Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2017 - 4 StR 303/17

bei uns veröffentlicht am14.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 303/17
vom
14. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140917B4STR303.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 12. Dezember 2016 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts P. vom 11. Februar 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wann die Geldstrafe von 50 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts P. vom 14. August 2015 erledigt worden ist. Sollte die Geldstrafe nicht oder nach der Verkündung des Urteils vom 11. Februar 2016 erledigt worden sein (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369, 370), wäre sie in die Gesamtstrafe einzubeziehen, denn sowohl die dem Urteil des Amtsgerichts P. vom 11. Februar 2016 zugrunde liegende Tat als auch die Taten II.2 und II.3 aus dem angefochtenen Urteil sind vor dem 14. August 2015 begangen worden.
3
Die Anrechnung von Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Bewährungsauflagen aus der Verurteilung vom 11. Februar 2016 erbracht hat (§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB), ist im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 2 StR 256/07).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 56f Widerruf der Strafaussetzung


(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2007 - 4 StR 266/07

bei uns veröffentlicht am 17.07.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 266/07 vom 17. Juli 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs
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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2019 - 1 StR 144/19

bei uns veröffentlicht am 08.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 144/19 vom 8. Mai 2019 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:080519B1STR144.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 266/07
vom
17. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 28. Februar 2007 dahin geändert , dass der Angeklagte wegen Totschlags, verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und fünf Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 verhängten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten und einer Woche und wegen verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 5. Dezember 2006 - 4 StR 484/06 - im Ausspruch über die beiden Gesamtfreiheitsstrafen mit den Feststellungen aufgehoben und die weiter gehende Revision verworfen.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 wegen Totschlags, verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Gesamtstrafenbildung, die das Landgericht nach Zurückverweisung der Sache vorzunehmen hatte, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht in die Gesamtstrafe, die es aus den rechtskräftigen Einzelstrafen von neun Jahren und sechs Monaten wegen Totschlags, von drei Jahren wegen verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und von sechs Monaten wegen falscher Verdächtigung zu bilden hatte, auch die durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen einbezogen hat.
4
Der Einbeziehung dieser Geldstrafe im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB steht entgegen, dass aus dieser wegen Beleidigung verhängten Geldstrafe und der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Krefeld vom 10. März 2005 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten Geldstrafe von 90 Tagessätzen gemäß § 460 StPO im Beschlusswege nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist, weil die Beleidigung am 20. Februar 2005 begangen wurde, sodass allein der Strafbefehl vom 10. März 2005 eine Zäsur bilden kann (vgl. BGHSt 32, 190, 193). Nach den Feststellungen wurde dieser Strafbefehl aber am 10. März 2005 von dem zuständigen Richter vor 14.00 Uhr unterzeichnet. Da der Angeklagte den hier abgeurteilten Totschlag am Abend des 10. März 2005 nach 20.00 Uhr, den Verstoß gegen das Waffengesetz am 14. November 2005 und das Vergehen der falschen Verdächtigung am 28. November 2005 begangen hat, ist für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus den wegen dieser Taten verhängten Freiheitsstrafen und der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 2. Mai 2005 kein Raum.
5
Die Zäsurwirkung des Strafbefehls vom 10. März 2006 ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 10. März 2005 nunmehr nach Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe in der Zeit vom 30. November 2006 bis zum 12. Februar 2007 erledigt ist. Da die Erledigung erst nach Erlass des Strafbefehls vom 2. Mai 2005 eingetreten ist, steht sie einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht entgegen (vgl. Fischer in KK StPO 5. Aufl. § 460 Rdn. 10; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 460 Rdn. 13, jew. m.w.N.). Ein Nachtragsverfahren nach § 460 StPO ist erst dann ausgeschlossen, wenn sämtliche Strafen, die für eine Gesamtstrafenbildung in Betracht gekommen wären, vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sind (vgl. Fischer aaO; Meyer-Goßner aaO).
6
Die Einbeziehung der Geldstrafe von 30 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 muss deshalb entfallen. Der Senat setzt die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe um einen Monat herab.
7
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.