Erfolgt aber der Erwerb von Betäubungsmitteln mit offensichtlich unterschiedlicher Zweckbestimmung, richtet sich seine rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen (BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - 2 StR 30/11; Beschluss vom 18. März 2004 - 3 StR 468/03, StraFo 2004, 252). Nur im Hinblick auf die jeweilige Handelsmenge liegt demnach ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bzw. ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) vor. Tateinheitlich hierzu steht im Hinblick auf die übrige Menge in der Regel ein Erwerb von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bzw. Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG).
6
b) Eine Änderung der Schuldsprüche durch den Senat kommt nicht in Betracht. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen lassen eine zweifelsfreie rechtliche Würdigung nicht zu. Der Senat kann nicht ausschließen, dass noch Feststellungen zu einem auf die Gesamtmenge bezogenen, eigennützigen Handeln des Angeklagten getroffen werden können.
7
Im Hinblick auf die erworbenen Ecstasy-Tabletten liegt es schon angesichts der großen Menge nahe, dass der Angeklagte die Tabletten zumindest zu einem großen Teil zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben hat. Dafür spricht auch, dass die Strafkammer im Fall II. 4. der Urteilsgründe im Rahmen der Beweiswürdigung jedenfalls von einem Weiterverkauf ausgegangen ist.
8
Gleiches gilt im Ergebnis für die Fälle, in denen der Angeklagte Amphetamin erwarb. Die Feststellung, dass der gewinnbringende Weiterverkauf der hälftigen Menge der Finanzierung des eigenen Konsums des Angeklagten diente , legt zwar nahe, dass die andere Hälfte unmittelbar für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt war. Dagegen spricht aber, dass die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte "mit den Erlösen aus seinem Betäubungsmittelhandel" auch den eigenen Konsum finanziert hat (UA S. 31). Gegen die Annahme einer hälftigen Eigenkon- summenge spricht auch, dass der Angeklagte im November und Dezember 2010 insgesamt rund 1,5 kg Amphetamin erworben hat. Eine dementsprechende Eigenkonsummenge von 750 Gramm lässt sich aber selbst dann, wenn man von einer Vorratshaltung des Angeklagten ausgeht, nicht ohne weiteres mit dem von der Strafkammer festgestellten Konsumverhalten des Angeklagten in Einklang bringen. Denn dem Angeklagten, der zunächst regelmäßig ca. 2 bis 3 Gramm Amphetamin pro Tag konsumierte, gelang es ab November 2010, seinen Konsum wesentlich zu reduzieren und tageweise auch ganz einzustellen (UA S. 6, 32). Gegen einen hälftigen Erwerb zum Eigenkonsum spricht letztlich auch, dass die Strafkammer - wie bereits ausgeführt - im Fall II. 4. der Urteilsgründe jedenfalls von einem Weiterverkauf der Gesamtmenge ausgegangen ist.
9
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Fischer RiBGH Prof. Dr. Krehl Eschelbach ist an der Unterschrift gehindert Fischer Ott Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 0 8 / 1 2
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2. Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2014 beschlossen
:
1. Eine Erstreckung der auf die Revision des Angeklagten K.
gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30. März 2012
ergangenen Senatsentscheidung vom 12. Juni 2013 auf den
Mitangeklagten U. kommt nicht in Betracht.
2. Die Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 12. Juni
2013 wird zurückgewiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht Bonn hat den Angeklagten U. mit Urteil vom 30. März 2012 u.a. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision hat der Senat mit Beschluss vom 12. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Mit Beschluss vom selben Tag hat der Senat auf die Revision des Angeklagten K. das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Bonn, soweit es ihn betrifft, im Gesamtstrafenausspruch und insoweit aufgehoben, als der Angeklagte K. wegen (mittäterschaftlichen) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, weil die Feststellungen ein eigennütziges Handeln des Angeklagten nicht hinreichend belegt haben. Der Angeklagte K. ist insoweit nunmehr (rechtskräftig) durch das Landgericht Bonn wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden.
2
Der Angeklagte U. beantragt nun, entsprechend § 357 StPO die auf die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30. März 2012 ergangenen Senatsentscheidung vom 12. Juni 2013 auf ihn zu erstrecken. Da der Senat mit Beschluss vom 12. Juni 2013 die Mittäterschaft des Angeklagten K. in Zweifel gezogen habe und dieser durch das Landgericht Bonn nunmehr lediglich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, sei die für den Angeklagten U. „erforderliche akzessorische Haupttat […] weggefallen“. Diese „grobe materielle Ungerechtigkeit“ sei durch entsprechende Anwendung des § 357 StPO auszugleichen.
3
1. Die beantragte Erstreckung „entsprechend § 357 StPO“ kommt nicht in Betracht.
4
Abgesehen davon, dass dem Senat eine nachträgliche Änderung seiner Entscheidung grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. auch Senat, Beschluss vom 29. März 2000 - 2 StR 541/99, StV 2002, 12 mwN), liegen die Voraussetzungen des § 357 StPO nicht vor. Über die unbeschränkt eingelegte und mit der Sachrüge zulässig begründete Revision des Angeklagten U. hat der Senat gemäß § 349 Abs. 2 StPO sachlich entschieden. Für eine Rechtskraftdurchbrechung gemäß § 357 StPO in der auf die Revision des Angeklagten K. ergangenen Senatsentscheidung vom 12. Juni 2013 ist damit kein Raum (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 StR 57/06, BGHSt 51, 34, 39; Gericke in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 357 Rdn. 12).
5
Im Übrigen wäre auch ein gemeinsamer Revisionsgrund nicht gegeben. Dass der Angeklagte K. nunmehr wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, entzieht der Verurteilung des Angeklagten U. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht die Grundlage. Die Beihilfehandlung des K. kann zwar selbst nicht Haupttat sein; eine „Beihilfe zur Beihilfe“ ist aber Beihilfe zu deren Haupttat (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 27 Rdn. 3).
6
2. Auch als Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 hat der Antrag keinen Erfolg.
7
Die an keine Frist gebundene Gegenvorstellung ist als Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Senats nicht statthaft. Ein Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO kann weder aufgehoben noch abgeändert oder ergänzt werden. Eine Gegenvorstellung ist daher grundsätzlich nicht statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2013 - 2 StR 164/11 mwN). Unter welchen Voraussetzungen eine Gegenvorstellung ausnahmsweise zur Aufhebung einer rechts- kräftigen Entscheidung führen kann (vgl. hierzu Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 296 Rdn. 10 mwN), kann hier offen bleiben, da das Vorbringen des Angeklagten U. eine solche Entscheidung nicht rechtfertigt. Fischer Appl RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist an der Unterschriftsleistung verhindert. Fischer Ott Zeng
4
b) Damit ist der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht belegt. Dieser setzt Eigennützigkeit voraus. Eigennützig handelt der Täter, dem es auf seinen persönlichen Vorteil, insbesondere auf die Erzielung von Gewinn ankommt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 4 StR 117/12 mwN). Finanzielle Vorteile erlangte der Angeklagte aus diesem Geschäft nicht. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte gleichwohl solche oder sonstige persönliche Vorteile aus seiner Mitwirkung versprach , lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Wer aber nicht selbst eigennützig handelt, sondern lediglich den Eigennutz eines anderen unterstützen will, ist Gehilfe (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 3 StR 305/09).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 42/16
vom
16. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:160316B4STR42.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. September 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Schuldspruchänderung im Fall II.2. Nr. 21 der Urteilsgründe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte, der viele Jahre – teils gegen Entlohnung – als Informant der Polizei tätig gewesen war, im Mai 2014 den Entschluss, mit B. , der im Raum D. einen „schwungvollen“ Handel mit Betäubungsmitteln, insbesondere Kokain, betrieb, Betäubungsmittelgeschäfte zu machen. Er tat dies entweder in der Absicht, die von B. erworbenen Betäubungsmittel gewinnbringend weiterzuverkaufen, oder aber in dem Bestreben, durch die Drogengeschäfte näheren Zugang zuB. zu gewinnen, dessen Umfeld auszuleuchten und die hierdurch erlangten Informationen anschließend der Polizei anzubieten, wovon er sich eine angemessene Entlohnung für seine Tätigkeit oder die Zahlung einer Erfolgsprämie versprach. Kleinere Gewinne rechnete er mit ein, weil er sich dadurch die Mittel für seinen Eigenkonsum von Marihuana verdienen wollte.
3
In der Folgezeit bezog der Angeklagte meist nach vorangegangener telefonischer Bestellung von B. in acht Fällen Kokain in Mengen zwischen 10 und 50 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 40 %, das er in vier Fällen mit Gewinn (Taten II.2. Nr. 3 bis 6 der Urteilsgründe) und in vier Fällen zum Selbstkostenpreis (Taten II.2. Nr. 1, 2, 7 und 13 der Urteilsgründe) an Abnehmer weiterveräußerte. In weiteren fünf Fällen stellte der Angeklagte den Kontakt von B. zu Abnehmern her, die jeweils Kokain verschiedener Qualität in Mengen zwischen 30 und 60 Gramm erwarben oder erwerben wollten (Taten II.2. Nr. 8, 10, 11, 18 und 19 der Urteilsgründe). Ferner verkaufte er Marihuana , das er in Mengen von zweimal 1 Kilogramm von B. und von 100 Gramm von einem anderen Lieferanten bezogen hatte, mit Gewinn weiter (Taten II.2. Nr. 9, 12 und 14 der Urteilsgründe). Am 5. November 2014 erwarb der Angeklagte zunächst von einem weiteren Lieferanten 9,807 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 99,4 %, die er zum Selbstkostenpreis an einen Abnehmer abgeben wollte, und wenig später 21,98 Gramm Marihuana , das zur Hälfte zum Eigenkonsum und zur anderen Hälfte zur Weitergabe an Kollegen zum Selbstkostenpreis bestimmt war (Tat II.2. Nr. 21 der Urteilsgründe). Schließlich wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 21. Januar 2015 im Keller 5 Gramm Kokain aufgefunden, die der Angeklagte einige Tage zuvor unentgeltlich von B. mit der Bestimmung erhalten hatte, dafür einen Kunden zu suchen (Tat II.2. Nr. 22 der Urteilsgründe

).


II.


4
Die Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Schuldspruchänderung im Fall II.2. Nr. 21 der Urteilsgründe. Ansonsten hält der Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils einer rechtlichen Prüfung stand.
5
1. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch in den Fällen , in denen der Angeklagte von seinem Lieferanten B. bezogene Betäubungsmittel zum Einkaufspreis an Abnehmer abgab (Taten II.2. Nr. 1, 2, 7 und 13 der Urteilsgründe) oder ohne Provisionserwartung den Kontakt zwischen B. und Abnehmern von Betäubungsmitteln vermittelte (Taten II.2. Nr. 8, 10, 11, 18 und 19 der Urteilsgründe).
6
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG setzt eigennütziges Handeln voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Eigennützig ist eine Tätigkeit , wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder wenn er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Urteil vom 24. Juni 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126; Beschlüsse vom 26. August 1992 – 3 StR 299/92, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34; vom 6. November 2012 – 2 StR 410/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 80; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Rn. 150 mwN). Da der Vorteil weder tatsächlich erlangt werden noch unmittelbar aus dem Umsatzgeschäft resultieren muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1981 – 5 StR 56/81, StV 1981, 238; Urteil vom 4. Dezember 2007 – 5 StR 404/07, insoweit in NStZ 2008, 354 nicht abgedruckt ; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 323), reicht die Erwartung mittelbarer Vorteile aus, um die Eigennützigkeit zu begründen. Danach ist in den genannten Fällen ein eigennütziges Handeln des Angeklagten gegeben. Mit dem von einem finanziellen Eigeninteresse getragenen Bestreben, als Informant der Polizei gegen Entgelt verwertbare Informationen über seinen Lieferanten zu erhalten , zielte das Handeln des Angeklagten jeweils auf die Erlangung eines materiellen Vorteils, der nach den Vorstellungen des Angeklagten auch an seine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit anknüpfte und damit einen hinreichenden Umsatzbezug (vgl. hierzu Weber aaO, Rn. 330; Rahlf in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 387) aufwies. Dass die erstrebten geldwerten Informationen erst später durch Weitergabe an die Polizei zu Geld gemacht werden sollten, steht der Annahme von Eigennützigkeit nicht entgegen. Aus denselben Gründen ist auch im Fall II.2. Nr. 22 der Urteilsgründe ein eigennütziges Handeln des Angeklagten zu bejahen.
7
2. In den Fällen, in denen der Angeklagte den Kontakt zwischen dem Lieferanten B. und den Abnehmern von Betäubungsmitteln herstellte (Taten II.2. Nr. 8, 10, 11, 18 und 19 der Urteilsgründe), ist durch die Urteilsfeststellungen ein täterschaftliches Handeln des Angeklagten hinreichend belegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 339/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 75; vom 4. September 2012 – 3 StR 337/12, NStZ-RR 2013, 46).
8
3. Dagegen kann der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG im Fall II.2. Nr. 21 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. In diesem Fall, in dem der Angeklagte die Kokainzubereitung nicht von B. sondern von einem anderen Lieferanten bezog, um es zum Selbstkostenpreis an einen Abnehmer abzugeben, ist ein eigennütziges Verhalten des Angeklagten in den Urteilsgründen nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen indes wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Strafausspruch wird durch die Schuldspruchänderung nicht berührt. Angesichts der identischen Strafandrohung kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.
9
4. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 572/05
vom
27. April 2006
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________
Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten
Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in
die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen
Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse
zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben.
BGH, Urteil vom 27. April 2006 – 4 StR 572/05 – Landgericht Hagen
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Wilfried A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Lothar A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 10. Juni 2005 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Wilfried A. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in 12 Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - zum Teil in Tateinheit mit Waffendelikten - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten Lothar A. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in 12 Fällen und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - teilweise in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenführen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und den Angeklagten R. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in neun Fällen und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - ebenfalls zum Teil in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenführen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie beanstanden insbesondere die Strafzumessung des Landgerichts. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen begingen die erheblich und einschlägig vorbestraften Angeklagten in der Zeit von Ende 1988 bis zum 15. Januar 2004 gemeinschaftlich neun Raubüberfälle auf Bankinstitute, drei weitere Überfälle verübten nur die Angeklagten Wilfried und Lothar A. gemeinsam - wobei der Angeklagte Wilfried A. wegen einer dieser Taten bereits im Jahre 1989 mit zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft worden war -, zwei Banküberfälle beging der Angeklagte Wilfried A. allein, dabei blieb es in einem Fall beim Versuch. Den letzten Überfall planten die drei Angeklagten für den 4. November 2004. An diesem Tag wurden sie festgenommen. Die Banküberfälle wurden jeweils mit geladenen scharfen Schusswaffen durchgeführt. Die Beute betrug insgesamt fast eine Million Euro.
3
Nach ihrer Festnahme wurden bei den Angeklagten vier halbautomatische Selbstladepistolen, eine Maschinenpistole, Munition, drei scharfe Handgranaten und insgesamt ca. 417.800 € sichergestellt.
4
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Schuldsprüche. Auch die Strafaussprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die zum Teil fehlerhafte Anwendung neuen Rechts statt des TatzeitRechts durch das Landgericht bei § 250 StGB und den Waffendelikten (Fälle II 1, 2, 4a bis 4h der Urteilsgründe) beschwert die Angeklagten nicht, weil das Tatzeit-Recht bei der gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. BGHSt 45, 92 f.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 2 Rdn. 10 ff.) nicht milder war als das geltende Recht (§ 2 Abs. 1, 3 StGB).
6
b) Im Übrigen bedarf der näheren Erörterung nur die von den Beschwerdeführern und vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob die Ablehnung minder schwerer Fälle durch das Landgericht insbesondere wegen des fortgeschrittenen Alters der Angeklagten (der Angeklagte R. ist 75, der Angeklagte Wilfried A. 74, der Angeklagte Lothar A. fast 65 Jahre alt) rechtsfehlerhaft war. Wegen der weiteren sachlich-rechtlichen Angriffe der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung - namentlich der gerügten Verstöße gegen § 46 Abs. 3 StGB -, die insgesamt unbegründet sind, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Januar 2006 Bezug.
7
aa) Das Landgericht hat minder schwere Fälle des schweren Raubes, der schweren räuberischen Erpressung, der versuchten schweren räuberischen Erpressung, des unerlaubten Führens von Schusswaffen, des ungenehmigten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen und der Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung "schon angesichts der Vielzahl und der Gefährlichkeit der Taten, des harten und kompromisslosen Vorgehens der Angeklagten sowie der Auswirkungen der Taten auf die betroffenen Bankangestellten und Kunden" abgelehnt. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat es u. a. weiter ausgeführt:
8
Zu Lasten der Angeklagten sei zu berücksichtigen: - die Vielzahl der Taten - die Vielzahl der - auch einschlägigen - Vorstrafen (der Angeklagte Wilfried A. hat bereits mehr als 36 Jahre in Strafhaft verbracht, der Angeklagte R. mehr als 15 Jahre und der Angeklagte Lothar A. etwa 8 Jahre) - die bei den Taten aufgewendete kriminelle Energie und die jeweils über den Normalfall eines Banküberfalls hinausgehenden Folgen für die Tatopfer - das durch den Einsatz scharfer geladener Schusswaffen über den Normalfall eines Banküberfalls hinausgehende Gefährdungspotential - der lange Tatzeitraum und die jeweils hohe Beuteerwartung und - die Verwirklichung von zum Teil mehreren Straftatbeständen.
9
Zugunsten der Angeklagten wirke sich aus: - dass sie - zum Teil schon frühzeitig - geständig waren, - dass das erbeutete Geld zum großen Teil sichergestellt werden konnte, - dass die Angeklagten sich bei von den Überfällen betroffenen Bankangestellten entschuldigt und - dass sie sich zivilrechtlich dem Inventarversicherer betroffener Sparkassen gegenüber verpflichtet haben, Schadenswiedergutmachung zu leisten.
10
Gewichtigster Milderungsgrund sei allerdings das Alter und die damit verbundene erhöhte Haftempfindlichkeit der Angeklagten; dies gelte für alle Angeklagten, wenn auch beim Angeklagten Lothar A. (dem "Jüngsten" der Angeklagten) in geringerem Ausmaß. Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Strafmilderung bei einer reduzierten Lebenserwartung seien sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafen derart zu mildern, dass den Angeklagten die Hoffnung bleibe, ihre Entlassung aus dem Strafvollzug noch erleben zu können. Hierbei sei allerdings zu bedenken , dass es keinen übermäßigen "Altersrabatt" geben dürfe, da sonst das "Signal" gegeben werden könnte, im Alter Straftaten zu begehen, weil im Falle der Ergreifung nur eine geringe Strafe drohe.
11
Unter Berücksichtigung der genannten Strafzumessungserwägungen hat das Landgericht für die abgeurteilten Taten - jeweils gesondert begründete - Einzelfreiheitsstrafen zwischen drei Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten verhängt. Bei der Bildung der Gesamtstrafen hat es das hohe Alter der Angeklagten nochmals ausdrücklich mildernd gewertet. Die Un- terbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 StGB) hat es insbesondere auch im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter der Angeklagten nicht angeordnet , weil nicht zu besorgen sei, dass die Angeklagten nach der Haftentlassung für die Allgemeinheit (noch) gefährlich seien.
12
bb) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken , dass das Landgericht die Voraussetzungen für das Vorliegen minder schwerer Fälle verneint hat. Auch für die Strafrahmenwahl gilt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, weil er am ehesten in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen und die für die Strafrahmenwahl wesentlichen Umstände zu gewichten. Das Revisionsgericht kann daher auch insoweit - ebenso wie bei der Strafhöhenbemessung - nur eingreifen, wenn die durch den Tatrichter vorgenommene Bewertung Rechtsfehler aufweist, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwiderlaufen, sie in sich widersprüchlich oder sie in dem Sinne lückenhaft sind, dass nahe liegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht bedacht wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 7, 8; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 108 ff.). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
13
Das Landgericht hat alle für die Strafzumessung bestimmenden Umstände gesehen und in dem Sinne, dass die Strafen gerechter Schuldausgleich sein müssen (vgl. BGHSt 24, 132, 134; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 25, 27, 29), rechtsfehlerfrei gewichtet. Insbesondere hat es sich, anders als vom Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang beanstandete Entscheidungen (vgl. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 20), ausführlich mit dem fortgeschrittenen Alter der Angeklagten und der Wirkung der Strafen auf ihr zukünftiges Leben auseinandergesetzt und auf Strafen erkannt, die den Angeklagten noch die Hoffnung lassen, ihre Entlassung aus dem Strafvollzug erleben zu können. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben. Allerdings muss ihm unter Vollstreckungsgesichtspunkten grundsätzlich eine Chance verbleiben, wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187, 228 f., 239, 242, 245; 64, 261, 270 ff., 281; 72, 105, 113 ff.; 86, 288, 312; BVerfG NStZ 1996, 53, 54 f.). Das hat das Landgericht bedacht und - im Erkenntnisverfahren - die Rechtsfolgen, auch durch das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung, entsprechend bemessen.
14
Die Besorgnis der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts, das Landgericht könne die bei der Strafzumessung in engerem Sinne erörterten strafmildernden Gesichtspunkte - insbesondere das fortgeschrittene Alter der Angeklagten - bei der Strafrahmenwahl nicht in Betracht gezogen haben, teilt der Senat nicht. Das Landgericht hat zunächst - wozu es gehalten war (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1983, 407) - entschieden, von welchem Strafrahmen es ausgeht, danach - allgemein - die zu Lasten und zu Gunsten der Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erwogen und schließlich die Strafzumessung für jeden Angeklagten und die einzelnen Taten vorgenommen.
Dieser Urteilsaufbau lässt nach Auffassung des Senats nicht besorgen, dass die Strafkammer die bei den weiteren Strafzumessungserwägungen ausführlich erörterten Umstände bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren haben könnte. Tepperwien Maatz Kuckein Ernemann Sost-Scheible