Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - 4 StR 20/12

published on 20/03/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - 4 StR 20/12
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 20/12
vom
20. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. März 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 7. November 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Körperverletzung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Mit Urteil vom 3. Mai 2010 hatte das Landgericht den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter sexueller Nötigung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil, soweit der Angeklagte verurteilt worden war, auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben, weil die Wertung der Strafkammer, die bei dem tätlichen Angriff des Angeklagten gegen das Tatopfer eingesetzte Pumpsprühflasche mit Haushaltsreiniger sei als gefährliches Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu qualifizieren, einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.
3
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand , der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 - 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; vom 27. September 2001 - 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Nach den Feststellungen der Strafkammer nahm der Angeklagte die Pumpsprühflasche mit dem Haushaltsreiniger und sprühte aus kurzer Distanz einen Sprühstoß in Richtung des Gesichts des Tatopfers, das an der rechten Gesichtshälfte getroffen wurde. Der Sprühstoß aus der Flasche konnte "gegebenenfalls eine Reizreaktion" aufgrund der enthaltenen Chemikalien, nicht aber Defekte der Hornhaut des Auges oder der Haut zur Folge haben. Tatsächlich trug das Opfer eine vorübergehende Reizung des rechten Auges davon. Damit ist die für die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderliche potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95) nicht belegt. Die bloße Eignung, nicht näher konkretisierte Reizreaktionen auszulösen , reicht hierfür nicht aus. Soweit die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung auf mögliche Entzündungen der Bindehäute und Reizungen der Haut verweist, wird dies durch die Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung, insbesondere zu den wiedergegebenen Darlegungen des hierzu gehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen, nicht getragen.
4
Der Angeklagte hat sich daher lediglich der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Der erforderliche Strafantrag des Tatopfers ist form- und fristgerecht gestellt. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend.
5
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurück, dessen Strafgewalt ausreicht. Ernemann Roggenbuck Franke Bender Quentin
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

5 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 27/01/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 487/10 vom 27. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchter sexueller Nötigung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar 2011, an der teilgenommen haben:
published on 05/09/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 313/06 vom 5. September 2006 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Septemb
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.