Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2017 - 3 StR 591/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2017 einstimmig beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Entscheidung des Landgerichts, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1996 verschiedene Drogen, ohne dass insoweit Näheres bekannt geworden ist. Er wurde bis zum Jahr 2006 mehrfach wegen Straftaten verurteilt, die er aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hatte. Zu einer letzten Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln kam es im Jahr 2010. Seit April 2015 wird er erfolgreich mit einem Methadonpräparat substituiert.
Einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum berauschender Mittel hat die Strafkammer mit der Begründung verneint, es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Gesundheit oder die Lebens- oder Arbeitsfähigkeit des Angeklagten durch seinen Betäubungsmittelkonsum bereits erheblich beeinträchtigt seien oder dass er aufgrund einer Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheine. Nichts weise darauf hin, dass es bei dem Angeklagten im Alltag zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen Handlungsvermögens gekommen sei.
b) Diese Ausführungen stoßen auf rechtliche Bedenken, weil sie besorgen lassen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit Straftaten begangen hat und seit April 2015 mit einem Methadonpräparat "substituiert" wird, liegt es indes ausgesprochen nahe, dass er eine derartige Neigung hat.
Dies gefährdet aber nicht den Bestand der Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, weil sich den Urteilsgründen entnehmen lässt, dass die Strafkammer den dafür erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und der nunmehr abgeurteilten Tat mit hinreichender Begründung verneint hat. Danach beging der Angeklagte, der von staatlichen Transferleistungen lebte, den ihm zur Last fallenden Überfall auf einen Getränkemarkt "zur Verbesserung seiner allgemeinen wirtschaftlichen Lage", die seit längerer Zeit schlecht war.
2. Der Einwand der Revision, dass sich dem Urteil nicht entnehmen lasse , "woher" das Landgericht die "Überzeugung gewonnen" habe, dass der An- geklagte durch die Tat 20.397,58 € erbeutet habe, geht fehl. Die Strafkammer hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich dargelegt, dass der Geschäftsführer des Getränkemarktes unter anderem die Höhe des erbeuteten Geldbetrages "nachvollziehbar dargelegt" habe (UA S. 10).
Becker Schäfer Gericke Tiemann Hoch
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.