Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - 4 StR 295/10

published on 19/10/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - 4 StR 295/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 295/10
vom
19. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Oktober 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 15. Januar 2010, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Insoweit wird von einer Entscheidung über die Entschädigungsanträge der Adhäsionskläger abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren, soweit es ihn betrifft, entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen der Beschwerdeführer und die Adhäsionskläger selbst.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger Dr. P. 212.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2009, an den Adhäsionskläger C. 246.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. August 2009 und an den Adhäsionskläger J. 234.481,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2009 zu zahlen.
2
Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat lediglich Erfolg, soweit sie sich gegen den Adhäsionsausspruch richtet. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Adhäsionsausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Anhand der Urteilsfeststellungen lässt sich nicht überprüfen, ob die vom Angeklagten geltend gemachte Einrede der Verjährung den im Jahre 2009 anhängig gemachten Ansprüchen der Adhäsionskläger entgegensteht.
4
a) Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – die für deliktische Ansprüche geltende dreijährige (§ 195 BGB) Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Zur Kenntnis von der Person des Schuldners gehört auch die Kenntnis von dessen Anschrift, weil erst mit dieser die Erhebung einer Klage erfolgversprechend möglich ist (BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07, NJW 2009, 587 m.w.N.). Bei Gesamtschuldnern ist der Beginn der Verjährung für jeden Schuldner getrennt zu ermitteln (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 – VI ZR 345/99, NJW 2001, 964).
5
b) Wann den Adhäsionsklägern C. und Dr. P. die Beteiligung des Angeklagten an den zu ihrem Nachteil begangenen Betrugstaten bekannt geworden ist, teilen die Urteilsgründe jedoch nicht mit. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, es sei den Adhäsionsklägern in den auf die letzte Zahlung von „Eigenkapital“ Ende April 2005 folgenden Wochen klar geworden, dass sie Opfer eines Betruges geworden seien. Die Bestimmung des Zeitpunktes, an dem die Adhäsionskläger Kenntnis von der Beteiligung des Angeklagten erhielten, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil er im Juni 2005 ohne eine den Geschädigten bekannte Anschrift nach Spanien verzog. Wenn die Adhäsionskläger bereits vor dem Wegzug des Angeklagten um dessen Tatbeteiligung gewusst und auch – was die Urteilsgründe ebenfalls nicht mitteilen – eine Anschrift in Deutschland gekannt haben sollten, war ab diesem Zeitpunkt Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB gegeben, ohne dass den Adhäsionsklägern – entgegen der Auffassung des Landgerichts – noch ein weiterer, sich über den Juni 2005 hinaus erstreckender Zeitraum der Prüfung, Überlegung und Beratung zuzubilligen wäre. Ebenso wenig wäre dann von Belang, dass die Adhäsionskläger nicht wussten, dass der Angeklagte nach Spanien verzogen war, und daher „noch keinen Anlass“ hatten, „Nachforschungen anzustellen“ (UA 48). Nach Fristbeginn hemmt der spätere Verlust der Kenntnis von der Anschrift des Schuldners, etwa im Fall eines Umzugs, die Verjährung nicht (OLG Karlsruhe ZIP 2009, 1611).
6
c) Hinsichtlich des Adhäsionsklägers J. teilt das Urteil zwar mit, dass er erst durch ein auf seine Anfrage übersandtes Fax S. s am 3. Juli 2005 die „zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zutreffende Anschrift des Angeklagten“ (UA 48) erfuhr und vorher keine Anschrift kannte; es ist aber nicht festgestellt , wann der Adhäsionskläger, der zuletzt Anfang März 2005 gutgläubig Geld an den gesondert Verfolgten M. übergeben hatte, erkannte, dass er u.a. vom Angeklagten betrogen worden war. Deshalb ist die Überprüfung, ob die Unkenntnis der Anschrift bis zum 3. Juli 2005 auf grober Fahrlässigkeit beruht – diese liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07, NJW 2009, 587) – dem Senat nicht möglich. So enthalten die Urteilsgründe weder Ausführungen dazu, warum sich der Adhäsionskläger J. nicht früher an S. gewandt hat, noch dazu, ob eine frühere Anfrage erfolgreich gewesen wäre.
7
2. Eine Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung allein über den Entschädigungsanspruch kommt nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 m.w.N.).
8
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 472a Abs. 2, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Ernemann Solin-Stojanović Cierniak Franke Mutzbauer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.

(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tragen.

(2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Antragsteller nicht zuerkannt oder nimmt dieser den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenden notwendigen Auslagen trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.