Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2013 - 3 StR 76/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Antrag des Angeklagten G. auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist zulässig und begründet. Die Revision des Angeklagten ist - entgegen der Ansicht des Landgerichts und des Generalbundesanwalts - zulässig.
- 2
- Der Angeklagte hat am 19. September 2012 mit einem per Fax übermittelten Schriftsatz seines Verteidigers gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 17. September 2012 Revision eingelegt und diese am 18. Dezember 2012 - innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO - damit begründet, dass er die allgemeine Sachrüge erhebe.
- 3
- Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 10. Januar 2013 als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder die Einlegungsschrift noch die Revisionsbegründung den nach § 344 Abs. 1 StPO erforderlichen Revisionsantrag enthalte, durch den der Umfang der Urteilsanfechtung bezeichnet werde. Zwar könne das Fehlen eines solchen ausdrücklichen Antrags dann unschädlich sein, wenn sich der Umfang der Anfechtung aus dem Inhalt der Revisionsbegründung ergebe, was zum Beispiel dann angenommen werde, wenn - wie hier - die uneingeschränkte allgemeine Sachrüge erhoben werde. Das bei fehlendem Revisionsantrag zu berücksichtigende Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers im Verlauf des Verfahrens führten vorliegend aber dazu, dass es eines Revisionsantrages bedurft hätte: Der Angeklagte habe ein umfassendes Geständnis bezüglich aller zur Aburteilung gelangten Taten abgegeben und sich im letzten Wort für sein Fehlverhalten entschuldigt. Sein Verteidiger - "Fachanwalt für Strafrecht" - habe im Schlussvortrag die Verurteilung seines Mandanten in allen Fällen beantragt, wenn auch teilweise mit anderer rechtlicher Würdigung und niedrigeren Strafen. Zudem habe er im Revisionseinlegungsschriftsatz ausdrücklich mitgeteilt, "Anträge und Begründungen" blieben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Bei dieser Sachlage bleibe allein aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge völlig unklar, inwieweit der Angeklagte das Urteil anfechten wolle. Dies führe zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.
- 4
- Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 5
- Allerdings ist das Landgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags gemäß § 344 Abs. 1 StPO unschädlich ist, wenn sich der Umfang der Anfechtung aus dem Inhalt der Revisionsbegründung ergibt und nach der Rechtsprechung bei Revisionen des Angeklagten in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge regelmäßig die Erklärung zu sehen ist, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. November 2002 - 5 StR 336/02, StV 2004, 120 mwN). Unzutreffend ist aber die Ansicht des Landgerichts, dies sei im vorliegenden Fall aufgrund des Verhaltens des Angeklagten und seines Verteidigers im Verlaufe des Verfahrens und der Ankündigung im Einlegungs- schriftsatz anders zu beurteilen. Die vom Landgericht herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, ein Abweichen von der für Angeklagtenrevisionen geltenden, oben dargelegten Regel zu begründen. Die vom Landgericht für seine Rechtsauffassung zitierte Entscheidung des Senats (Beschluss vom 31. Oktober 1989 - 3 StR 381/89, NStZ 1990, 96) besagt nichts anderes: Auch in dieser Sache hatte der Angeklagte innerhalb der Begründungsfrist allgemein die Verletzung materiellen Rechts gerügt und keinen ausdrücklichen Antrag im Sinne der § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO gestellt. Der Senat hat entschieden, dass dies unter den gegebenen Umständen unschädlich sei; eines besonders hervorgehobenen Antrags bedürfe es dann nicht, wenn sich das Begehren des Beschwerdeführers sicher aus der Revisionsbegründung - auch unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrens - ergebe. Er hat dies näher damit begründet , dass der Angeklagte die mehreren selbständigen Taten, derentwegen er verurteilt worden war, insgesamt bestritten hat. Der vom Landgericht hieraus gezogene Umkehrschluss, der im vorliegenden Verfahren umfassend geständige Angeklagte, dessen Verteidiger nur teilweise von der Verurteilung abweichende Schlussanträge gestellt hat, müsse einen solchen Antrag ausdrücklich stellen, um seine Revision zulässig zu begründen, ist rechtlich nicht zutreffend. Auch unter diesen Umständen ergibt sich hier aus der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge hinreichend sicher, dass der Angeklagte das Urteil umfassend anfechten will. Die Mitteilung im Einlegungsschriftsatz, dass "Anträge und Begründungen" einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben, stellt eine den Angeklagten nicht bindende Ankündigung dar und vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Die vom Generalbundesanwalt zitierte Entscheidung (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 - 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288) und der dort seinerseits zitierte Beschluss des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 7. November 2002 - 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) betreffen jeweils eine Revision der Staatsanwaltschaft, für deren zulässige Begründung hinsichtlich der Erforderlichkeit eines ausdrücklichen Antrags gemäß § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO unter den in diesen Entscheidungen dargelegten Umständen etwas anderes gelten kann.
- 6
- Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten ist danach gegenstandslos.
RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Spaniol
moreResultsText
Annotations
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.
(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.
(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.