Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2003 - 4 StR 102/03

bei uns veröffentlicht am27.05.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 102/03
vom
27. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Raub u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Mai 2003 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. November 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren Raub schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 19. März 2003 unter anderem ausgeführt: "Die [Sach-] Rüge der Revision greift ... insoweit durch, als die Kammer zu dem Ergebnis gelangt ist, der Raub sei zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen S. vereinbart worden. Die Umstände sprechen zwar dafür, dass der Angeklagte und der Zeuge S. bei dem ersten Halt überein gekommen sind, dem Geschädigten einen 'Denkzettel' durch Verprügeln zu verpassen (UA S. 5f). Die Annahme der Kammer, dabei sei auch die Wegnahme von Kette und Bargeld durch den Zeugen S. vereinbart worden, wird aber durch keine Indizien getragen und stellt eine bloße Vermutung dar. Nach den Feststellungen der Kammer hatte der Angeklagte kein eigenes Interesse an den Wertgegenständen ; ein solches lag allein bei dem Zeugen S. vor, der bei seinem Besuch in Deutschland über keine ausreichenden Barmittel verfügte (UA S. 6). Die Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten erbrachte keine weiteren Erkenntnisse (UA S. 11). Zu Gunsten des Angeklagten ist daher davon auszugehen, dass der Zeuge S. den Entschluss, den Geschädigten zu berauben, allein - möglicherweise erst während des [körperlichen] Angriffs auf den Zeugen - gefasst hat [und der Angeklagte den Zeugen S. bei der Sicherung der Beute unterstützte]. ..." Dem stimmt der Senat zu. Allerdings hat sich der Angeklagte nicht - wie der Generalbundesanwalt meint - neben gefährlicher Körperverletzung der Beihilfe zum schweren Raub und zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, sondern der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit (nur) mit Beihilfe zum schweren Raub schuldig gemacht; denn wenn der Angeklagte den Entschluß zur Beihilfe zum Raub erst gefaßt hat, nachdem er das Fahrzeug auf dem Parkplatz angehalten hatte und alle Fahrzeuginsassen ausgestiegen waren, hat er keinen Angriff auf einen Mitfahrer unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs unterstützt (vgl. BGH NStZ 1996, 389, 390; 2000, 144; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 316a Rdn. 3a).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als bisher hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Die Strafe muß daher neu festgesetzt werden. Tepperwien Maatz Kuckein Athing

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.