Bundesgerichtshof Beschluss, 29. März 2011 - 3 StR 72/11

bei uns veröffentlicht am29.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 72/11
vom
29. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 29. März
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 21. Oktober 2010 in den jeweiligen Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. wegen schweren Raubes und falscher Verdächtigung zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten K. hat es wegen schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom 18. November 2009 die Jugendstrafe von drei Jahren festgesetzt. Die Angeklagten wenden sich hiergegen mit ihren auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der jeweilige Ausspruch über die Rechtsfolgen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten die Prüfung der Anordnung ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen , obwohl sich diese nach den Urteilsfeststellungen zum Drogenkonsum der Angeklagten und seinen Auswirkungen aufdrängte. Dies führt hier auch zur Aufhebung der gegen die Angeklagten festgesetzten Jugendstrafen.
3
1. Das Landgericht hat zum Verhältnis der Angeklagten zu illegalen Drogen Folgendes festgestellt:
4
a) Der Angeklagte Ö. hatte bereits vor mehreren Jahren erstmals Erfahrungen mit Betäubungsmitteln. Zu Beginn des Jahres 2010 rauchte er zwei bis drei Joints (Marihuana) am Tag. Auch vor dem am Abend des 22. Januar 2010 begangenen schweren Raub konsumierte er im Tagesverlauf Cannabis. Die gewährte Strafaussetzung der verhängten Jugendstrafe zur Bewährung hat das Landgericht unter anderem damit begründet, Voraussetzung für eine erfolgreiche Erprobung sei, dass der Angeklagte es künftig unterlasse, Betäubungsmittel zu konsumieren; denn anderenfalls drohten erneut Fehlhandlungen als Folge der Haltschwäche, die auch die hier abgeurteilte Raubtat nach sich gezogen habe. Der Angeklagte werde daher angewiesen, unverzüglich Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle aufzunehmen und vier Drogenscreenings pro Jahr durchführen zu lassen.
5
b) Der Angeklagte K. konsumierte seit etwa 2005 gelegentlich Marihuana. Das Jugendschöffengericht Krefeld ordnete in seinem Urteil vom 18. November 2009, durch das der Angeklagte wegen räuberischer Erpressung , gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Sachbeschädigung - unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verur- teilung zu Jugendstrafe - zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, an, dass der Angeklagte mit Blick auf den selbst eingeräumten Drogenkonsum ein monatliches Drogenscreening vorzulegen habe. Bereits zum Jahreswechsel 2009/2010 konsumierte er indes erneut Cannabis. Wegen der hierauf ergangenen, zunächst zurückgestellten Entscheidung des Jugendschöffengerichts , die verhängte zweijährige Jugendstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen , rauchte der Angeklagte fortan täglich Cannabis und begann damit, gelegentlich Heroin "vom Blech" zu konsumieren.
6
Sowohl bei der ursprünglich beabsichtigten Tat, einen Drogenhändler in seiner Wohnung zu überfallen, als auch bei dem schließlich ausgeführten und hier abgeurteilten Straßenraub sollten nach der Planung und Vorstellung der Angeklagten neben Bargeld auch Betäubungsmittel erbeutet werden.
7
2. Diese Sachlage legt es nahe, dass bei den Angeklagten der Hang gegeben ist, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und dass zumindest die der Verurteilung zu Grunde liegende Raubtat auf diesen Hang zurückgeht. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Den Gründen des angefochtenen Urteils ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass die weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB (Gefährlichkeitsprognose , Erfolgsaussicht) nicht erfüllt sind. Vielmehr ergeben die bisherigen Feststellungen, dass das Landgericht von der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Angeklagten Ö. überzeugt war, falls er seinen Betäubungsmittelkonsum fortführt. Die Bejahung einer hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) scheitert bei dem Angeklagten K. jedenfalls nicht ohne weiteres daran, dass er kurz nach seiner Verurteilung durch das Jugendschöffengericht Krefeld im November 2009 ent- gegen der erteilten Bewährungsweisung wiederum Betäubungsmittel konsumierte.
8
Der Umstand, dass die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Angeklagten nicht beschwert, hindert das Revisionsgericht nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362) - Revision des Angeklagten das Urteil insoweit aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11 mwN). Die Nachholung der Unterbringungsanordnung ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil allein die Angeklagten Revision eingelegt haben (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
9
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den jeweiligen Strafausspruch nicht unberührt. Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, gegen die Angeklagten Jugendstrafen zu verhängen. Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO).
10
Der neue Tatrichter wird bei erneuter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts Krefeld vom 18. November 2009 gegen den Angeklagten K. zu beachten haben, dass in der Formel auch das bereits in jenes Urteil einbezogene Urteil des Jugendschöffengerichts Krefeld vom 1. August 2008 aufzuführen sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2003 - 3 StR 434/02).
Becker Pfister Hubert Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 5 Die Folgen der Jugendstraftat


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

5).


7
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
8
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
9
Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 434/02
vom
13. März 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Me. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers D. ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Das Urteil des Landgerichts Verden vom 28. Juni 2002 wird auf die Revision der Staatsanwaltschaft im vollen Umfang und auf die Revision des Nebenklägers, soweit es den Angeklagten M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten Me. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die Revision des Angeklagten M. wird verworfen. 5. Der Angeklagte M. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten Me. unter Einbeziehung des
Urteils des Amtsgerichts Nienburg vom 6. Juni 2001 zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten M. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die mit sachlichrechtlichen Beanstandungen eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags erstrebt. Dasselbe Ziel verfolgt die allein gegen den Angeklagten M. ge- richtete Revision des Nebenklägers, der sich zudem mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils wendet. Die Revision des Angeklagten Me. richtet sich mit einer Verfahrensrüge und der allgemeinen Sachbeschwerde nur noch gegen den Strafausspruch. Die Revision des Angeklagten M. erhebt sachlichrechtliche Einwände gegen die Annahme von Mittäterschaft und die Höhe der Jugendstrafe. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft , des Nebenklägers und des Angeklagten Me. haben Erfolg; die Revision des Angeklagten M. bleibt ohne Erfolg.
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft
1. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich die beiden Angeklagten gemeinsam mit drei Schwestern des Angeklagten Me. vor dem Haus mit der Arztpraxis des Nebenklägers auf. Sie gerieten dort miteinander in Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte M. seiner Freundin, der 14jährigen und im achten Monat schwangeren Natalie Me. , auf die Nase
schlug, so daß diese aus Mund und Nase blutete und sich benommen auf eine Mauer vor dem Hause setzen mußte. Der Nebenkläger wurde auf das Geschehen aufmerksam, zog eine Jacke über seine weiße Arztkleidung und ging hinaus , um dem verletzten hochschwangeren Mädchen ärztliche Hilfe zu leisten. Um ihn vom Näherkommen abzuhalten, sprang der Angeklagte Me. "in Kung-Fu-Manier" auf den Nebenkläger zu, den er als den Arzt des Ortes erkannt hatte. Dieser wich in Richtung seiner Haustüre zurück. Der Angeklagte Me. lief ihm hinterher und zückte ein Klappmesser mit einer Klingenbreite von ca. 2 cm und nach oben schmal zulaufender Klinge. Er versetzte dem Nebenkläger einen Schlag auf das Gesäß. Dieser nahm einen an der Hauswand lehnenden Besen, hielt ihn schützend vor sich und ging in der Absicht, dem blutenden Mädchen zu helfen, erneut auf die Gruppe zu. Während der Angeklagte Me. drohend vor dem Nebenkläger auf und ab sprang und mit dem Messer fuchtelte, versetzte der Angeklagte M. dem Nebenkläger von hinten überraschend einen harten Schlag an die linke Schläfenseite. Beide Angeklagte wollten dem Nebenkläger eine Lektion erteilen, sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen. Der Nebenkläger fiel durch den Schlag hin und erhielt zuerst weitere Schläge und Tritte. Der Angeklagte M. fixierte den Nebenkläger mit seinem Körpergewicht am Boden und hielt dessen rechten Arm fest. Sodann setzte sich der Angeklagte Me. vor den Nebenkläger, zog dessen linke Hand zu sich heran und schnitt nach Zurückschieben des Jakkenärmels mit dem Messer in Höhe der Armbanduhr über das gesamte Handgelenk des Nebenklägers in einer Länge von ca. 10 cm und einer Tiefe, die das gesamte Handgelenk eröffnete. Unmittelbar danach stach er dem Nebenkläger in rascher Folge mehrfach in den Rücken. Zwei Stiche verletzten den rechten Lungenlappen, einer eröffnete eine Arterie im Zwischenrippenraum. Beim Er-
scheinen eines Passanten ließen die Angeklagten vom Nebenkläger ab und entfernten sich. Der Nebenkläger wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus verbracht und konnte durch eine sofortige Operation gerettet werden. Er hat noch heute Atembeschwerden. Die Bewegung der linken Hand ist aufgrund der Sehnendurchtrennungen erheblich eingeschränkt.

b) Die Entscheidungsgründe lassen bereits nicht klar erkennen, ob sich das Landgericht vom Tötungsvorsatz nicht überzeugen konnte, weil es an dessen Wissenselement oder an dessen Wollenselement gezweifelt hat. Während die Angeklagten nach den Feststellungen (UA S. 13) "mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs" nicht "rechneten", wird bei der rechtlichen Würdigung (UA S. 29) ausgeführt, die Angeklagten hätten die "objektiv lebensgefährliche Weise" ihrer Stiche "erkannt", während kurz danach (UA S. 30) dargelegt wird, daß sich der Angeklagte Me. bei den Stichen "der Tragweite seines Handelns nicht bewußt gewesen ist".
Die vom Landgericht als einem Tötungsvorsatz entgegenstehend gewürdigten Umstände sind teilweise nicht tragfähig. Daß der Angeklagte Me. geraume Zeit nach der Tat zum Angeklagten M. geäußert hat, der Nebenkläger werde "in Zukunft keinem mehr helfen wollen", sagt über die Willensrichtung zum Tatzeitpunkt nichts Entscheidendes. Gleiches gilt für den Umstand, daß der Angeklagte Me. - wovon die Kammer allein aufgrund der Einlassung des Angeklagten ausgeht - vor der Tat Horrorfilme angesehen hat, in denen einem Opfer die Hand abgeschnitten wird: Er ist für einen Tötungsvorsatz bei der Zufügung der Stiche in den Oberkörper ohne Bedeutung. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Wertung der Tat als "von keinem Motiv geleitet(e)" Spontantat (UA S. 29) steht im Widerspruch zu der Feststellung,
daß beide Angeklagte "von Anfang an" vorhatten, dem Nebenkläger "eine Lektion zu erteilen" (UA S. 13).
Darüber hinaus fehlt die Auseinandersetzung mit der Feststellung, daß der das Tatgeschehen beobachtende Passant den Angeklagten zugerufen hatte: "Ihr könnt doch nicht einfach unseren Doktor abstechen!". Demnach war bei ihm aus der Art des Vorgehens der Angeklagten der Eindruck entstanden, hier geschehe ein Tötungsdelikt.
2. Über den Tatvorsatz wird deshalb erneut zu entscheiden sein. Der Senat hebt auch die Feststellungen des Urteils zum objektiven Tatgeschehen auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende neue Prüfung zu ermöglichen.
Dieser wird zu beachten haben, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Einbeziehung eines früheren Urteils auch ein bereits in jenes Urteil einbezogenes Urteil im Tenor des neuen Urteils aufzuführen ist (BGH StV 1989, 308; BGH, Beschl. vom 19. Mai 1999 - 3 StR 170/99 m. w. N.). Er wird, sollte er erneut eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten Me. nicht ausschließen können, in den Urteilsgründen mitzuteilen haben, von welchem Eingangsmerkmal des § 20 StGB er dabei ausgegangen ist (vgl. NStZ 1998, 296; 1999, 128). Sollte er bei seiner Beurteilung den Drogenkonsum des Angeklagten in den Vordergrund stellen, wird er die Voraussetzungen, die von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang für die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit aufgestellt worden sind, zu berücksichtigen haben (vgl. NStZ-RR 2002, 263 m. w. N.).
Im Fall der Annahme eines Tötungsvorsatzes wird unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts zu erörtern sein, welche Vorstellung die Angeklagten vom verletzungsbedingten Zustand ihres Opfers hatten und warum sie vom Opfer abließen und sich entfernten, als der Passant vorbeikam. Nach den bisherigen Feststellungen können die Voraussetzungen des § 24 StGB nicht angenommen werden.
II. Die Rechtsmittel des Nebenklägers
1. Die Revision hat mit der Sachbeschwerde aus den oben I. 1. genannten Gründen Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrüge nicht mehr ankommt.
2. Durch die Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen die Auslagenentscheidung gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 464 Rdn. 20). Der neue Tatrichter wird zu berücksichtigen haben , daß gegen die bisherige Auslagenentscheidung zu Recht Bedenken erhoben worden sind. Zwar kann, entgegen dem Beschwerdevorbringen, nicht festgestellt werden, daß das Landgericht eine Entscheidung über die Auslagen des Nebenklägers gänzlich unterlassen hat. Mit der Entscheidung, davon abzusehen , "den Angeklagten die Kosten des Verfahrens wie auch die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen", hat das Landgericht ungeachtet der sprachlichen Ungenauigkeit über die Auslagen des Nebenklägers dahin entschieden, daß diese von "den Angeklagten" nicht getragen werden sollten. Aus der Entscheidungsformel ergibt sich allerdings die Besorgnis, daß das Landgericht verkannt hat, nur bezüglich des Angeklagten M. , der zum Tatzeitpunkt Heranwach-
sender war (vgl. § 109 Abs. 2 Satz 1, § 74 JGG), eine Entscheidung über die Auslagen des Nebenklägers treffen zu können. Die Entscheidungsgründe belegen nicht, daß sich das Landgericht angesichts der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten M. mit der Möglichkeit einer zumindest teilweisen Auferlegung der Kosten auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00 - bei Böhm NStZ-RR 2001, 326 (in NStZ 2001, 265 nicht abgedruckt ); Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 109 Rdn. 30 a).
III. Die Revision des Angeklagten Me.
Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Ihr liegt nach dem Vortrag der Revision, dem die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsgegenerklärung nicht widersprochen hat, folgendes Geschehen zugrunde:
Gesetzliche Vertreterin des zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung jugendlichen Angeklagten war eine Mitarbeiterin des Jugendamts Nienburg/ Weser, dem die Vormundschaft für den Angeklagten übertragen war. Der im Sitzungssaal anwesenden gesetzlichen Vertreterin ist entgegen § 67 Abs. 1 JGG i. V. m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO nicht von Amts wegen das letzte Wort erteilt worden (BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 3 m. w. N.).
Dieser Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich mögliche Ausführungen der gesetzlichen Vertreterin - insbesondere zur den Lebensumständen - auf die Bemessung der an sich nicht unangemessenen Jugendstrafe ausgewirkt hätten.

IV. Die Revision des Angeklagten M.
Die Revision zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Feststellungen tragen die Annahme der Mittäterschaft des Angeklagten. Danach hatten beide Angeklagte vor, dem Opfer eine Lektion zu erteilen. Der Angeklagte M. schlug dieses deshalb zuerst nieder, hielt es fest, ermöglichte dadurch den ungestörten Messereinsatz durch den Angeklagten Me. und billigte diesen auch. Die Feststellungen zum gemeinschaftlichen Tatentschluß durch konkludentes Handeln sind durch das äußere Tatgeschehen ausreichend belegt. Dies gilt auch für die mittäterschaftliche Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung. Bei der Bemessung der Jugendstrafe sind erzieherische Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt worden.
Winkler Miebach Pfister Becker Hubert